die Hellenen vereint hätten, für die Freiheit ihrer Väter zu kämpfen; die Zeit war günstiger als je; aber Gewinn, Genuß, Zerstreuung war das Einzige, was die Gemüther fesselte, Griechenland zer- splittert, verwildert, entnervt, der Freiheit nicht mehr werth noch fähig; so offenbarte sich, daß dies zersplitterte Einzelleben der klein- lichen Staaten, das unter dem Reiz alter theurer Namen Ohn- macht und Entartung barg, in den Zusammenhang eines größeren staatlichen Verbandes untergehen mußte. Man muß die Mäßigung und Vorsicht der beiden Macedonischen Könige bewundern, daß sie verschmähten, die wiederholentlich besiegten Griechen zu Unterthanen ihres Reiches zu machen, und daß sie vielmehr die schonendste und freieste Form fanden, die demokratischen Städte für die Monarchie zu gewinnen. Jener Bundestag von Korinth, der den Staaten ihre Freiheit als städtische Freiheiten ließ und für sich nur die Be- fugniß, die allgemeinen Angelegenheiten in Uebereinstimmung mit Macedonien zu leiten, in Anspruch nahm, war in der That das sicherste, wenn auch nicht kühnste oder schnellste Mittel, der Zersplit- terung Griechenlands Einheit und Richtung, die steten Vorzüge der Monarchie, zurückzugeben; nur daß dies von Außen Gegebene in dem erschöpften Leben Griechenlands keine neuen Entwickelungen mehr zu erwecken vermocht hat.
Mit jenem Siege Antipaters war die Beruhigung Griechen- lands vollendet; Eudamidas, des erschlagenen Königs jüngerer Bru- der und Nachfolger, rieth selbst, obschon sich die Bundesgenossen mit nach Sparta zurückgezogen hatten und noch eine bedeutende Streit- macht bildeten, keinen weiteren Widerstand zu versuchen91); es wurde an Antipater gesendet und um Friede gebeten. Dieser for- derte funfzig der edelsten Spartaner als Geißeln und verwies den Antrag an den Bundestag nach Korinth; der Bundestag erklärte sich nach vielfachen Berathungen für incompetent, und beschloß die Ent- scheidung dem Macedonischen Könige anheimzustellen, worauf Spar- tanische Gesandte nach dem obern Asien abgingen. Wenn schon nicht genauer berichtet wird, wie sie der König beschieden habe, so ist doch aus allen Umständen zu vermuthen, daß er fortan den Bei- tritt Sparta's zum Griechischen Bunde forderte; in der Verfassung
91)Plut. apophth.
die Hellenen vereint hätten, für die Freiheit ihrer Väter zu kämpfen; die Zeit war günſtiger als je; aber Gewinn, Genuß, Zerſtreuung war das Einzige, was die Gemüther feſſelte, Griechenland zer- ſplittert, verwildert, entnervt, der Freiheit nicht mehr werth noch fähig; ſo offenbarte ſich, daß dies zerſplitterte Einzelleben der klein- lichen Staaten, das unter dem Reiz alter theurer Namen Ohn- macht und Entartung barg, in den Zuſammenhang eines größeren ſtaatlichen Verbandes untergehen mußte. Man muß die Mäßigung und Vorſicht der beiden Macedoniſchen Könige bewundern, daß ſie verſchmähten, die wiederholentlich beſiegten Griechen zu Unterthanen ihres Reiches zu machen, und daß ſie vielmehr die ſchonendſte und freieſte Form fanden, die demokratiſchen Städte für die Monarchie zu gewinnen. Jener Bundestag von Korinth, der den Staaten ihre Freiheit als ſtädtiſche Freiheiten ließ und für ſich nur die Be- fugniß, die allgemeinen Angelegenheiten in Uebereinſtimmung mit Macedonien zu leiten, in Anſpruch nahm, war in der That das ſicherſte, wenn auch nicht kühnſte oder ſchnellſte Mittel, der Zerſplit- terung Griechenlands Einheit und Richtung, die ſteten Vorzüge der Monarchie, zurückzugeben; nur daß dies von Außen Gegebene in dem erſchöpften Leben Griechenlands keine neuen Entwickelungen mehr zu erwecken vermocht hat.
Mit jenem Siege Antipaters war die Beruhigung Griechen- lands vollendet; Eudamidas, des erſchlagenen Königs jüngerer Bru- der und Nachfolger, rieth ſelbſt, obſchon ſich die Bundesgenoſſen mit nach Sparta zurückgezogen hatten und noch eine bedeutende Streit- macht bildeten, keinen weiteren Widerſtand zu verſuchen91); es wurde an Antipater geſendet und um Friede gebeten. Dieſer for- derte funfzig der edelſten Spartaner als Geißeln und verwies den Antrag an den Bundestag nach Korinth; der Bundestag erklärte ſich nach vielfachen Berathungen für incompetent, und beſchloß die Ent- ſcheidung dem Macedoniſchen Könige anheimzuſtellen, worauf Spar- taniſche Geſandte nach dem obern Aſien abgingen. Wenn ſchon nicht genauer berichtet wird, wie ſie der König beſchieden habe, ſo iſt doch aus allen Umſtänden zu vermuthen, daß er fortan den Bei- tritt Sparta’s zum Griechiſchen Bunde forderte; in der Verfaſſung
91)Plut. apophth.
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die Hellenen vereint hätten, für die Freiheit ihrer Väter zu kämpfen;
die Zeit war günſtiger als je; aber Gewinn, Genuß, Zerſtreuung
war das Einzige, was die Gemüther feſſelte, Griechenland zer-
ſplittert, verwildert, entnervt, der Freiheit nicht mehr werth noch
fähig; ſo offenbarte ſich, daß dies zerſplitterte Einzelleben der klein-
lichen Staaten, das unter dem Reiz alter theurer Namen Ohn-
macht und Entartung barg, in den Zuſammenhang eines größeren
ſtaatlichen Verbandes untergehen mußte. Man muß die Mäßigung
und Vorſicht der beiden Macedoniſchen Könige bewundern, daß ſie
verſchmähten, die wiederholentlich beſiegten Griechen zu Unterthanen
ihres Reiches zu machen, und daß ſie vielmehr die ſchonendſte und
freieſte Form fanden, die demokratiſchen Städte für die Monarchie
zu gewinnen. Jener Bundestag von Korinth, der den Staaten
ihre Freiheit als ſtädtiſche Freiheiten ließ und für ſich nur die Be-
fugniß, die allgemeinen Angelegenheiten in Uebereinſtimmung mit
Macedonien zu leiten, in Anſpruch nahm, war in der That das
ſicherſte, wenn auch nicht kühnſte oder ſchnellſte Mittel, der Zerſplit-
terung Griechenlands Einheit und Richtung, die ſteten Vorzüge der
Monarchie, zurückzugeben; nur daß dies von Außen Gegebene in
dem erſchöpften Leben Griechenlands keine neuen Entwickelungen mehr
zu erwecken vermocht hat.
Mit jenem Siege Antipaters war die Beruhigung Griechen-
lands vollendet; Eudamidas, des erſchlagenen Königs jüngerer Bru-
der und Nachfolger, rieth ſelbſt, obſchon ſich die Bundesgenoſſen mit
nach Sparta zurückgezogen hatten und noch eine bedeutende Streit-
macht bildeten, keinen weiteren Widerſtand zu verſuchen 91); es
wurde an Antipater geſendet und um Friede gebeten. Dieſer for-
derte funfzig der edelſten Spartaner als Geißeln und verwies den
Antrag an den Bundestag nach Korinth; der Bundestag erklärte ſich
nach vielfachen Berathungen für incompetent, und beſchloß die Ent-
ſcheidung dem Macedoniſchen Könige anheimzuſtellen, worauf Spar-
taniſche Geſandte nach dem obern Aſien abgingen. Wenn ſchon
nicht genauer berichtet wird, wie ſie der König beſchieden habe, ſo
iſt doch aus allen Umſtänden zu vermuthen, daß er fortan den Bei-
tritt Sparta’s zum Griechiſchen Bunde forderte; in der Verfaſſung
91) Plut. apophth.
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/291>, abgerufen am 25.11.2024.
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