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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

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Frieden zu ihrer Behausung und ihren Geschäften zurück zu kehren,
und ohne Besorgniß wegen ihres weiteren Schicksals zu sein, da
ihnen nach wie vor nach ihrer Sitte und ihren Gesetzen zu leben,
ihren Handel, Gewerbe und Ackerbau in Sicherheit zu treiben
erlaubt sein würde. Auf diese Versicherungen des Königs kehrten
die Meisten zurück, und Alexander konnte ohne Weiteres an die
Ausführung des großen Planes, um dessen Willen ihm der Besitz
der Indusmündungen so wichtig war, denken.

Alexander ahnte oder wußte, daß dasselbe Meer, in welches
sich der Indus ergießt, den Persischen Golf bilde, und zu der
Mündung des Euphrat und Tigris demnach ein Seeweg von
den Indusmündungen aus zu finden sei; seine Herrschaft, die zum
ersten Male die entlegensten Völker in unmittelbare Verbindung
brachte, und welche nicht bloß auf die Gewalt der Waffen, son-
dern mehr noch auf die Interessen der Völker selbst begründet
sein sollte, mußte vor Allem auf die Förderung der Handelsver-
bindungen zwischen den Völkern, auf die Begründung eines gro-
ßen Verbandes aller auch noch so entlegenen Theile des Reiches,
und eines umfassenden Welt- und Völkerverkehrs, wie er noch
nicht existirt hatte, bedacht sein. Ueberall hatte Alexander diese
Rücksicht vor Augen gehabt; die zur militairischen Behauptung
von Iran und Turan gegründeten Städte waren eben so viele
Haltpunkte für die Karavanenzüge, die in Indien gegründeten Fe-
sten sicherten die Flußschiffahrt des Indus und seiner Nebenströ-
me, das Aegyptische Alexandrien, seit den fünf oder sechs Jahren,
die es stand, war schon ein Centralpunkt für den Handel der hei-
mathlichen Meere geworden; jetzt mußte dieses System des groß-
artigsten Weltverkehrs durch die Besetzung des Indusdelta, durch
die Gründung eines sicheren und günstig belegenen Handelsplatzes,
endlich durch das Eröffnen von Handelsstraßen, wie sie die Reihe
Hellenischer Städte ins Innere hinauf schon vorzeichnete, und
wie sie der maritime Zusammenhang der Indus- und Euphrat-
mündungen hoffen ließ, seine Vollendung erhalten.

Pattala, an der Stromscheide des Indusdelta belegen, bot
sich von selbst zur Vermittelung des Handels nach dem Inneren
und dem Oceane dar; es beherrschte zugleich in militairischer Hin-

Frieden zu ihrer Behauſung und ihren Geſchaͤften zuruͤck zu kehren,
und ohne Beſorgniß wegen ihres weiteren Schickſals zu ſein, da
ihnen nach wie vor nach ihrer Sitte und ihren Geſetzen zu leben,
ihren Handel, Gewerbe und Ackerbau in Sicherheit zu treiben
erlaubt ſein wuͤrde. Auf dieſe Verſicherungen des Koͤnigs kehrten
die Meiſten zuruͤck, und Alexander konnte ohne Weiteres an die
Ausfuͤhrung des großen Planes, um deſſen Willen ihm der Beſitz
der Indusmuͤndungen ſo wichtig war, denken.

Alexander ahnte oder wußte, daß daſſelbe Meer, in welches
ſich der Indus ergießt, den Perſiſchen Golf bilde, und zu der
Muͤndung des Euphrat und Tigris demnach ein Seeweg von
den Indusmuͤndungen aus zu finden ſei; ſeine Herrſchaft, die zum
erſten Male die entlegenſten Voͤlker in unmittelbare Verbindung
brachte, und welche nicht bloß auf die Gewalt der Waffen, ſon-
dern mehr noch auf die Intereſſen der Voͤlker ſelbſt begruͤndet
ſein ſollte, mußte vor Allem auf die Foͤrderung der Handelsver-
bindungen zwiſchen den Voͤlkern, auf die Begruͤndung eines gro-
ßen Verbandes aller auch noch ſo entlegenen Theile des Reiches,
und eines umfaſſenden Welt- und Voͤlkerverkehrs, wie er noch
nicht exiſtirt hatte, bedacht ſein. Ueberall hatte Alexander dieſe
Ruͤckſicht vor Augen gehabt; die zur militairiſchen Behauptung
von Iran und Turan gegruͤndeten Staͤdte waren eben ſo viele
Haltpunkte fuͤr die Karavanenzuͤge, die in Indien gegruͤndeten Fe-
ſten ſicherten die Flußſchiffahrt des Indus und ſeiner Nebenſtroͤ-
me, das Aegyptiſche Alexandrien, ſeit den fuͤnf oder ſechs Jahren,
die es ſtand, war ſchon ein Centralpunkt fuͤr den Handel der hei-
mathlichen Meere geworden; jetzt mußte dieſes Syſtem des groß-
artigſten Weltverkehrs durch die Beſetzung des Indusdelta, durch
die Gruͤndung eines ſicheren und guͤnſtig belegenen Handelsplatzes,
endlich durch das Eroͤffnen von Handelsſtraßen, wie ſie die Reihe
Helleniſcher Staͤdte ins Innere hinauf ſchon vorzeichnete, und
wie ſie der maritime Zuſammenhang der Indus- und Euphrat-
muͤndungen hoffen ließ, ſeine Vollendung erhalten.

Pattala, an der Stromſcheide des Indusdelta belegen, bot
ſich von ſelbſt zur Vermittelung des Handels nach dem Inneren
und dem Oceane dar; es beherrſchte zugleich in militairiſcher Hin-

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[456/0470] Frieden zu ihrer Behauſung und ihren Geſchaͤften zuruͤck zu kehren, und ohne Beſorgniß wegen ihres weiteren Schickſals zu ſein, da ihnen nach wie vor nach ihrer Sitte und ihren Geſetzen zu leben, ihren Handel, Gewerbe und Ackerbau in Sicherheit zu treiben erlaubt ſein wuͤrde. Auf dieſe Verſicherungen des Koͤnigs kehrten die Meiſten zuruͤck, und Alexander konnte ohne Weiteres an die Ausfuͤhrung des großen Planes, um deſſen Willen ihm der Beſitz der Indusmuͤndungen ſo wichtig war, denken. Alexander ahnte oder wußte, daß daſſelbe Meer, in welches ſich der Indus ergießt, den Perſiſchen Golf bilde, und zu der Muͤndung des Euphrat und Tigris demnach ein Seeweg von den Indusmuͤndungen aus zu finden ſei; ſeine Herrſchaft, die zum erſten Male die entlegenſten Voͤlker in unmittelbare Verbindung brachte, und welche nicht bloß auf die Gewalt der Waffen, ſon- dern mehr noch auf die Intereſſen der Voͤlker ſelbſt begruͤndet ſein ſollte, mußte vor Allem auf die Foͤrderung der Handelsver- bindungen zwiſchen den Voͤlkern, auf die Begruͤndung eines gro- ßen Verbandes aller auch noch ſo entlegenen Theile des Reiches, und eines umfaſſenden Welt- und Voͤlkerverkehrs, wie er noch nicht exiſtirt hatte, bedacht ſein. Ueberall hatte Alexander dieſe Ruͤckſicht vor Augen gehabt; die zur militairiſchen Behauptung von Iran und Turan gegruͤndeten Staͤdte waren eben ſo viele Haltpunkte fuͤr die Karavanenzuͤge, die in Indien gegruͤndeten Fe- ſten ſicherten die Flußſchiffahrt des Indus und ſeiner Nebenſtroͤ- me, das Aegyptiſche Alexandrien, ſeit den fuͤnf oder ſechs Jahren, die es ſtand, war ſchon ein Centralpunkt fuͤr den Handel der hei- mathlichen Meere geworden; jetzt mußte dieſes Syſtem des groß- artigſten Weltverkehrs durch die Beſetzung des Indusdelta, durch die Gruͤndung eines ſicheren und guͤnſtig belegenen Handelsplatzes, endlich durch das Eroͤffnen von Handelsſtraßen, wie ſie die Reihe Helleniſcher Staͤdte ins Innere hinauf ſchon vorzeichnete, und wie ſie der maritime Zuſammenhang der Indus- und Euphrat- muͤndungen hoffen ließ, ſeine Vollendung erhalten. Pattala, an der Stromſcheide des Indusdelta belegen, bot ſich von ſelbſt zur Vermittelung des Handels nach dem Inneren und dem Oceane dar; es beherrſchte zugleich in militairiſcher Hin-

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 456. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/470>, abgerufen am 27.04.2024.