sicht das untere Indusland; darum wurde Hephästion beauftragt, die Burg der Stadt auf das sorgfältigste zu befestigen, und dem- nächst Schiffswerfte und einen geräumigen Hafen bei der Stadt zu erbauen. Zu gleicher Zeit sandte Alexander in die wüsten, baumlosen Gegenden, die nicht weit ostwärts von der Stadt be- gannen, mehrere Truppenabtheilungen aus, mit dem Auftrage, Brunnen zu graben, und das Land bewohnbar zu machen, damit auch von dieser Seite her die Verbindung mit Pattala erleichtert und den Karavanen aus den Ländern des Ganges und des Dek- han geöffnet wäre. Ein Ueberfall der in der Wüste hausenden Horden störte nur für einen Augenblick dieß höchst erfolgreiche Unternehmen 116). Nach einer längeren Rastzeit, während der der Bau der Burg ziemlich vollendet, der der Werfte bereits vorgerückt war, beschloß Alexander nun, in Person die Indus- mündungen, ihre Schiffbarkeit und ihre Gelegenheit für den Han- del zu untersuchen, und zugleich auf den Ocean, den bisher noch kein Grieche befahren, hinaus zu schiffen. Zunächst beschloß er, dem Hauptarm des Stromes, der rechts hinab führte, zu folgen; während Leonnat mit tausend Reutern und neuntausend Hopliten und Leichtbewaffneten auf dem inneren Ufer hinabzog, fuhr Alex- ander mit den schnellsten und besten Schiffen seiner Flotte den Strom hinab, freilich ohne Führer, die des Stromes kundig wa- ren, da die Bewohner von Pattala und die Indier überhaupt, keine Seeschifffahrt trieben, und überdieß die Anwohner des Stro- mes, wenn die Macedonier nahten, entflohen. Alexander vertraute auf den Muth und die Geschicklichkeit seiner Schiffsleute, er konnte nicht ahnen, auf welche Probe die unerhörte Gewalt Oceanischer Erscheinungen sie stellen würde.
Es war gerade in der Mitte des Sommers, und der Strom in seiner größten Füllung, die niedrigeren Ufergegenden zum Theil überschwemmt, die Fahrt um so schwieriger. Am ersten Tage fuhr man ohne weiteres Hinderniß; aber am zweiten Tage, man mochte zehn Meilen unterhalb Pattala sein, erhob sich ein heftiger
116)Arrian VI. 18. 3.
ſicht das untere Indusland; darum wurde Hephaͤſtion beauftragt, die Burg der Stadt auf das ſorgfaͤltigſte zu befeſtigen, und dem- naͤchſt Schiffswerfte und einen geraͤumigen Hafen bei der Stadt zu erbauen. Zu gleicher Zeit ſandte Alexander in die wuͤſten, baumloſen Gegenden, die nicht weit oſtwaͤrts von der Stadt be- gannen, mehrere Truppenabtheilungen aus, mit dem Auftrage, Brunnen zu graben, und das Land bewohnbar zu machen, damit auch von dieſer Seite her die Verbindung mit Pattala erleichtert und den Karavanen aus den Laͤndern des Ganges und des Dek- han geoͤffnet waͤre. Ein Ueberfall der in der Wuͤſte hauſenden Horden ſtoͤrte nur fuͤr einen Augenblick dieß hoͤchſt erfolgreiche Unternehmen 116). Nach einer laͤngeren Raſtzeit, waͤhrend der der Bau der Burg ziemlich vollendet, der der Werfte bereits vorgeruͤckt war, beſchloß Alexander nun, in Perſon die Indus- muͤndungen, ihre Schiffbarkeit und ihre Gelegenheit fuͤr den Han- del zu unterſuchen, und zugleich auf den Ocean, den bisher noch kein Grieche befahren, hinaus zu ſchiffen. Zunaͤchſt beſchloß er, dem Hauptarm des Stromes, der rechts hinab fuͤhrte, zu folgen; waͤhrend Leonnat mit tauſend Reutern und neuntauſend Hopliten und Leichtbewaffneten auf dem inneren Ufer hinabzog, fuhr Alex- ander mit den ſchnellſten und beſten Schiffen ſeiner Flotte den Strom hinab, freilich ohne Fuͤhrer, die des Stromes kundig wa- ren, da die Bewohner von Pattala und die Indier uͤberhaupt, keine Seeſchifffahrt trieben, und uͤberdieß die Anwohner des Stro- mes, wenn die Macedonier nahten, entflohen. Alexander vertraute auf den Muth und die Geſchicklichkeit ſeiner Schiffsleute, er konnte nicht ahnen, auf welche Probe die unerhoͤrte Gewalt Oceaniſcher Erſcheinungen ſie ſtellen wuͤrde.
Es war gerade in der Mitte des Sommers, und der Strom in ſeiner groͤßten Fuͤllung, die niedrigeren Ufergegenden zum Theil uͤberſchwemmt, die Fahrt um ſo ſchwieriger. Am erſten Tage fuhr man ohne weiteres Hinderniß; aber am zweiten Tage, man mochte zehn Meilen unterhalb Pattala ſein, erhob ſich ein heftiger
116)Arrian VI. 18. 3.
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[457/0471]
ſicht das untere Indusland; darum wurde Hephaͤſtion beauftragt,
die Burg der Stadt auf das ſorgfaͤltigſte zu befeſtigen, und dem-
naͤchſt Schiffswerfte und einen geraͤumigen Hafen bei der Stadt
zu erbauen. Zu gleicher Zeit ſandte Alexander in die wuͤſten,
baumloſen Gegenden, die nicht weit oſtwaͤrts von der Stadt be-
gannen, mehrere Truppenabtheilungen aus, mit dem Auftrage,
Brunnen zu graben, und das Land bewohnbar zu machen, damit
auch von dieſer Seite her die Verbindung mit Pattala erleichtert
und den Karavanen aus den Laͤndern des Ganges und des Dek-
han geoͤffnet waͤre. Ein Ueberfall der in der Wuͤſte hauſenden
Horden ſtoͤrte nur fuͤr einen Augenblick dieß hoͤchſt erfolgreiche
Unternehmen 116). Nach einer laͤngeren Raſtzeit, waͤhrend der
der Bau der Burg ziemlich vollendet, der der Werfte bereits
vorgeruͤckt war, beſchloß Alexander nun, in Perſon die Indus-
muͤndungen, ihre Schiffbarkeit und ihre Gelegenheit fuͤr den Han-
del zu unterſuchen, und zugleich auf den Ocean, den bisher noch
kein Grieche befahren, hinaus zu ſchiffen. Zunaͤchſt beſchloß er,
dem Hauptarm des Stromes, der rechts hinab fuͤhrte, zu folgen;
waͤhrend Leonnat mit tauſend Reutern und neuntauſend Hopliten
und Leichtbewaffneten auf dem inneren Ufer hinabzog, fuhr Alex-
ander mit den ſchnellſten und beſten Schiffen ſeiner Flotte den
Strom hinab, freilich ohne Fuͤhrer, die des Stromes kundig wa-
ren, da die Bewohner von Pattala und die Indier uͤberhaupt,
keine Seeſchifffahrt trieben, und uͤberdieß die Anwohner des Stro-
mes, wenn die Macedonier nahten, entflohen. Alexander vertraute
auf den Muth und die Geſchicklichkeit ſeiner Schiffsleute, er konnte
nicht ahnen, auf welche Probe die unerhoͤrte Gewalt Oceaniſcher
Erſcheinungen ſie ſtellen wuͤrde.
Es war gerade in der Mitte des Sommers, und der Strom
in ſeiner groͤßten Fuͤllung, die niedrigeren Ufergegenden zum Theil
uͤberſchwemmt, die Fahrt um ſo ſchwieriger. Am erſten Tage
fuhr man ohne weiteres Hinderniß; aber am zweiten Tage, man
mochte zehn Meilen unterhalb Pattala ſein, erhob ſich ein heftiger
116) Arrian VI. 18. 3.
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 457. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/471>, abgerufen am 22.11.2024.
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