Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

Bild:
<< vorherige Seite

führt; von Furcht vor Strafe weiter getrieben, hatten sie sich der
Burg von Baktra bemächtigt, die Barbaren zum Abfall aufgeru-
fen, und dem Athenodorus, ihrem Rädelsführer, den Königlichen
Namen gegeben, der sie seinerseits in die Hellenische Heimath zu-
rück zu führen versprach; gegen Athenodorus hatte ein gewisser
Bikon, voll Eifersucht auf dessen Königthum, Ränke geschmiedet,
ihn auf einem Gastmahle bei Boxus, einem vornehmen Barbaren,
ermordet, und anderen Tages vor dem versammelten Heere sich
gerechtfertigt; mit Mühe war es den Hauptleuten gelungen, ihn
vor der Wuth des Heeres zu schützen, sie selbst hatten sich dann
wieder gegen ihn verschworen, ihn auf die Folter gespannt, um
ihn dann gleichfalls zu tödten; da waren die Soldaten herein ge-
drungen, hatten ihn von der Folter befreit, und waren unter sei-
ner Führung, dreitausend an der Zahl aufgebrochen, um den Weg
in die Heimath zu suchen. Es ließ sich erwarten, daß dieser Haufe
bereits von den Truppen der Satrapie zur Ruhe gebracht wor-
den 112b); doch war es nothwendig, daß für jeden Fall bedeutende
Truppenmacht in der Nähe erschien. Auch in der Satrapie des
Paropamisos war nicht Alles in der gehörigen Ordnung, Tyrias-
pes hatte durch Bedrückungen und Ungerechtigkeiten aller Art die
Bevölkerung gegen sich aufgereizt, so daß laute Beschwerde gegen
ihn beim Könige einlief; er wurde seines Amtes entsetzt und der
Fürst Oxyartes statt seiner gen Alexandria gesandt 112c). Beun-
ruhigender waren die Nachrichten aus dem Inneren Arianas; der
Perser Ordanes hatte sich unabhängig erklärt und die Herrschaft

112b) Curtius IX. 7, 1., Diodor XVII. 99. der die Empö-
rung bis Sogdiana ausdehnt. Beide sagen, daß diese Griechen
auf dem Rückwege nach Alexanders Tode von Pithon überwältigt
und niedergemacht seien, eine offenbare Verwirrung; das Wahr-
scheinlichere ist im Text angedeutet.
112c) Arrian VI. 15., Cur-
tius IX.
8. 9. Arrian sagt, daß Pithon und Oxyartes die Satra-
pie des unteren Indus erhalten hätten; das scheint um so weniger
richtig, da beide nicht an einander grenzten, sondern durch die
Satrapie des oberen Indien und Arachosien getrennt waren; das
funfzehnte Kapitel, wo diese Angabe steht, ist auch sonst noch in-
terpolirt.

fuͤhrt; von Furcht vor Strafe weiter getrieben, hatten ſie ſich der
Burg von Baktra bemaͤchtigt, die Barbaren zum Abfall aufgeru-
fen, und dem Athenodorus, ihrem Raͤdelsfuͤhrer, den Koͤniglichen
Namen gegeben, der ſie ſeinerſeits in die Helleniſche Heimath zu-
ruͤck zu fuͤhren verſprach; gegen Athenodorus hatte ein gewiſſer
Bikon, voll Eiferſucht auf deſſen Koͤnigthum, Raͤnke geſchmiedet,
ihn auf einem Gaſtmahle bei Boxus, einem vornehmen Barbaren,
ermordet, und anderen Tages vor dem verſammelten Heere ſich
gerechtfertigt; mit Muͤhe war es den Hauptleuten gelungen, ihn
vor der Wuth des Heeres zu ſchuͤtzen, ſie ſelbſt hatten ſich dann
wieder gegen ihn verſchworen, ihn auf die Folter geſpannt, um
ihn dann gleichfalls zu toͤdten; da waren die Soldaten herein ge-
drungen, hatten ihn von der Folter befreit, und waren unter ſei-
ner Fuͤhrung, dreitauſend an der Zahl aufgebrochen, um den Weg
in die Heimath zu ſuchen. Es ließ ſich erwarten, daß dieſer Haufe
bereits von den Truppen der Satrapie zur Ruhe gebracht wor-
den 112b); doch war es nothwendig, daß fuͤr jeden Fall bedeutende
Truppenmacht in der Naͤhe erſchien. Auch in der Satrapie des
Paropamiſos war nicht Alles in der gehoͤrigen Ordnung, Tyrias-
pes hatte durch Bedruͤckungen und Ungerechtigkeiten aller Art die
Bevoͤlkerung gegen ſich aufgereizt, ſo daß laute Beſchwerde gegen
ihn beim Koͤnige einlief; er wurde ſeines Amtes entſetzt und der
Fuͤrſt Oxyartes ſtatt ſeiner gen Alexandria geſandt 112c). Beun-
ruhigender waren die Nachrichten aus dem Inneren Arianas; der
Perſer Ordanes hatte ſich unabhaͤngig erklaͤrt und die Herrſchaft

112b) Curtius IX. 7, 1., Diodor XVII. 99. der die Empoͤ-
rung bis Sogdiana ausdehnt. Beide ſagen, daß dieſe Griechen
auf dem Ruͤckwege nach Alexanders Tode von Pithon uͤberwaͤltigt
und niedergemacht ſeien, eine offenbare Verwirrung; das Wahr-
ſcheinlichere iſt im Text angedeutet.
112c) Arrian VI. 15., Cur-
tius IX.
8. 9. Arrian ſagt, daß Pithon und Oxyartes die Satra-
pie des unteren Indus erhalten haͤtten; das ſcheint um ſo weniger
richtig, da beide nicht an einander grenzten, ſondern durch die
Satrapie des oberen Indien und Arachoſien getrennt waren; das
funfzehnte Kapitel, wo dieſe Angabe ſteht, iſt auch ſonſt noch in-
terpolirt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0467" n="453"/>
fu&#x0364;hrt; von Furcht vor Strafe weiter getrieben, hatten &#x017F;ie &#x017F;ich der<lb/>
Burg von Baktra bema&#x0364;chtigt, die Barbaren zum Abfall aufgeru-<lb/>
fen, und dem Athenodorus, ihrem Ra&#x0364;delsfu&#x0364;hrer, den Ko&#x0364;niglichen<lb/>
Namen gegeben, der &#x017F;ie &#x017F;einer&#x017F;eits in die Helleni&#x017F;che Heimath zu-<lb/>
ru&#x0364;ck zu fu&#x0364;hren ver&#x017F;prach; gegen Athenodorus hatte ein gewi&#x017F;&#x017F;er<lb/>
Bikon, voll Eifer&#x017F;ucht auf de&#x017F;&#x017F;en Ko&#x0364;nigthum, Ra&#x0364;nke ge&#x017F;chmiedet,<lb/>
ihn auf einem Ga&#x017F;tmahle bei Boxus, einem vornehmen Barbaren,<lb/>
ermordet, und anderen Tages vor dem ver&#x017F;ammelten Heere &#x017F;ich<lb/>
gerechtfertigt; mit Mu&#x0364;he war es den Hauptleuten gelungen, ihn<lb/>
vor der Wuth des Heeres zu &#x017F;chu&#x0364;tzen, &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t hatten &#x017F;ich dann<lb/>
wieder gegen ihn ver&#x017F;chworen, ihn auf die Folter ge&#x017F;pannt, um<lb/>
ihn dann gleichfalls zu to&#x0364;dten; da waren die Soldaten herein ge-<lb/>
drungen, hatten ihn von der Folter befreit, und waren unter &#x017F;ei-<lb/>
ner Fu&#x0364;hrung, dreitau&#x017F;end an der Zahl aufgebrochen, um den Weg<lb/>
in die Heimath zu &#x017F;uchen. Es ließ &#x017F;ich erwarten, daß die&#x017F;er Haufe<lb/>
bereits von den Truppen der Satrapie zur Ruhe gebracht wor-<lb/>
den <note place="foot" n="112b)"><hi rendition="#aq">Curtius IX.</hi> 7, 1., <hi rendition="#aq">Diodor XVII.</hi> 99. der die Empo&#x0364;-<lb/>
rung bis Sogdiana ausdehnt. Beide &#x017F;agen, daß die&#x017F;e Griechen<lb/>
auf dem Ru&#x0364;ckwege nach Alexanders Tode von Pithon u&#x0364;berwa&#x0364;ltigt<lb/>
und niedergemacht &#x017F;eien, eine offenbare Verwirrung; das Wahr-<lb/>
&#x017F;cheinlichere i&#x017F;t im Text angedeutet.</note>; doch war es nothwendig, daß fu&#x0364;r jeden Fall bedeutende<lb/>
Truppenmacht in der Na&#x0364;he er&#x017F;chien. Auch in der Satrapie des<lb/>
Paropami&#x017F;os war nicht Alles in der geho&#x0364;rigen Ordnung, Tyrias-<lb/>
pes hatte durch Bedru&#x0364;ckungen und Ungerechtigkeiten aller Art die<lb/>
Bevo&#x0364;lkerung gegen &#x017F;ich aufgereizt, &#x017F;o daß laute Be&#x017F;chwerde gegen<lb/>
ihn beim Ko&#x0364;nige einlief; er wurde &#x017F;eines Amtes ent&#x017F;etzt und der<lb/>
Fu&#x0364;r&#x017F;t Oxyartes &#x017F;tatt &#x017F;einer gen Alexandria ge&#x017F;andt <note place="foot" n="112c)"><hi rendition="#aq">Arrian VI.</hi> 15., <hi rendition="#aq">Cur-<lb/>
tius IX.</hi> 8. 9. Arrian &#x017F;agt, daß Pithon und Oxyartes die Satra-<lb/>
pie des unteren Indus erhalten ha&#x0364;tten; das &#x017F;cheint um &#x017F;o weniger<lb/>
richtig, da beide nicht an einander grenzten, &#x017F;ondern durch die<lb/>
Satrapie des oberen Indien und Aracho&#x017F;ien getrennt waren; das<lb/>
funfzehnte Kapitel, wo die&#x017F;e Angabe &#x017F;teht, i&#x017F;t auch &#x017F;on&#x017F;t noch in-<lb/>
terpolirt.</note>. Beun-<lb/>
ruhigender waren die Nachrichten aus dem Inneren Arianas; der<lb/>
Per&#x017F;er Ordanes hatte &#x017F;ich unabha&#x0364;ngig erkla&#x0364;rt und die Herr&#x017F;chaft<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[453/0467] fuͤhrt; von Furcht vor Strafe weiter getrieben, hatten ſie ſich der Burg von Baktra bemaͤchtigt, die Barbaren zum Abfall aufgeru- fen, und dem Athenodorus, ihrem Raͤdelsfuͤhrer, den Koͤniglichen Namen gegeben, der ſie ſeinerſeits in die Helleniſche Heimath zu- ruͤck zu fuͤhren verſprach; gegen Athenodorus hatte ein gewiſſer Bikon, voll Eiferſucht auf deſſen Koͤnigthum, Raͤnke geſchmiedet, ihn auf einem Gaſtmahle bei Boxus, einem vornehmen Barbaren, ermordet, und anderen Tages vor dem verſammelten Heere ſich gerechtfertigt; mit Muͤhe war es den Hauptleuten gelungen, ihn vor der Wuth des Heeres zu ſchuͤtzen, ſie ſelbſt hatten ſich dann wieder gegen ihn verſchworen, ihn auf die Folter geſpannt, um ihn dann gleichfalls zu toͤdten; da waren die Soldaten herein ge- drungen, hatten ihn von der Folter befreit, und waren unter ſei- ner Fuͤhrung, dreitauſend an der Zahl aufgebrochen, um den Weg in die Heimath zu ſuchen. Es ließ ſich erwarten, daß dieſer Haufe bereits von den Truppen der Satrapie zur Ruhe gebracht wor- den 112b); doch war es nothwendig, daß fuͤr jeden Fall bedeutende Truppenmacht in der Naͤhe erſchien. Auch in der Satrapie des Paropamiſos war nicht Alles in der gehoͤrigen Ordnung, Tyrias- pes hatte durch Bedruͤckungen und Ungerechtigkeiten aller Art die Bevoͤlkerung gegen ſich aufgereizt, ſo daß laute Beſchwerde gegen ihn beim Koͤnige einlief; er wurde ſeines Amtes entſetzt und der Fuͤrſt Oxyartes ſtatt ſeiner gen Alexandria geſandt 112c). Beun- ruhigender waren die Nachrichten aus dem Inneren Arianas; der Perſer Ordanes hatte ſich unabhaͤngig erklaͤrt und die Herrſchaft 112b) Curtius IX. 7, 1., Diodor XVII. 99. der die Empoͤ- rung bis Sogdiana ausdehnt. Beide ſagen, daß dieſe Griechen auf dem Ruͤckwege nach Alexanders Tode von Pithon uͤberwaͤltigt und niedergemacht ſeien, eine offenbare Verwirrung; das Wahr- ſcheinlichere iſt im Text angedeutet. 112c) Arrian VI. 15., Cur- tius IX. 8. 9. Arrian ſagt, daß Pithon und Oxyartes die Satra- pie des unteren Indus erhalten haͤtten; das ſcheint um ſo weniger richtig, da beide nicht an einander grenzten, ſondern durch die Satrapie des oberen Indien und Arachoſien getrennt waren; das funfzehnte Kapitel, wo dieſe Angabe ſteht, iſt auch ſonſt noch in- terpolirt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/467
Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 453. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/467>, abgerufen am 22.11.2024.