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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

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Nautaka nach Baktra, welcher gerade durch die Berge des oberen
Sogdianas führt, durchschneidet in den Pässen von Tschekedalik
und Kaluga zwei bedeutende Gebirgszüge, um dann in das Fel-
senthal des Flusses von Hissar und neben diesem Flusse hin zu des-
sen Mündung in den Oxus und zur Passage von Termez zu füh-
ten 65). Innerhalb jener Paßgegend erhob sich, wie es scheint,
jener Felsen mit der Sogdianischen Burg 66) auf einem seiner
Vorsprünge, der, im Rücken durch eine steile Felswand, auf den an-
deren Seiten durch Abgründe geschützt, nur durch einen schmalen
Felsenpfad mit der Ebene in Verbindung stand. In diese Burg
hatten sich mehrere tausend Sogdianer geflüchtet; auch der Bak-
trier Oxyartes, der in den Aufstand sehr verwickelt war, hatte seine
Gemahlin und seine Töchter dorthin in Sicherheit gebracht. Die
Burg war mit Lebensmitteln zu einer langen Belagerung versehen,

65) Diese merkwürdige Paßgegend ist aus den Kriegen Timurs
und Babers mit ziemlicher Genauigkeit zu erkennen. Der Weg
führt von Kesch über den Fluß Tum, dann in den Paß von Der-
beldgin durch die Berge von Cuzar, danu über die Ebene von Dehno
und den Fluß Tschekedalik zu den Pässen von Tschekidschek; von die-
sen steigt man zur Ebene von Derrei Zenghi und zum Fluß Barik
hinab, jenseit dessen sich die eiserne Pforte, Derbent Kaluga am Karatagh
aufthut.
66) Man hat gemeint, dieß Bergschloß sei das berühmte Hissar
Schaduman an dem Flusse von Weksch; indeß wird in der Geschichte
der Belagerung weder eines Flusses erwähnt, noch konnte diese Ge-
gend noch zur Sogdiana gehören, da die entschiedenste Naturgrenze
das Oberland des Oxus von den Gegenden des Polytimetus oder Soghd
trennt. In dem Paß von Tschekidschek möchte sich das fragliche
Bergschloß befunden haben; nur so würde es noch zur Sogdiana
gehören können. -- Auffallen könnte es, daß wir diese Unterneh-
mung mit Curtius und gegen Arrians Autorität in das Frühjahr
328 und nicht 327 gesetzt haben; indeß ist es sehr deutlich, daß Ar-
rian die Eroberungen der Bergfesten aus beiden Jahren zusammen-
nimmt; er sagt, mit dem Frühling sei Alexander gegen den Sog-
dianischen Felsen gezogen, und bald darauf: bei der Belagerung von
Chorienes Felsen habe das Heer viel durch den Winter gelitten.
Dazu kommt die ganz verschiedene Lokalität.

Nautaka nach Baktra, welcher gerade durch die Berge des oberen
Sogdianas fuͤhrt, durchſchneidet in den Paͤſſen von Tſchekedalik
und Kaluga zwei bedeutende Gebirgszuͤge, um dann in das Fel-
ſenthal des Fluſſes von Hiſſar und neben dieſem Fluſſe hin zu deſ-
ſen Muͤndung in den Oxus und zur Paſſage von Termez zu fuͤh-
ten 65). Innerhalb jener Paßgegend erhob ſich, wie es ſcheint,
jener Felſen mit der Sogdianiſchen Burg 66) auf einem ſeiner
Vorſpruͤnge, der, im Ruͤcken durch eine ſteile Felswand, auf den an-
deren Seiten durch Abgruͤnde geſchuͤtzt, nur durch einen ſchmalen
Felſenpfad mit der Ebene in Verbindung ſtand. In dieſe Burg
hatten ſich mehrere tauſend Sogdianer gefluͤchtet; auch der Bak-
trier Oxyartes, der in den Aufſtand ſehr verwickelt war, hatte ſeine
Gemahlin und ſeine Toͤchter dorthin in Sicherheit gebracht. Die
Burg war mit Lebensmitteln zu einer langen Belagerung verſehen,

65) Dieſe merkwuͤrdige Paßgegend iſt aus den Kriegen Timurs
und Babers mit ziemlicher Genauigkeit zu erkennen. Der Weg
fuͤhrt von Keſch uͤber den Fluß Tum, dann in den Paß von Der-
beldgin durch die Berge von Cuzar, danu uͤber die Ebene von Dehno
und den Fluß Tſchekedalik zu den Paͤſſen von Tſchekidſchek; von die-
ſen ſteigt man zur Ebene von Derrei Zenghi und zum Fluß Barik
hinab, jenſeit deſſen ſich die eiſerne Pforte, Derbent Kaluga am Karatagh
aufthut.
66) Man hat gemeint, dieß Bergſchloß ſei das beruͤhmte Hiſſar
Schaduman an dem Fluſſe von Wekſch; indeß wird in der Geſchichte
der Belagerung weder eines Fluſſes erwaͤhnt, noch konnte dieſe Ge-
gend noch zur Sogdiana gehoͤren, da die entſchiedenſte Naturgrenze
das Oberland des Oxus von den Gegenden des Polytimetus oder Soghd
trennt. In dem Paß von Tſchekidſchek moͤchte ſich das fragliche
Bergſchloß befunden haben; nur ſo wuͤrde es noch zur Sogdiana
gehoͤren koͤnnen. — Auffallen koͤnnte es, daß wir dieſe Unterneh-
mung mit Curtius und gegen Arrians Autoritaͤt in das Fruͤhjahr
328 und nicht 327 geſetzt haben; indeß iſt es ſehr deutlich, daß Ar-
rian die Eroberungen der Bergfeſten aus beiden Jahren zuſammen-
nimmt; er ſagt, mit dem Fruͤhling ſei Alexander gegen den Sog-
dianiſchen Felſen gezogen, und bald darauf: bei der Belagerung von
Chorienes Felſen habe das Heer viel durch den Winter gelitten.
Dazu kommt die ganz verſchiedene Lokalitaͤt.
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[333/0347] Nautaka nach Baktra, welcher gerade durch die Berge des oberen Sogdianas fuͤhrt, durchſchneidet in den Paͤſſen von Tſchekedalik und Kaluga zwei bedeutende Gebirgszuͤge, um dann in das Fel- ſenthal des Fluſſes von Hiſſar und neben dieſem Fluſſe hin zu deſ- ſen Muͤndung in den Oxus und zur Paſſage von Termez zu fuͤh- ten 65). Innerhalb jener Paßgegend erhob ſich, wie es ſcheint, jener Felſen mit der Sogdianiſchen Burg 66) auf einem ſeiner Vorſpruͤnge, der, im Ruͤcken durch eine ſteile Felswand, auf den an- deren Seiten durch Abgruͤnde geſchuͤtzt, nur durch einen ſchmalen Felſenpfad mit der Ebene in Verbindung ſtand. In dieſe Burg hatten ſich mehrere tauſend Sogdianer gefluͤchtet; auch der Bak- trier Oxyartes, der in den Aufſtand ſehr verwickelt war, hatte ſeine Gemahlin und ſeine Toͤchter dorthin in Sicherheit gebracht. Die Burg war mit Lebensmitteln zu einer langen Belagerung verſehen, 65) Dieſe merkwuͤrdige Paßgegend iſt aus den Kriegen Timurs und Babers mit ziemlicher Genauigkeit zu erkennen. Der Weg fuͤhrt von Keſch uͤber den Fluß Tum, dann in den Paß von Der- beldgin durch die Berge von Cuzar, danu uͤber die Ebene von Dehno und den Fluß Tſchekedalik zu den Paͤſſen von Tſchekidſchek; von die- ſen ſteigt man zur Ebene von Derrei Zenghi und zum Fluß Barik hinab, jenſeit deſſen ſich die eiſerne Pforte, Derbent Kaluga am Karatagh aufthut. 66) Man hat gemeint, dieß Bergſchloß ſei das beruͤhmte Hiſſar Schaduman an dem Fluſſe von Wekſch; indeß wird in der Geſchichte der Belagerung weder eines Fluſſes erwaͤhnt, noch konnte dieſe Ge- gend noch zur Sogdiana gehoͤren, da die entſchiedenſte Naturgrenze das Oberland des Oxus von den Gegenden des Polytimetus oder Soghd trennt. In dem Paß von Tſchekidſchek moͤchte ſich das fragliche Bergſchloß befunden haben; nur ſo wuͤrde es noch zur Sogdiana gehoͤren koͤnnen. — Auffallen koͤnnte es, daß wir dieſe Unterneh- mung mit Curtius und gegen Arrians Autoritaͤt in das Fruͤhjahr 328 und nicht 327 geſetzt haben; indeß iſt es ſehr deutlich, daß Ar- rian die Eroberungen der Bergfeſten aus beiden Jahren zuſammen- nimmt; er ſagt, mit dem Fruͤhling ſei Alexander gegen den Sog- dianiſchen Felſen gezogen, und bald darauf: bei der Belagerung von Chorienes Felſen habe das Heer viel durch den Winter gelitten. Dazu kommt die ganz verſchiedene Lokalitaͤt.

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/347>, abgerufen am 29.03.2024.