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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

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Gegen Ende des Frühlings 327 brach Alexander von Bak-
trien auf. Die Gebirgswege, die vor zwei Jahren so viele Mühe
gemacht hatten, lagen jetzt frei von Schnee, Vorräthe waren reich-
lich vorhanden; auf einer kürzeren Straße 7) erreichte man nach ei-
nem zehntägigen Marsche die Stadt Alexandrien am Südabhange
des Gebirges. Alexander fand sie nicht in dem Zustande, wie er
erwartet hatte; Niloxenus, der seine Befehlshaberstelle nicht mit
der nothwendigen Umsicht und Kraft verwaltet hatte, wurde ent-
setzt, auch der Perser Proexes verlor sein Amt als Satrap der
Paropamisaden; aus der Umgegend wurde die Bevölkerung der
Stadt vermehrt, von dem Heere blieben die zum Dienst untaugli-
chen in ihr zurück; den Befehl über die Stadt und ihre Besa-
tzung, so wie den Auftrag, für ihren weiteren Ausbau Sorge zu
tragen, erhielt Nikanor, von den Getreuen des Königs 8); Tyrias-
pes wurde zum Satrapen des Landes bestellt, dessen Grenze fort-
an der Kophenfluß 9) am Westabhange des Koondgebirges sein sollte.
Alexander zog durch dieß schöne, blumenreiche Land zu der einhei-
mischen Hauptstadt Kabura oder Ortospana, der die Macedo-
nier, so scheint es, zum glücklichen Omen für den nächsten Feldzug
den Namen Siegesstadt, Nicäa 10), gaben; die Opfer, die der

aspisten im Belauf von sechstausend Mann. Diese scheinen sämmt-
lich nur Macedonier zu sein; neben ihnen vielleicht eine nicht viel
geringere Zahl fremder Truppen.
7) Arrian IV. 22. sagt in zehn
Tagen, wohl durch den Paß von Kamerd, den nächsten zwischen Balk
und Kabul. (cf. Strabo XV. p. 267.)
8) Stasanor, weder der Sta-
girite, der später bei den Olympischen Spielen die Zurückberufung
der Verbannten verkündete (Harpocrat. v., Dinarch. p. 169.) noch
aus Parmenions Familie, sondern ohne Zweifel der Vater des Ba-
lacer, der in dieser Zeit Statthalter in Cilicien war.
9) Der Ko-
phes oder Kophenes ist wohl nicht der Fluß, der bei Kabul vorüber
fließt, sondern der wasserreiche Pundschir, der an der Gebirgslinie,
die sich über Jellallabad zum Riesengipfel Koond aufthürmt, süd-
wärts hinabströmt, den Fluß von Kabul aufnimmt und dann durch
das felsige Thal von Jellalli (Paß von Lamghanat. Baber p. 140)
mit vielen Stromschnellen und Strudeln in das offene Land, das
sich allmählig zum Indus senkt, hinabfließt.
10) Diese Annahme
Ritters ist wohl ziemlich sicher; wenigstens ist sie durchaus passend

Gegen Ende des Fruͤhlings 327 brach Alexander von Bak-
trien auf. Die Gebirgswege, die vor zwei Jahren ſo viele Muͤhe
gemacht hatten, lagen jetzt frei von Schnee, Vorraͤthe waren reich-
lich vorhanden; auf einer kuͤrzeren Straße 7) erreichte man nach ei-
nem zehntaͤgigen Marſche die Stadt Alexandrien am Suͤdabhange
des Gebirges. Alexander fand ſie nicht in dem Zuſtande, wie er
erwartet hatte; Niloxenus, der ſeine Befehlshaberſtelle nicht mit
der nothwendigen Umſicht und Kraft verwaltet hatte, wurde ent-
ſetzt, auch der Perſer Proexes verlor ſein Amt als Satrap der
Paropamiſaden; aus der Umgegend wurde die Bevoͤlkerung der
Stadt vermehrt, von dem Heere blieben die zum Dienſt untaugli-
chen in ihr zuruͤck; den Befehl uͤber die Stadt und ihre Beſa-
tzung, ſo wie den Auftrag, fuͤr ihren weiteren Ausbau Sorge zu
tragen, erhielt Nikanor, von den Getreuen des Koͤnigs 8); Tyrias-
pes wurde zum Satrapen des Landes beſtellt, deſſen Grenze fort-
an der Kophenfluß 9) am Weſtabhange des Koondgebirges ſein ſollte.
Alexander zog durch dieß ſchoͤne, blumenreiche Land zu der einhei-
miſchen Hauptſtadt Kabura oder Ortoſpana, der die Macedo-
nier, ſo ſcheint es, zum gluͤcklichen Omen fuͤr den naͤchſten Feldzug
den Namen Siegesſtadt, Nicaͤa 10), gaben; die Opfer, die der

aspiſten im Belauf von ſechstauſend Mann. Dieſe ſcheinen ſaͤmmt-
lich nur Macedonier zu ſein; neben ihnen vielleicht eine nicht viel
geringere Zahl fremder Truppen.
7) Arrian IV. 22. ſagt in zehn
Tagen, wohl durch den Paß von Kamerd, den naͤchſten zwiſchen Balk
und Kabul. (cf. Strabo XV. p. 267.)
8) Staſanor, weder der Sta-
girite, der ſpaͤter bei den Olympiſchen Spielen die Zuruͤckberufung
der Verbannten verkuͤndete (Harpocrat. v., Dinarch. p. 169.) noch
aus Parmenions Familie, ſondern ohne Zweifel der Vater des Ba-
lacer, der in dieſer Zeit Statthalter in Cilicien war.
9) Der Ko-
phes oder Kophenes iſt wohl nicht der Fluß, der bei Kabul voruͤber
fließt, ſondern der waſſerreiche Pundſchir, der an der Gebirgslinie,
die ſich uͤber Jellallabad zum Rieſengipfel Koond aufthuͤrmt, ſuͤd-
waͤrts hinabſtroͤmt, den Fluß von Kabul aufnimmt und dann durch
das felſige Thal von Jellalli (Paß von Lamghanat. Baber p. 140)
mit vielen Stromſchnellen und Strudeln in das offene Land, das
ſich allmaͤhlig zum Indus ſenkt, hinabfließt.
10) Dieſe Annahme
Ritters iſt wohl ziemlich ſicher; wenigſtens iſt ſie durchaus paſſend
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[363/0377] Gegen Ende des Fruͤhlings 327 brach Alexander von Bak- trien auf. Die Gebirgswege, die vor zwei Jahren ſo viele Muͤhe gemacht hatten, lagen jetzt frei von Schnee, Vorraͤthe waren reich- lich vorhanden; auf einer kuͤrzeren Straße 7) erreichte man nach ei- nem zehntaͤgigen Marſche die Stadt Alexandrien am Suͤdabhange des Gebirges. Alexander fand ſie nicht in dem Zuſtande, wie er erwartet hatte; Niloxenus, der ſeine Befehlshaberſtelle nicht mit der nothwendigen Umſicht und Kraft verwaltet hatte, wurde ent- ſetzt, auch der Perſer Proexes verlor ſein Amt als Satrap der Paropamiſaden; aus der Umgegend wurde die Bevoͤlkerung der Stadt vermehrt, von dem Heere blieben die zum Dienſt untaugli- chen in ihr zuruͤck; den Befehl uͤber die Stadt und ihre Beſa- tzung, ſo wie den Auftrag, fuͤr ihren weiteren Ausbau Sorge zu tragen, erhielt Nikanor, von den Getreuen des Koͤnigs 8); Tyrias- pes wurde zum Satrapen des Landes beſtellt, deſſen Grenze fort- an der Kophenfluß 9) am Weſtabhange des Koondgebirges ſein ſollte. Alexander zog durch dieß ſchoͤne, blumenreiche Land zu der einhei- miſchen Hauptſtadt Kabura oder Ortoſpana, der die Macedo- nier, ſo ſcheint es, zum gluͤcklichen Omen fuͤr den naͤchſten Feldzug den Namen Siegesſtadt, Nicaͤa 10), gaben; die Opfer, die der 6) 7) Arrian IV. 22. ſagt in zehn Tagen, wohl durch den Paß von Kamerd, den naͤchſten zwiſchen Balk und Kabul. (cf. Strabo XV. p. 267.) 8) Staſanor, weder der Sta- girite, der ſpaͤter bei den Olympiſchen Spielen die Zuruͤckberufung der Verbannten verkuͤndete (Harpocrat. v., Dinarch. p. 169.) noch aus Parmenions Familie, ſondern ohne Zweifel der Vater des Ba- lacer, der in dieſer Zeit Statthalter in Cilicien war. 9) Der Ko- phes oder Kophenes iſt wohl nicht der Fluß, der bei Kabul voruͤber fließt, ſondern der waſſerreiche Pundſchir, der an der Gebirgslinie, die ſich uͤber Jellallabad zum Rieſengipfel Koond aufthuͤrmt, ſuͤd- waͤrts hinabſtroͤmt, den Fluß von Kabul aufnimmt und dann durch das felſige Thal von Jellalli (Paß von Lamghanat. Baber p. 140) mit vielen Stromſchnellen und Strudeln in das offene Land, das ſich allmaͤhlig zum Indus ſenkt, hinabfließt. 10) Dieſe Annahme Ritters iſt wohl ziemlich ſicher; wenigſtens iſt ſie durchaus paſſend 6) aspiſten im Belauf von ſechstauſend Mann. Dieſe ſcheinen ſaͤmmt- lich nur Macedonier zu ſein; neben ihnen vielleicht eine nicht viel geringere Zahl fremder Truppen.

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/377>, abgerufen am 07.05.2024.