Den Westen des Induslandes begrenzen mächtige Gebirge, die in fast ununterbrochener Linie von dem Kophenflusse bis zum Ocean hinabreichen; unmittelbar über der Brandung des Mee- res ragen ihre letzten Felsenmassen noch bis in die Wolken empor, und von wenigen Pässen durchschnitten, sind sie zwischen dem Deltalande des Indus und dem wüsten Küstensaum Gedrosiens, zwischen dem Lande Sind und der hohen Steppe Arianas eine vollkommene Scheidewand; gen Morgen ist feuchte Tropenwärme, Wasserfülle, üppige Vegetation, eine reiche Thierwelt, dichte Be- völkerung mit dem weitverzweigten geselligen Verkehr, mit den tausend Erzeugnissen und Bedürfnissen einer unvordenklichen Ci- vilisation; jenseits der Grenzgebirge, die in nackten Felsen über einander empor starren, ein Labyrinth von Felsschlünden, Klippen- zügen, Bergsteppen, in ihrer Mitte das Tafelland von Kelat, nackt, traurig, von trockener Kälte oder kurzer, sengender Som- mergluth, in Wahrheit die "Wüste der Armuth" 1). Gen Norden und Westen umschließen sie steile Klippenzüge, an deren Fuß die furchtbare Wüste Arianas fluthet, ein endloser Ocean, mit der röthlich schillernden Atmosphäre des glühenden Flugsandes, mit dem wellenhaften Wechsel stets treibender Dünen, in denen der Pilger verirrt und das Kameel untersinkt. So der traurige Weg
1)Dustibe-dulut nach Pottinger, dessen Angaben obiger Schil- derung zum Grunde liegen.
Achtes Kapitel. Die Ruͤckkehr.
Den Weſten des Induslandes begrenzen maͤchtige Gebirge, die in faſt ununterbrochener Linie von dem Kophenfluſſe bis zum Ocean hinabreichen; unmittelbar uͤber der Brandung des Mee- res ragen ihre letzten Felſenmaſſen noch bis in die Wolken empor, und von wenigen Paͤſſen durchſchnitten, ſind ſie zwiſchen dem Deltalande des Indus und dem wuͤſten Kuͤſtenſaum Gedroſiens, zwiſchen dem Lande Sind und der hohen Steppe Arianas eine vollkommene Scheidewand; gen Morgen iſt feuchte Tropenwaͤrme, Waſſerfuͤlle, uͤppige Vegetation, eine reiche Thierwelt, dichte Be- voͤlkerung mit dem weitverzweigten geſelligen Verkehr, mit den tauſend Erzeugniſſen und Beduͤrfniſſen einer unvordenklichen Ci- viliſation; jenſeits der Grenzgebirge, die in nackten Felſen uͤber einander empor ſtarren, ein Labyrinth von Felsſchluͤnden, Klippen- zuͤgen, Bergſteppen, in ihrer Mitte das Tafelland von Kelat, nackt, traurig, von trockener Kaͤlte oder kurzer, ſengender Som- mergluth, in Wahrheit die „Wuͤſte der Armuth“ 1). Gen Norden und Weſten umſchließen ſie ſteile Klippenzuͤge, an deren Fuß die furchtbare Wuͤſte Arianas fluthet, ein endloſer Ocean, mit der roͤthlich ſchillernden Atmoſphaͤre des gluͤhenden Flugſandes, mit dem wellenhaften Wechſel ſtets treibender Duͤnen, in denen der Pilger verirrt und das Kameel unterſinkt. So der traurige Weg
1)Dustibe-dulut nach Pottinger, deſſen Angaben obiger Schil- derung zum Grunde liegen.
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[[466]/0480]
Achtes Kapitel.
Die Ruͤckkehr.
Den Weſten des Induslandes begrenzen maͤchtige Gebirge, die
in faſt ununterbrochener Linie von dem Kophenfluſſe bis zum
Ocean hinabreichen; unmittelbar uͤber der Brandung des Mee-
res ragen ihre letzten Felſenmaſſen noch bis in die Wolken empor,
und von wenigen Paͤſſen durchſchnitten, ſind ſie zwiſchen dem
Deltalande des Indus und dem wuͤſten Kuͤſtenſaum Gedroſiens,
zwiſchen dem Lande Sind und der hohen Steppe Arianas eine
vollkommene Scheidewand; gen Morgen iſt feuchte Tropenwaͤrme,
Waſſerfuͤlle, uͤppige Vegetation, eine reiche Thierwelt, dichte Be-
voͤlkerung mit dem weitverzweigten geſelligen Verkehr, mit den
tauſend Erzeugniſſen und Beduͤrfniſſen einer unvordenklichen Ci-
viliſation; jenſeits der Grenzgebirge, die in nackten Felſen uͤber
einander empor ſtarren, ein Labyrinth von Felsſchluͤnden, Klippen-
zuͤgen, Bergſteppen, in ihrer Mitte das Tafelland von Kelat,
nackt, traurig, von trockener Kaͤlte oder kurzer, ſengender Som-
mergluth, in Wahrheit die „Wuͤſte der Armuth“ 1). Gen Norden
und Weſten umſchließen ſie ſteile Klippenzuͤge, an deren Fuß die
furchtbare Wuͤſte Arianas fluthet, ein endloſer Ocean, mit der
roͤthlich ſchillernden Atmoſphaͤre des gluͤhenden Flugſandes, mit
dem wellenhaften Wechſel ſtets treibender Duͤnen, in denen der
Pilger verirrt und das Kameel unterſinkt. So der traurige Weg
1) Dustibe-dulut nach Pottinger, deſſen Angaben obiger Schil-
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. [466]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/480>, abgerufen am 22.11.2024.
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