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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

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mächtigeren Musikanus, mochte er dem fremden Herrscher lieber,
als dem Nachbarfürsten dienstbar sein wollen, und Alexander hatte
ihn als Satrapen in seinem Berglande bestätigt 104), oder, was
richtiger sein dürfte, in dem gleichen Verhältniß, wie die tributä-
ren Fürsten der Satrapie Oberindien, ihm seine Herrschaft gelassen.

Die unabhängige Stellung, welche Musikanus und die übri-
gen Fürsten des Landes behaupten zu wollen schienen, nöthigten
den König, noch einmal die Gewalt der Waffen zu versuchen.
Von Alexandrien aus fuhr er möglichst schnell stromabwärts in
jenen Indusarm hinein, der gegen die Berge hin und zu der Re-
sidenz des Musikanus führt; er erreichte dessen Grenzen, bevor
der Fürst einen Ueberfall ahnen mochte; durch die Nähe der Ge-
fahr geschreckt, suchte er seinen hochmüthigen Trotz durch schnelle
und niedrige Unterwürfigkeit vergessen zu machen; in Person kam
er dem Könige entgegen, er brachte viele und köstliche Geschenke,
unter diesen seine sämmtlichen Elephanten, er unterwarf sich und
sein Land der Gnade des Königs, er gestand ein, großes Unrecht
gethan zu haben, das gewisseste Mittel, Alexanders Großmuth für
sich zu gewinnen. Er erhielt vollkommene Verzeihung; sein Land
blieb ihm unter Macedonischer Hoheit; Alexander bewunderte die
treffliche Natur dieses Landstriches; die Residenz des Fürsten, gün-
stig zur Behauptung des ganzen Landes gelegen, erhielt eine Burg,
die unter den Augen des Königs gebaut und mit einer Macedo-
nischen Besatzung versehen wurde 105).

Von
104) Die Lage seines Fürstenthums der Bergindier hat Vin-
cent p. 130 sqq.
in der Gegend von Sebee, fast vierzig Meilen
nordwestlich von Bhukor oder Alexandrien angesetzt; dafür ist
nichts als die trügerische Namensähnlichkeit, dagegen die Entfer-
nung, die nicht Indische Bevölkerung von Seweestan, das offen-
bare Zeugniß Strabos, welcher sagt, das Land grenze an Pattalene.
Demnach hat Pottinger wohl Recht, wenn er die Berge, in denen
das Gebiet des Sambus lag, für die Jungarberge im Süden des
Indusarmes von Larkhanu, und die Hauptstadt für Sehwan am
Indus hält (Pottinger p. 539. Uebers.). Colonel Tod (II. p. 220.)
führt den Namen des Fürsten nach seiner Art auf die Dynastie
Sind-Sama zurück.
105) Arrian VI. 15. Der Name des Für-
sten

maͤchtigeren Muſikanus, mochte er dem fremden Herrſcher lieber,
als dem Nachbarfuͤrſten dienſtbar ſein wollen, und Alexander hatte
ihn als Satrapen in ſeinem Berglande beſtaͤtigt 104), oder, was
richtiger ſein duͤrfte, in dem gleichen Verhaͤltniß, wie die tributaͤ-
ren Fuͤrſten der Satrapie Oberindien, ihm ſeine Herrſchaft gelaſſen.

Die unabhaͤngige Stellung, welche Muſikanus und die uͤbri-
gen Fuͤrſten des Landes behaupten zu wollen ſchienen, noͤthigten
den Koͤnig, noch einmal die Gewalt der Waffen zu verſuchen.
Von Alexandrien aus fuhr er moͤglichſt ſchnell ſtromabwaͤrts in
jenen Indusarm hinein, der gegen die Berge hin und zu der Re-
ſidenz des Muſikanus fuͤhrt; er erreichte deſſen Grenzen, bevor
der Fuͤrſt einen Ueberfall ahnen mochte; durch die Naͤhe der Ge-
fahr geſchreckt, ſuchte er ſeinen hochmuͤthigen Trotz durch ſchnelle
und niedrige Unterwuͤrfigkeit vergeſſen zu machen; in Perſon kam
er dem Koͤnige entgegen, er brachte viele und koͤſtliche Geſchenke,
unter dieſen ſeine ſaͤmmtlichen Elephanten, er unterwarf ſich und
ſein Land der Gnade des Koͤnigs, er geſtand ein, großes Unrecht
gethan zu haben, das gewiſſeſte Mittel, Alexanders Großmuth fuͤr
ſich zu gewinnen. Er erhielt vollkommene Verzeihung; ſein Land
blieb ihm unter Macedoniſcher Hoheit; Alexander bewunderte die
treffliche Natur dieſes Landſtriches; die Reſidenz des Fuͤrſten, guͤn-
ſtig zur Behauptung des ganzen Landes gelegen, erhielt eine Burg,
die unter den Augen des Koͤnigs gebaut und mit einer Macedo-
niſchen Beſatzung verſehen wurde 105).

Von
104) Die Lage ſeines Fuͤrſtenthums der Bergindier hat Vin-
cent p. 130 sqq.
in der Gegend von Sebee, faſt vierzig Meilen
nordweſtlich von Bhukor oder Alexandrien angeſetzt; dafuͤr iſt
nichts als die truͤgeriſche Namensaͤhnlichkeit, dagegen die Entfer-
nung, die nicht Indiſche Bevoͤlkerung von Seweeſtan, das offen-
bare Zeugniß Strabos, welcher ſagt, das Land grenze an Pattalene.
Demnach hat Pottinger wohl Recht, wenn er die Berge, in denen
das Gebiet des Sambus lag, fuͤr die Jungarberge im Suͤden des
Indusarmes von Larkhanu, und die Hauptſtadt fuͤr Sehwan am
Indus haͤlt (Pottinger p. 539. Ueberſ.). Colonel Tod (II. p. 220.)
fuͤhrt den Namen des Fuͤrſten nach ſeiner Art auf die Dynaſtie
Sind-Sama zuruͤck.
105) Arrian VI. 15. Der Name des Fuͤr-
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[448/0462] maͤchtigeren Muſikanus, mochte er dem fremden Herrſcher lieber, als dem Nachbarfuͤrſten dienſtbar ſein wollen, und Alexander hatte ihn als Satrapen in ſeinem Berglande beſtaͤtigt 104), oder, was richtiger ſein duͤrfte, in dem gleichen Verhaͤltniß, wie die tributaͤ- ren Fuͤrſten der Satrapie Oberindien, ihm ſeine Herrſchaft gelaſſen. Die unabhaͤngige Stellung, welche Muſikanus und die uͤbri- gen Fuͤrſten des Landes behaupten zu wollen ſchienen, noͤthigten den Koͤnig, noch einmal die Gewalt der Waffen zu verſuchen. Von Alexandrien aus fuhr er moͤglichſt ſchnell ſtromabwaͤrts in jenen Indusarm hinein, der gegen die Berge hin und zu der Re- ſidenz des Muſikanus fuͤhrt; er erreichte deſſen Grenzen, bevor der Fuͤrſt einen Ueberfall ahnen mochte; durch die Naͤhe der Ge- fahr geſchreckt, ſuchte er ſeinen hochmuͤthigen Trotz durch ſchnelle und niedrige Unterwuͤrfigkeit vergeſſen zu machen; in Perſon kam er dem Koͤnige entgegen, er brachte viele und koͤſtliche Geſchenke, unter dieſen ſeine ſaͤmmtlichen Elephanten, er unterwarf ſich und ſein Land der Gnade des Koͤnigs, er geſtand ein, großes Unrecht gethan zu haben, das gewiſſeſte Mittel, Alexanders Großmuth fuͤr ſich zu gewinnen. Er erhielt vollkommene Verzeihung; ſein Land blieb ihm unter Macedoniſcher Hoheit; Alexander bewunderte die treffliche Natur dieſes Landſtriches; die Reſidenz des Fuͤrſten, guͤn- ſtig zur Behauptung des ganzen Landes gelegen, erhielt eine Burg, die unter den Augen des Koͤnigs gebaut und mit einer Macedo- niſchen Beſatzung verſehen wurde 105). Von 104) Die Lage ſeines Fuͤrſtenthums der Bergindier hat Vin- cent p. 130 sqq. in der Gegend von Sebee, faſt vierzig Meilen nordweſtlich von Bhukor oder Alexandrien angeſetzt; dafuͤr iſt nichts als die truͤgeriſche Namensaͤhnlichkeit, dagegen die Entfer- nung, die nicht Indiſche Bevoͤlkerung von Seweeſtan, das offen- bare Zeugniß Strabos, welcher ſagt, das Land grenze an Pattalene. Demnach hat Pottinger wohl Recht, wenn er die Berge, in denen das Gebiet des Sambus lag, fuͤr die Jungarberge im Suͤden des Indusarmes von Larkhanu, und die Hauptſtadt fuͤr Sehwan am Indus haͤlt (Pottinger p. 539. Ueberſ.). Colonel Tod (II. p. 220.) fuͤhrt den Namen des Fuͤrſten nach ſeiner Art auf die Dynaſtie Sind-Sama zuruͤck. 105) Arrian VI. 15. Der Name des Fuͤr- ſten

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 448. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/462>, abgerufen am 27.04.2024.