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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

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So stürzte die letzte Macht zusammen, die den Namen der
Hellenischen Freiheit gegen Macedonien vertreten und retten zu wol-
len vorgab; man muß gestehen, daß diese Schlacht, wenn je eine
andre ein rechtes Gottesurtheil, der Parthei den Untergang gebracht
hat, welche unfähig der alten Eifersucht und der alten kleinlichen
Ansichten los zu werden, das große Werk des Hellenischen Lebens
durch heimlichen und offenbaren Verrath geschändet hatte. Denn
Verrath an der Griechischen Sache war jene Weigerung Sparta's
am Korinthischen Bunde Theil zu nehmen, um hinterdrein, wenn
Alexander in Persien kämpfte, mit dem Erbfeinde von Hellas ver-
bündet ihn hinterrücks zu gefährden; doppelter Verrath war der
Abfall der Peloponnesier, die trotz der beschworenen Bündnisse sich
mit den Feinden Alexanders verbanden. Nur der Sieg kann solchen
Verrath rechtfertigen; und die Spartaner hätten gesiegt, wenn sich

der Nähe von Megalopolis geliefert zu sein; wenigstens darf man sich
nicht durch Pausan. VIII. 10. 4. und sonst, zu der Vermuthung ver-
leiten lassen, daß die Schlacht vor Mantinea geliefert sein möchte;
denn Pausanias verwechselt nicht Agis III. und Agis IV., sonden
erzählt nur etwas Verkehrtes von Agis IV. Noch schwieriger ist die
Zeitbestimmung dieser für Griechenland so verhängnißvollen Schlacht.
Wenn sie nach Plutarch und Dionys. ep. ad Ammaeum cp. 12. (p. 746)
gleichzeitig mit der Schlacht von Arbela, nach Curtius sogar vor der-
selben geliefert wäre, so würde Alexander nicht aus Susa Geld an
Antipater zum Spartanerkriege (Arr. III. 16.) gesendet haben. Aeschines
sagt in seiner Rede gegen Ctesiphon, daß eben Agis besiegt sei, daß
demnächst Spartanische Gesandten an Alexander gehen würden, daß
die Pythien in wenigen Tagen beginnen würden, ein Fest, das in
jedem dritten Olympiadenjahr, und zwar im September (nicht in
Frühling, wie Boeckh gemeint hat) gefeiert wurde, v. Clinton fast
Hell. Excurs.
1. Die Rede wurde Ol. 112. 3. unter dem Archen
Aristophon gegen Herbst des Jahres 330 gehalten; und da die Schlacht
unter demselben Archon vorfiel, so gehört sie in die ersten Monate
dieses Olympiadenjahrs, in den Sommer 330. Agis Vater, Archi-
damus, war am Tage der Schlacht von Chäronea (2. Aug. 338) ge-
fallen, von da an datirt Agis Herrschaft; wenn nun Diodor sagt, daß
er 9 Jahre regiert habe, so kann dieß nur heißen, er sey im 9ten
Jahre seiner Regierung, die mit dem August 330 begann, also zwischen
diesem und dem Anfang der Pythien gefallen.

So ſtürzte die letzte Macht zuſammen, die den Namen der
Helleniſchen Freiheit gegen Macedonien vertreten und retten zu wol-
len vorgab; man muß geſtehen, daß dieſe Schlacht, wenn je eine
andre ein rechtes Gottesurtheil, der Parthei den Untergang gebracht
hat, welche unfähig der alten Eiferſucht und der alten kleinlichen
Anſichten los zu werden, das große Werk des Helleniſchen Lebens
durch heimlichen und offenbaren Verrath geſchändet hatte. Denn
Verrath an der Griechiſchen Sache war jene Weigerung Sparta’s
am Korinthiſchen Bunde Theil zu nehmen, um hinterdrein, wenn
Alexander in Perſien kämpfte, mit dem Erbfeinde von Hellas ver-
bündet ihn hinterrücks zu gefährden; doppelter Verrath war der
Abfall der Peloponneſier, die trotz der beſchworenen Bündniſſe ſich
mit den Feinden Alexanders verbanden. Nur der Sieg kann ſolchen
Verrath rechtfertigen; und die Spartaner hätten geſiegt, wenn ſich

der Nähe von Megalopolis geliefert zu ſein; wenigſtens darf man ſich
nicht durch Pausan. VIII. 10. 4. und ſonſt, zu der Vermuthung ver-
leiten laſſen, daß die Schlacht vor Mantinea geliefert ſein möchte;
denn Pauſanias verwechſelt nicht Agis III. und Agis IV., ſonden
erzählt nur etwas Verkehrtes von Agis IV. Noch ſchwieriger iſt die
Zeitbeſtimmung dieſer für Griechenland ſo verhängnißvollen Schlacht.
Wenn ſie nach Plutarch und Dionys. ep. ad Ammaeum cp. 12. (p. 746)
gleichzeitig mit der Schlacht von Arbela, nach Curtius ſogar vor der-
ſelben geliefert wäre, ſo würde Alexander nicht aus Suſa Geld an
Antipater zum Spartanerkriege (Arr. III. 16.) geſendet haben. Aeſchines
ſagt in ſeiner Rede gegen Cteſiphon, daß eben Agis beſiegt ſei, daß
demnächſt Spartaniſche Geſandten an Alexander gehen würden, daß
die Pythien in wenigen Tagen beginnen würden, ein Feſt, das in
jedem dritten Olympiadenjahr, und zwar im September (nicht in
Frühling, wie Boeckh gemeint hat) gefeiert wurde, v. Clinton fast
Hell. Excurs.
1. Die Rede wurde Ol. 112. 3. unter dem Archen
Ariſtophon gegen Herbſt des Jahres 330 gehalten; und da die Schlacht
unter demſelben Archon vorfiel, ſo gehört ſie in die erſten Monate
dieſes Olympiadenjahrs, in den Sommer 330. Agis Vater, Archi-
damus, war am Tage der Schlacht von Chäronea (2. Aug. 338) ge-
fallen, von da an datirt Agis Herrſchaft; wenn nun Diodor ſagt, daß
er 9 Jahre regiert habe, ſo kann dieß nur heißen, er ſey im 9ten
Jahre ſeiner Regierung, die mit dem Auguſt 330 begann, alſo zwiſchen
dieſem und dem Anfang der Pythien gefallen.
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[276/0290] So ſtürzte die letzte Macht zuſammen, die den Namen der Helleniſchen Freiheit gegen Macedonien vertreten und retten zu wol- len vorgab; man muß geſtehen, daß dieſe Schlacht, wenn je eine andre ein rechtes Gottesurtheil, der Parthei den Untergang gebracht hat, welche unfähig der alten Eiferſucht und der alten kleinlichen Anſichten los zu werden, das große Werk des Helleniſchen Lebens durch heimlichen und offenbaren Verrath geſchändet hatte. Denn Verrath an der Griechiſchen Sache war jene Weigerung Sparta’s am Korinthiſchen Bunde Theil zu nehmen, um hinterdrein, wenn Alexander in Perſien kämpfte, mit dem Erbfeinde von Hellas ver- bündet ihn hinterrücks zu gefährden; doppelter Verrath war der Abfall der Peloponneſier, die trotz der beſchworenen Bündniſſe ſich mit den Feinden Alexanders verbanden. Nur der Sieg kann ſolchen Verrath rechtfertigen; und die Spartaner hätten geſiegt, wenn ſich 90) 90) der Nähe von Megalopolis geliefert zu ſein; wenigſtens darf man ſich nicht durch Pausan. VIII. 10. 4. und ſonſt, zu der Vermuthung ver- leiten laſſen, daß die Schlacht vor Mantinea geliefert ſein möchte; denn Pauſanias verwechſelt nicht Agis III. und Agis IV., ſonden erzählt nur etwas Verkehrtes von Agis IV. Noch ſchwieriger iſt die Zeitbeſtimmung dieſer für Griechenland ſo verhängnißvollen Schlacht. Wenn ſie nach Plutarch und Dionys. ep. ad Ammaeum cp. 12. (p. 746) gleichzeitig mit der Schlacht von Arbela, nach Curtius ſogar vor der- ſelben geliefert wäre, ſo würde Alexander nicht aus Suſa Geld an Antipater zum Spartanerkriege (Arr. III. 16.) geſendet haben. Aeſchines ſagt in ſeiner Rede gegen Cteſiphon, daß eben Agis beſiegt ſei, daß demnächſt Spartaniſche Geſandten an Alexander gehen würden, daß die Pythien in wenigen Tagen beginnen würden, ein Feſt, das in jedem dritten Olympiadenjahr, und zwar im September (nicht in Frühling, wie Boeckh gemeint hat) gefeiert wurde, v. Clinton fast Hell. Excurs. 1. Die Rede wurde Ol. 112. 3. unter dem Archen Ariſtophon gegen Herbſt des Jahres 330 gehalten; und da die Schlacht unter demſelben Archon vorfiel, ſo gehört ſie in die erſten Monate dieſes Olympiadenjahrs, in den Sommer 330. Agis Vater, Archi- damus, war am Tage der Schlacht von Chäronea (2. Aug. 338) ge- fallen, von da an datirt Agis Herrſchaft; wenn nun Diodor ſagt, daß er 9 Jahre regiert habe, ſo kann dieß nur heißen, er ſey im 9ten Jahre ſeiner Regierung, die mit dem Auguſt 330 begann, alſo zwiſchen dieſem und dem Anfang der Pythien gefallen.

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/290>, abgerufen am 29.03.2024.