gekommen und man mochte jetzt die Macedonier erwarten; doch wieder verging mehr als ein Vierteljahr und kein Feind ließ sich sehen. Gefielen dem Sieger die Schätze von Persepolis und Pasar- gadä vielleicht besser als neuer Kampf? Hielten ihn und sein über- müthiges Heer die neuen und betäubenden Genüsse des schönen Morgenlandes gefesselt? Noch sah sich Darius von treuen Trup- pen, von hochherzigen Perserfürsten umgeben; mit ihm war der Kern des Persischen Adels, die Chiliarchie, die Nabarzanes führte, Atropates von Medien, Authophradates von Tapurien, Phratapher- nes von Hyrkanien und Parthien, Satibarzanes von Arien, Bar- saentes von Arachosien und Drangiana, der kühne Baktrianer Bes- sus, Fürst des Turanischen Landes, des Großkönigs Verwand- ter, umgeben von dreitausend Baktrischen Reutern, die sich mit ihm aus der letzten Schlacht gerettet hatten; ferner des Groß- königs Bruder Oxathres und vor allen der greise Artabazus, der vielbewährte Freund des Darius, vielleicht der würdigste Name des Perserthums, mit ihm seine Söhne; auch des Großkönigs Ochus Sohn Bisthanes, auch des abtrünnigen Mazäus von Babylon Sohn Artabelus war in Ekbatana. Noch hatte Darius ein klei- nes Heer um sich, außer den Resten der Chiliarchie die drei- tausend Baktrischen Reuter des Bessus, die tapferen Griechischen Söldner unter des Phociers Patron Führung; er erwartete die Ankunft mehrerer Tausend Kadusier und Scythen; leicht konnten von Ekbatana aus die Völker von Turan und Ariana noch einmal zu den Waffen gerufen werden, um sich unter ihren Sa- trapen um die Person des Königs zu sammeln und den Osten des Reiches zu vertheidigen; dazu kam, daß die Medische Landschaft und die Gegend der Kaspischen Pässe für die Vertheidigung äu- ßerst günstig, den Euröpäischen Truppen vielfach beschwerlich, den Völkern, die das neue Perserheer bilden sollten, bekannt und be- quem waren. So beschloß Darius noch einmal das Glück der Waffen zu versuchen und mit dem Heere, das er bis zur Ankunft Alexanders versammelt haben würde, den Feind am weiteren Vordrin- gen zu hindern; er hatte durch die Gesandten Spartas und Athens, die sich an seinem Hoflager befanden, die sehr wichtige Botschaft erhalten, daß die Nachricht von der Schlacht von Gaugamela in Hellas den tiefsten Eindruck auf alle Gemüther gemacht, und
gekommen und man mochte jetzt die Macedonier erwarten; doch wieder verging mehr als ein Vierteljahr und kein Feind ließ ſich ſehen. Gefielen dem Sieger die Schätze von Perſepolis und Paſar- gadä vielleicht beſſer als neuer Kampf? Hielten ihn und ſein über- müthiges Heer die neuen und betäubenden Genüſſe des ſchönen Morgenlandes gefeſſelt? Noch ſah ſich Darius von treuen Trup- pen, von hochherzigen Perſerfürſten umgeben; mit ihm war der Kern des Perſiſchen Adels, die Chiliarchie, die Nabarzanes führte, Atropates von Medien, Authophradates von Tapurien, Phratapher- nes von Hyrkanien und Parthien, Satibarzanes von Arien, Bar- ſaentes von Arachoſien und Drangiana, der kühne Baktrianer Beſ- ſus, Fürſt des Turaniſchen Landes, des Großkönigs Verwand- ter, umgeben von dreitauſend Baktriſchen Reutern, die ſich mit ihm aus der letzten Schlacht gerettet hatten; ferner des Groß- königs Bruder Oxathres und vor allen der greiſe Artabazus, der vielbewährte Freund des Darius, vielleicht der würdigſte Name des Perſerthums, mit ihm ſeine Söhne; auch des Großkönigs Ochus Sohn Biſthanes, auch des abtrünnigen Mazäus von Babylon Sohn Artabelus war in Ekbatana. Noch hatte Darius ein klei- nes Heer um ſich, außer den Reſten der Chiliarchie die drei- tauſend Baktriſchen Reuter des Beſſus, die tapferen Griechiſchen Söldner unter des Phociers Patron Führung; er erwartete die Ankunft mehrerer Tauſend Kaduſier und Scythen; leicht konnten von Ekbatana aus die Völker von Turan und Ariana noch einmal zu den Waffen gerufen werden, um ſich unter ihren Sa- trapen um die Perſon des Königs zu ſammeln und den Oſten des Reiches zu vertheidigen; dazu kam, daß die Mediſche Landſchaft und die Gegend der Kaspiſchen Päſſe für die Vertheidigung äu- ßerſt günſtig, den Euröpäiſchen Truppen vielfach beſchwerlich, den Völkern, die das neue Perſerheer bilden ſollten, bekannt und be- quem waren. So beſchloß Darius noch einmal das Glück der Waffen zu verſuchen und mit dem Heere, das er bis zur Ankunft Alexanders verſammelt haben würde, den Feind am weiteren Vordrin- gen zu hindern; er hatte durch die Geſandten Spartas und Athens, die ſich an ſeinem Hoflager befanden, die ſehr wichtige Botſchaft erhalten, daß die Nachricht von der Schlacht von Gaugamela in Hellas den tiefſten Eindruck auf alle Gemüther gemacht, und
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gekommen und man mochte jetzt die Macedonier erwarten; doch
wieder verging mehr als ein Vierteljahr und kein Feind ließ ſich
ſehen. Gefielen dem Sieger die Schätze von Perſepolis und Paſar-
gadä vielleicht beſſer als neuer Kampf? Hielten ihn und ſein über-
müthiges Heer die neuen und betäubenden Genüſſe des ſchönen
Morgenlandes gefeſſelt? Noch ſah ſich Darius von treuen Trup-
pen, von hochherzigen Perſerfürſten umgeben; mit ihm war der
Kern des Perſiſchen Adels, die Chiliarchie, die Nabarzanes führte,
Atropates von Medien, Authophradates von Tapurien, Phratapher-
nes von Hyrkanien und Parthien, Satibarzanes von Arien, Bar-
ſaentes von Arachoſien und Drangiana, der kühne Baktrianer Beſ-
ſus, Fürſt des Turaniſchen Landes, des Großkönigs Verwand-
ter, umgeben von dreitauſend Baktriſchen Reutern, die ſich mit
ihm aus der letzten Schlacht gerettet hatten; ferner des Groß-
königs Bruder Oxathres und vor allen der greiſe Artabazus, der
vielbewährte Freund des Darius, vielleicht der würdigſte Name des
Perſerthums, mit ihm ſeine Söhne; auch des Großkönigs Ochus
Sohn Biſthanes, auch des abtrünnigen Mazäus von Babylon
Sohn Artabelus war in Ekbatana. Noch hatte Darius ein klei-
nes Heer um ſich, außer den Reſten der Chiliarchie die drei-
tauſend Baktriſchen Reuter des Beſſus, die tapferen Griechiſchen
Söldner unter des Phociers Patron Führung; er erwartete
die Ankunft mehrerer Tauſend Kaduſier und Scythen; leicht
konnten von Ekbatana aus die Völker von Turan und Ariana noch
einmal zu den Waffen gerufen werden, um ſich unter ihren Sa-
trapen um die Perſon des Königs zu ſammeln und den Oſten des
Reiches zu vertheidigen; dazu kam, daß die Mediſche Landſchaft
und die Gegend der Kaspiſchen Päſſe für die Vertheidigung äu-
ßerſt günſtig, den Euröpäiſchen Truppen vielfach beſchwerlich, den
Völkern, die das neue Perſerheer bilden ſollten, bekannt und be-
quem waren. So beſchloß Darius noch einmal das Glück der
Waffen zu verſuchen und mit dem Heere, das er bis zur Ankunft
Alexanders verſammelt haben würde, den Feind am weiteren Vordrin-
gen zu hindern; er hatte durch die Geſandten Spartas und Athens,
die ſich an ſeinem Hoflager befanden, die ſehr wichtige Botſchaft
erhalten, daß die Nachricht von der Schlacht von Gaugamela in
Hellas den tiefſten Eindruck auf alle Gemüther gemacht, und
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/265>, abgerufen am 22.11.2024.
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