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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

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während sich ostwärts ein einförmiges, unabsehbares Flachland
ausdehnt, sieht man über der Ebene im Westen einen mächtigen
Gebirgswall emporsteigen, der die Landschaft schließend südwärts
sich immer näher an den Strom heranzieht; der große Neben-
arm, den bald unter Alexandria der Indus gen Westen sendet,
bespült den Fuß dieses Gebirges, und kehrt dann in langsamer
Windung zum Hauptbette zurück; überall ist das Land wie ein
Garten, Weinberge schmücken die Höhen, der Weihrauch des Ara-
bischen Trockenklimas, die Blumenflur feuchtwarmer Tropengegend,
der Mais der sumpfigen Ufergegenden gedeiht hier neben einan-
der; Städte und Flecken in zahlloser Menge schmücken das Land,
auf den Flußarmen ist steter Verkehr, und die Bevölkerung süd-
ländisch, dunkelfarbig, unter fürstlichem Regiment, unterscheidet
sich sehr von den Völkern der oberen Indusländer; hier hat die
Kaste der Braminen hohen Rang und entscheidenden Einfluß auf das
öffentliche Leben, und die Handlungsweise der Fürsten wird eben
so sehr durch religiöse Vorurtheile wie von Argwohn und kleinli-
cher Selbstsucht bestimmt; eine Charakteristik, die im Laufe der
Jahrhunderte, bei allem Wechsel der Herrschaft, der Religion, ja
der Natur selbst, sich gleich geblieben ist.

Diese Eigenthümlichkeiten des Landes und der Bevölkerung
machten sich im Verhältniß zu Alexander sofort geltend. Die
Unterwerfung der Mallier hatte allen Widerstand der nächstwoh-
nenden Völker aufhören lassen, und im ununterbrochenen Sieges-
zuge war das Heer bis in das Land der Sogdier gekommen.
Hier aber wartete der König auf freiwillige Unterwerfung der
weiteren Völkerschaften vergebens; weder die Fürsten selbst, noch
Gesandtschaften der Fürsten kamen, dem Herrn des Induslandes
zu huldigen; den mächtigen Fremdling zu verachten, mochten sie
die Einflüsterungen der hochmüthigen Braminen oder das Ver-
trauen auf ihre eigene Macht verführt haben. Nur der Fürst
Sambus 103) hatte sich freiwillig unterworfen; abhängig von dem

103) So Arrian VI. 16. 4. Dagegen nennt Curtius IX. 8.
17., Diodor XVII. 102. und Strabo XV. p. 274. ihn Sabos,
Plutarch aber 64. Sabbas, Justin XII. 10. Ambigerus, Orosius I.
19. gar Ambiras.

waͤhrend ſich oſtwaͤrts ein einfoͤrmiges, unabſehbares Flachland
ausdehnt, ſieht man uͤber der Ebene im Weſten einen maͤchtigen
Gebirgswall emporſteigen, der die Landſchaft ſchließend ſuͤdwaͤrts
ſich immer naͤher an den Strom heranzieht; der große Neben-
arm, den bald unter Alexandria der Indus gen Weſten ſendet,
beſpuͤlt den Fuß dieſes Gebirges, und kehrt dann in langſamer
Windung zum Hauptbette zuruͤck; uͤberall iſt das Land wie ein
Garten, Weinberge ſchmuͤcken die Hoͤhen, der Weihrauch des Ara-
biſchen Trockenklimas, die Blumenflur feuchtwarmer Tropengegend,
der Mais der ſumpfigen Ufergegenden gedeiht hier neben einan-
der; Staͤdte und Flecken in zahlloſer Menge ſchmuͤcken das Land,
auf den Flußarmen iſt ſteter Verkehr, und die Bevoͤlkerung ſuͤd-
laͤndiſch, dunkelfarbig, unter fuͤrſtlichem Regiment, unterſcheidet
ſich ſehr von den Voͤlkern der oberen Induslaͤnder; hier hat die
Kaſte der Braminen hohen Rang und entſcheidenden Einfluß auf das
oͤffentliche Leben, und die Handlungsweiſe der Fuͤrſten wird eben
ſo ſehr durch religioͤſe Vorurtheile wie von Argwohn und kleinli-
cher Selbſtſucht beſtimmt; eine Charakteriſtik, die im Laufe der
Jahrhunderte, bei allem Wechſel der Herrſchaft, der Religion, ja
der Natur ſelbſt, ſich gleich geblieben iſt.

Dieſe Eigenthuͤmlichkeiten des Landes und der Bevoͤlkerung
machten ſich im Verhaͤltniß zu Alexander ſofort geltend. Die
Unterwerfung der Mallier hatte allen Widerſtand der naͤchſtwoh-
nenden Voͤlker aufhoͤren laſſen, und im ununterbrochenen Sieges-
zuge war das Heer bis in das Land der Sogdier gekommen.
Hier aber wartete der Koͤnig auf freiwillige Unterwerfung der
weiteren Voͤlkerſchaften vergebens; weder die Fuͤrſten ſelbſt, noch
Geſandtſchaften der Fuͤrſten kamen, dem Herrn des Induslandes
zu huldigen; den maͤchtigen Fremdling zu verachten, mochten ſie
die Einfluͤſterungen der hochmuͤthigen Braminen oder das Ver-
trauen auf ihre eigene Macht verfuͤhrt haben. Nur der Fuͤrſt
Sambus 103) hatte ſich freiwillig unterworfen; abhaͤngig von dem

103) So Arrian VI. 16. 4. Dagegen nennt Curtius IX. 8.
17., Diodor XVII. 102. und Strabo XV. p. 274. ihn Sabos,
Plutarch aber 64. Sabbas, Justin XII. 10. Ambigerus, Orosius I.
19. gar Ambiras.
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[447/0461] waͤhrend ſich oſtwaͤrts ein einfoͤrmiges, unabſehbares Flachland ausdehnt, ſieht man uͤber der Ebene im Weſten einen maͤchtigen Gebirgswall emporſteigen, der die Landſchaft ſchließend ſuͤdwaͤrts ſich immer naͤher an den Strom heranzieht; der große Neben- arm, den bald unter Alexandria der Indus gen Weſten ſendet, beſpuͤlt den Fuß dieſes Gebirges, und kehrt dann in langſamer Windung zum Hauptbette zuruͤck; uͤberall iſt das Land wie ein Garten, Weinberge ſchmuͤcken die Hoͤhen, der Weihrauch des Ara- biſchen Trockenklimas, die Blumenflur feuchtwarmer Tropengegend, der Mais der ſumpfigen Ufergegenden gedeiht hier neben einan- der; Staͤdte und Flecken in zahlloſer Menge ſchmuͤcken das Land, auf den Flußarmen iſt ſteter Verkehr, und die Bevoͤlkerung ſuͤd- laͤndiſch, dunkelfarbig, unter fuͤrſtlichem Regiment, unterſcheidet ſich ſehr von den Voͤlkern der oberen Induslaͤnder; hier hat die Kaſte der Braminen hohen Rang und entſcheidenden Einfluß auf das oͤffentliche Leben, und die Handlungsweiſe der Fuͤrſten wird eben ſo ſehr durch religioͤſe Vorurtheile wie von Argwohn und kleinli- cher Selbſtſucht beſtimmt; eine Charakteriſtik, die im Laufe der Jahrhunderte, bei allem Wechſel der Herrſchaft, der Religion, ja der Natur ſelbſt, ſich gleich geblieben iſt. Dieſe Eigenthuͤmlichkeiten des Landes und der Bevoͤlkerung machten ſich im Verhaͤltniß zu Alexander ſofort geltend. Die Unterwerfung der Mallier hatte allen Widerſtand der naͤchſtwoh- nenden Voͤlker aufhoͤren laſſen, und im ununterbrochenen Sieges- zuge war das Heer bis in das Land der Sogdier gekommen. Hier aber wartete der Koͤnig auf freiwillige Unterwerfung der weiteren Voͤlkerſchaften vergebens; weder die Fuͤrſten ſelbſt, noch Geſandtſchaften der Fuͤrſten kamen, dem Herrn des Induslandes zu huldigen; den maͤchtigen Fremdling zu verachten, mochten ſie die Einfluͤſterungen der hochmuͤthigen Braminen oder das Ver- trauen auf ihre eigene Macht verfuͤhrt haben. Nur der Fuͤrſt Sambus 103) hatte ſich freiwillig unterworfen; abhaͤngig von dem 103) So Arrian VI. 16. 4. Dagegen nennt Curtius IX. 8. 17., Diodor XVII. 102. und Strabo XV. p. 274. ihn Sabos, Plutarch aber 64. Sabbas, Justin XII. 10. Ambigerus, Orosius I. 19. gar Ambiras.

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 447. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/461>, abgerufen am 27.04.2024.