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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

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der Ariasper am unteren Ctymander usurpirt 112d). Hier vor
Allem war es wichtig, eine bedeutende Macedonische Streitmacht
erscheinen zu lassen, um die Gefahr im Keime zu ersticken.

Deshalb wurde von Alexandria aus ohngefähr der dritte Theil
des Heeres auf dem Wege durch das innere Land zurück gesandt.
Es waren die Phalangen Attalus, Antigenes, Meleager, ein Theil
der Bogenschützen und die sämmtlichen Elephanten; dazu diejeni-
gen von den Getreuen und den übrigen Macedoniern, welche
zum Dienst untauglich in die Heimath entlassen wurden; den Be-
fehl über Alle erhielt Kraterus; er sollte, so lautete sein Auftrag,
durch Arachosien und Drangiana gen Karamanien marschiren 113),
sollte die böswilligen Neuerungen in jenen Gegenden unterdrücken,
und namentlich die dortigen Satrapen veranlassen, Transporte

112d) Arrian VI. 27. 6.; Curtius IX. 10. 20. hat Orcinen
(Ocinen) et Tariaspen (Zariaspen) nobiles Persas;
da Arrian
nur den einen Ordanes kennt, den Kraterus auf seinem Wege
durch Arachosien, Drangiana, das Ariaspenland und Choarene (so
folgen die Eroberungen) gefangen nahm, so scheint es nicht zu
dreist, bei Curtius den Fehler voraus zu setzen, daß er aus dem
Namen des usurpirten Volkes den eines zweiten Empörers Arias-
pes machte.
113) Strabo sagt XV. p. 307., Kraterus sei "vom
Hydaspes anfangend, durch Arachosien und Drangiana gezogen".
Kann das bezeichnen, daß er von dem Sogdischen Alexandrien aus,
den Indus, den Acesines aufwärts bis zum Hydaspes ging, um
dann seinen Rückmarsch anzutreten? Das wäre nicht bloß ein
zweckloser und erschöpfender Umweg gewesen, sondern der Weg hätte
dann weiter durch Taxiles Reich, durch die Indische Satrapie und
die Paropamisaden gen Arachosien führen müssen. Strabo selbst
giebt p. 313. das Richtige an die Hand, indem er als die südöst-
lichste Landschaft des Parthischen Reichs, die an Indien stößt,
Choarene bezeichnet, und angiebt, daß durch sie Kraterus gezogen
sei. Natürlicher ist, daß Kraterus den Weg durch die Arachoti
schen Gebirge, vielleicht den von Alexandria oder Bukhor über
Shikapur nach Kandahar nahm. Diese wichtige Passage durfte überdieß
nicht unbesetzt bleiben. Warum Kraterus nicht über Kelat in Be-
loodschistan gezogen sein kann, setzt Pottinger p. 386. (Deutsche
Uebers.) auseinander.

der Ariasper am unteren Ctymander uſurpirt 112d). Hier vor
Allem war es wichtig, eine bedeutende Macedoniſche Streitmacht
erſcheinen zu laſſen, um die Gefahr im Keime zu erſticken.

Deshalb wurde von Alexandria aus ohngefaͤhr der dritte Theil
des Heeres auf dem Wege durch das innere Land zuruͤck geſandt.
Es waren die Phalangen Attalus, Antigenes, Meleager, ein Theil
der Bogenſchuͤtzen und die ſaͤmmtlichen Elephanten; dazu diejeni-
gen von den Getreuen und den uͤbrigen Macedoniern, welche
zum Dienſt untauglich in die Heimath entlaſſen wurden; den Be-
fehl uͤber Alle erhielt Kraterus; er ſollte, ſo lautete ſein Auftrag,
durch Arachoſien und Drangiana gen Karamanien marſchiren 113),
ſollte die boͤswilligen Neuerungen in jenen Gegenden unterdruͤcken,
und namentlich die dortigen Satrapen veranlaſſen, Transporte

112d) Arrian VI. 27. 6.; Curtius IX. 10. 20. hat Orcinen
(Ocinen) et Tariaspen (Zariaspen) nobiles Persas;
da Arrian
nur den einen Ordanes kennt, den Kraterus auf ſeinem Wege
durch Arachoſien, Drangiana, das Ariaspenland und Choarene (ſo
folgen die Eroberungen) gefangen nahm, ſo ſcheint es nicht zu
dreiſt, bei Curtius den Fehler voraus zu ſetzen, daß er aus dem
Namen des uſurpirten Volkes den eines zweiten Empoͤrers Arias-
pes machte.
113) Strabo ſagt XV. p. 307., Kraterus ſei „vom
Hydaspes anfangend, durch Arachoſien und Drangiana gezogen“.
Kann das bezeichnen, daß er von dem Sogdiſchen Alexandrien aus,
den Indus, den Aceſines aufwaͤrts bis zum Hydaspes ging, um
dann ſeinen Ruͤckmarſch anzutreten? Das waͤre nicht bloß ein
zweckloſer und erſchoͤpfender Umweg geweſen, ſondern der Weg haͤtte
dann weiter durch Taxiles Reich, durch die Indiſche Satrapie und
die Paropamiſaden gen Arachoſien fuͤhren muͤſſen. Strabo ſelbſt
giebt p. 313. das Richtige an die Hand, indem er als die ſuͤdoͤſt-
lichſte Landſchaft des Parthiſchen Reichs, die an Indien ſtoͤßt,
Choarene bezeichnet, und angiebt, daß durch ſie Kraterus gezogen
ſei. Natuͤrlicher iſt, daß Kraterus den Weg durch die Arachoti
ſchen Gebirge, vielleicht den von Alexandria oder Bukhor uͤber
Shikapur nach Kandahar nahm. Dieſe wichtige Paſſage durfte uͤberdieß
nicht unbeſetzt bleiben. Warum Kraterus nicht uͤber Kelat in Be-
loodſchiſtan gezogen ſein kann, ſetzt Pottinger p. 386. (Deutſche
Ueberſ.) auseinander.
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[454/0468] der Ariasper am unteren Ctymander uſurpirt 112d). Hier vor Allem war es wichtig, eine bedeutende Macedoniſche Streitmacht erſcheinen zu laſſen, um die Gefahr im Keime zu erſticken. Deshalb wurde von Alexandria aus ohngefaͤhr der dritte Theil des Heeres auf dem Wege durch das innere Land zuruͤck geſandt. Es waren die Phalangen Attalus, Antigenes, Meleager, ein Theil der Bogenſchuͤtzen und die ſaͤmmtlichen Elephanten; dazu diejeni- gen von den Getreuen und den uͤbrigen Macedoniern, welche zum Dienſt untauglich in die Heimath entlaſſen wurden; den Be- fehl uͤber Alle erhielt Kraterus; er ſollte, ſo lautete ſein Auftrag, durch Arachoſien und Drangiana gen Karamanien marſchiren 113), ſollte die boͤswilligen Neuerungen in jenen Gegenden unterdruͤcken, und namentlich die dortigen Satrapen veranlaſſen, Transporte 112d) Arrian VI. 27. 6.; Curtius IX. 10. 20. hat Orcinen (Ocinen) et Tariaspen (Zariaspen) nobiles Persas; da Arrian nur den einen Ordanes kennt, den Kraterus auf ſeinem Wege durch Arachoſien, Drangiana, das Ariaspenland und Choarene (ſo folgen die Eroberungen) gefangen nahm, ſo ſcheint es nicht zu dreiſt, bei Curtius den Fehler voraus zu ſetzen, daß er aus dem Namen des uſurpirten Volkes den eines zweiten Empoͤrers Arias- pes machte. 113) Strabo ſagt XV. p. 307., Kraterus ſei „vom Hydaspes anfangend, durch Arachoſien und Drangiana gezogen“. Kann das bezeichnen, daß er von dem Sogdiſchen Alexandrien aus, den Indus, den Aceſines aufwaͤrts bis zum Hydaspes ging, um dann ſeinen Ruͤckmarſch anzutreten? Das waͤre nicht bloß ein zweckloſer und erſchoͤpfender Umweg geweſen, ſondern der Weg haͤtte dann weiter durch Taxiles Reich, durch die Indiſche Satrapie und die Paropamiſaden gen Arachoſien fuͤhren muͤſſen. Strabo ſelbſt giebt p. 313. das Richtige an die Hand, indem er als die ſuͤdoͤſt- lichſte Landſchaft des Parthiſchen Reichs, die an Indien ſtoͤßt, Choarene bezeichnet, und angiebt, daß durch ſie Kraterus gezogen ſei. Natuͤrlicher iſt, daß Kraterus den Weg durch die Arachoti ſchen Gebirge, vielleicht den von Alexandria oder Bukhor uͤber Shikapur nach Kandahar nahm. Dieſe wichtige Paſſage durfte uͤberdieß nicht unbeſetzt bleiben. Warum Kraterus nicht uͤber Kelat in Be- loodſchiſtan gezogen ſein kann, ſetzt Pottinger p. 386. (Deutſche Ueberſ.) auseinander.

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 454. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/468>, abgerufen am 27.04.2024.