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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

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nannten den Namen ihrer Feste Nysa, berichteten, sie seien aus
dem Westen her gekommen, seit jener Zeit hätten sie selbstständig
und glücklich unter einer Aristokratie von dreißig Edlen gelebt. Dar-
auf erklärte Alexander, daß er ihnen ihre Freiheit und Selbststän-
digkeit lassen werde, daß Akuphis unter den Edlen des Landes die
Vorstandschaft haben, daß endlich einige hundert Reuter zum Heere
des Königs stoßen sollten. Dieß mag ohngefähr das Wahre von
einer Sache sein, die, vielleicht nicht ohne das Zuthun des Königs
selbst, auf das Wundervollste ausgeschmückt, weiter erzählt wurde,
fortan hießen die Nysäer unmittelbare Nachkommen von den Beglei-
tern des Dionysus, dessen Züge der Griechische Mythos bereits
bis Indien ausgedehnt hatte; die tapferen Macedonier fühlten sich,
in weiter Ferne von ihrem Vaterlande, heimisch unter heimathlichen
Erinnerungen 18a).

Von Nysa aus ging Alexander ostwärts durch den heftigströ-
menden Guräus zum Lande der Assakaner; diese zogen sich bei sei-

18a) Arrian. Ind. 2. Curt. Strabo XV. p. 252. Ich habe
nach den bekannten Arbeiten von Colonel Tod, Bohlen, Ritter etc.
nicht ausführlicher über diese Mährchen sein mögen, als es für den
pragmatischen Zusammenhang der Begebenheiten nothwendig ist;
gewiß war es bei Alexander nicht die bloße Eitelkeit, mit den Ero-
berungszügen des Dionysos zu wetteifern, wenn er jenen frommen
Glauben gern in seinem Heere verbreitet sah. Bei dem vielfachen
Wechsel der Bewohner jenes ganzen Gebietes ist es unmöglich, eth-
nologische Bestimmungen mit Sicherheit aufzuführen. Vielleicht
läßt sich das Volk der Nysäer, die Arrian (Ind. 2.) als Nicht-Indier
bezeichnet, auf das altheimische Volk der Kaffern zurückführen; we-
nigstens stimmt Alles, was die Brittische Gesandschaft in Kabul
über sie in Erfahrung brachte (Elphinstone II. 321.) mit den
Schilderungen bei Curt. und Arrian. V. 1. überein; noch heute
führen diese Stämme ein heiteres und in der That Dionysisches
Leben; ihre Pfeifen und Tambourins, ihre Gastmähler und Fackelzüge
dazu das Europäische Klima und die Europäische Natur der Land-
schaft, das Alles mochte in der That den Eindruck auf die Umge-
bung Alexanders machen, die jenes Dionysische Mährchen erklärlich
und charakteristisch erscheinen läßt. Die Erinnerung jener Völker
an Alexander, von dessen Macedoniern sie abzustammen vorgeben
ist, wenn nicht richtig, doch merkwürdig.

nannten den Namen ihrer Feſte Nyſa, berichteten, ſie ſeien aus
dem Weſten her gekommen, ſeit jener Zeit haͤtten ſie ſelbſtſtaͤndig
und gluͤcklich unter einer Ariſtokratie von dreißig Edlen gelebt. Dar-
auf erklaͤrte Alexander, daß er ihnen ihre Freiheit und Selbſtſtaͤn-
digkeit laſſen werde, daß Akuphis unter den Edlen des Landes die
Vorſtandſchaft haben, daß endlich einige hundert Reuter zum Heere
des Koͤnigs ſtoßen ſollten. Dieß mag ohngefaͤhr das Wahre von
einer Sache ſein, die, vielleicht nicht ohne das Zuthun des Koͤnigs
ſelbſt, auf das Wundervollſte ausgeſchmuͤckt, weiter erzaͤhlt wurde,
fortan hießen die Nyſaͤer unmittelbare Nachkommen von den Beglei-
tern des Dionyſus, deſſen Zuͤge der Griechiſche Mythos bereits
bis Indien ausgedehnt hatte; die tapferen Macedonier fuͤhlten ſich,
in weiter Ferne von ihrem Vaterlande, heimiſch unter heimathlichen
Erinnerungen 18a).

Von Nyſa aus ging Alexander oſtwaͤrts durch den heftigſtroͤ-
menden Guraͤus zum Lande der Aſſakaner; dieſe zogen ſich bei ſei-

18a) Arrian. Ind. 2. Curt. Strabo XV. p. 252. Ich habe
nach den bekannten Arbeiten von Colonel Tod, Bohlen, Ritter ꝛc.
nicht ausfuͤhrlicher uͤber dieſe Maͤhrchen ſein moͤgen, als es fuͤr den
pragmatiſchen Zuſammenhang der Begebenheiten nothwendig iſt;
gewiß war es bei Alexander nicht die bloße Eitelkeit, mit den Ero-
berungszuͤgen des Dionyſos zu wetteifern, wenn er jenen frommen
Glauben gern in ſeinem Heere verbreitet ſah. Bei dem vielfachen
Wechſel der Bewohner jenes ganzen Gebietes iſt es unmoͤglich, eth-
nologiſche Beſtimmungen mit Sicherheit aufzufuͤhren. Vielleicht
laͤßt ſich das Volk der Nyſaͤer, die Arrian (Ind. 2.) als Nicht-Indier
bezeichnet, auf das altheimiſche Volk der Kaffern zuruͤckfuͤhren; we-
nigſtens ſtimmt Alles, was die Brittiſche Geſandſchaft in Kabul
uͤber ſie in Erfahrung brachte (Elphinstone II. 321.) mit den
Schilderungen bei Curt. und Arrian. V. 1. uͤberein; noch heute
fuͤhren dieſe Staͤmme ein heiteres und in der That Dionyſiſches
Leben; ihre Pfeifen und Tambourins, ihre Gaſtmaͤhler und Fackelzuͤge
dazu das Europaͤiſche Klima und die Europaͤiſche Natur der Land-
ſchaft, das Alles mochte in der That den Eindruck auf die Umge-
bung Alexanders machen, die jenes Dionyſiſche Maͤhrchen erklaͤrlich
und charakteriſtiſch erſcheinen laͤßt. Die Erinnerung jener Voͤlker
an Alexander, von deſſen Macedoniern ſie abzuſtammen vorgeben
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[370/0384] nannten den Namen ihrer Feſte Nyſa, berichteten, ſie ſeien aus dem Weſten her gekommen, ſeit jener Zeit haͤtten ſie ſelbſtſtaͤndig und gluͤcklich unter einer Ariſtokratie von dreißig Edlen gelebt. Dar- auf erklaͤrte Alexander, daß er ihnen ihre Freiheit und Selbſtſtaͤn- digkeit laſſen werde, daß Akuphis unter den Edlen des Landes die Vorſtandſchaft haben, daß endlich einige hundert Reuter zum Heere des Koͤnigs ſtoßen ſollten. Dieß mag ohngefaͤhr das Wahre von einer Sache ſein, die, vielleicht nicht ohne das Zuthun des Koͤnigs ſelbſt, auf das Wundervollſte ausgeſchmuͤckt, weiter erzaͤhlt wurde, fortan hießen die Nyſaͤer unmittelbare Nachkommen von den Beglei- tern des Dionyſus, deſſen Zuͤge der Griechiſche Mythos bereits bis Indien ausgedehnt hatte; die tapferen Macedonier fuͤhlten ſich, in weiter Ferne von ihrem Vaterlande, heimiſch unter heimathlichen Erinnerungen 18a). Von Nyſa aus ging Alexander oſtwaͤrts durch den heftigſtroͤ- menden Guraͤus zum Lande der Aſſakaner; dieſe zogen ſich bei ſei- 18a) Arrian. Ind. 2. Curt. Strabo XV. p. 252. Ich habe nach den bekannten Arbeiten von Colonel Tod, Bohlen, Ritter ꝛc. nicht ausfuͤhrlicher uͤber dieſe Maͤhrchen ſein moͤgen, als es fuͤr den pragmatiſchen Zuſammenhang der Begebenheiten nothwendig iſt; gewiß war es bei Alexander nicht die bloße Eitelkeit, mit den Ero- berungszuͤgen des Dionyſos zu wetteifern, wenn er jenen frommen Glauben gern in ſeinem Heere verbreitet ſah. Bei dem vielfachen Wechſel der Bewohner jenes ganzen Gebietes iſt es unmoͤglich, eth- nologiſche Beſtimmungen mit Sicherheit aufzufuͤhren. Vielleicht laͤßt ſich das Volk der Nyſaͤer, die Arrian (Ind. 2.) als Nicht-Indier bezeichnet, auf das altheimiſche Volk der Kaffern zuruͤckfuͤhren; we- nigſtens ſtimmt Alles, was die Brittiſche Geſandſchaft in Kabul uͤber ſie in Erfahrung brachte (Elphinstone II. 321.) mit den Schilderungen bei Curt. und Arrian. V. 1. uͤberein; noch heute fuͤhren dieſe Staͤmme ein heiteres und in der That Dionyſiſches Leben; ihre Pfeifen und Tambourins, ihre Gaſtmaͤhler und Fackelzuͤge dazu das Europaͤiſche Klima und die Europaͤiſche Natur der Land- ſchaft, das Alles mochte in der That den Eindruck auf die Umge- bung Alexanders machen, die jenes Dionyſiſche Maͤhrchen erklaͤrlich und charakteriſtiſch erſcheinen laͤßt. Die Erinnerung jener Voͤlker an Alexander, von deſſen Macedoniern ſie abzuſtammen vorgeben iſt, wenn nicht richtig, doch merkwuͤrdig.

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/384>, abgerufen am 24.11.2024.