Alexander hatte die Antwort des Gottes verschwiegen, desto lebhafter war die Neugier oder Theilnahme seiner Macedonier; die mit im Ammonium gewesen waren, erzählten Wunderbares von jenen Tagen; des Oberpriesters erster Gruß, den sie alle gehört hätten, sei gewesen: "Heil Dir, o Sohn!" und der König habe erwiedert: "o Vater, so sei es; Dein Sohn will ich sein, gieb mir die Herrschaft der Welt!" Andere verlachten diese Mährchen; der Priester habe Griechisch reden und den König mit der Formel "Paidion" anreden wollen, statt dessen aber, mit einem Sprach- fehler "Paidios" gesetzt, was man wahrlich für "Sohn des Zeus" nehmen könnte. Aus sämmtlichen Erzählungen bildete sich endlich folgende Sage: Alexander habe den Gott gefragt: ob Alle, die an seines Vaters Tode Schuld hätten, gestraft seien; darauf sei geant- wortet: er möge besser seine Worte wägen, nimmermehr werde ein Sterblicher den verletzen, der ihn gezeugt; wohl aber seien die Mörder Philipps des Macedonierkönigs alle gestraft. Und zum zweiten habe Alexander gefragt, ob er seine Feinde besiegen werde, und der Gott habe geantwortet, ihm sei die Herrschaft der Welt bestimmt, er werde siegen bis er zu den Göttern heimgehe 13). Diese und ähnliche Erzählungen, die Alexander weder bestätigte noch widerrief, dienten ganz dazu, um seine Person den geheimniß- vollen Schein zu verbreiten, der dem Glauben der Völker an ihn und seine Sendung Reiz und Gewißheit lieh, und selbst den Blick der Hellenen zu blenden vermochte. --
Nach Memphis zurückgekehrt fand Alexander eine Gesandt- schaft der bei den Isthmischen Spielen dieses Jahres versammelt gewesenen Griechen, die dem siegreichen Könige einen goldenen Kranz und Glückwünsche für seine großen Erfolge überbrachten; andere Gesandtschaften einzelner Städte wurden nicht minder freundlich empfangen, und fast allen ihre Anträge und Bitten gewährt. Mit ihnen zugleich waren neue Truppen angekommen, namentlich vier- tausend Mann 14) Griechische Söldner und fünfhundert Thracische
13)Plut. Curt. Diod.
14) Arrian sagt zwar ausdrücklich vierhundert, eine gar zu unbedeutende Zahl; wenn seine spätere An- gabe für die Schlacht von Arbela Sinn haben soll, so müssen wenig- stens viertausend Mann gekommen sein. Eine Emendation wäre frei- lich gewagt.
Alexander hatte die Antwort des Gottes verſchwiegen, deſto lebhafter war die Neugier oder Theilnahme ſeiner Macedonier; die mit im Ammonium geweſen waren, erzählten Wunderbares von jenen Tagen; des Oberprieſters erſter Gruß, den ſie alle gehört hätten, ſei geweſen: „Heil Dir, o Sohn!“ und der König habe erwiedert: „o Vater, ſo ſei es; Dein Sohn will ich ſein, gieb mir die Herrſchaft der Welt!“ Andere verlachten dieſe Mährchen; der Prieſter habe Griechiſch reden und den König mit der Formel „Paidion“ anreden wollen, ſtatt deſſen aber, mit einem Sprach- fehler „Paidios“ geſetzt, was man wahrlich für „Sohn des Zeus“ nehmen könnte. Aus ſämmtlichen Erzählungen bildete ſich endlich folgende Sage: Alexander habe den Gott gefragt: ob Alle, die an ſeines Vaters Tode Schuld hätten, geſtraft ſeien; darauf ſei geant- wortet: er möge beſſer ſeine Worte wägen, nimmermehr werde ein Sterblicher den verletzen, der ihn gezeugt; wohl aber ſeien die Mörder Philipps des Macedonierkönigs alle geſtraft. Und zum zweiten habe Alexander gefragt, ob er ſeine Feinde beſiegen werde, und der Gott habe geantwortet, ihm ſei die Herrſchaft der Welt beſtimmt, er werde ſiegen bis er zu den Göttern heimgehe 13). Dieſe und ähnliche Erzählungen, die Alexander weder beſtätigte noch widerrief, dienten ganz dazu, um ſeine Perſon den geheimniß- vollen Schein zu verbreiten, der dem Glauben der Völker an ihn und ſeine Sendung Reiz und Gewißheit lieh, und ſelbſt den Blick der Hellenen zu blenden vermochte. —
Nach Memphis zurückgekehrt fand Alexander eine Geſandt- ſchaft der bei den Iſthmiſchen Spielen dieſes Jahres verſammelt geweſenen Griechen, die dem ſiegreichen Könige einen goldenen Kranz und Glückwünſche für ſeine großen Erfolge überbrachten; andere Geſandtſchaften einzelner Städte wurden nicht minder freundlich empfangen, und faſt allen ihre Anträge und Bitten gewährt. Mit ihnen zugleich waren neue Truppen angekommen, namentlich vier- tauſend Mann 14) Griechiſche Söldner und fünfhundert Thraciſche
13)Plut. Curt. Diod.
14) Arrian ſagt zwar ausdrücklich vierhundert, eine gar zu unbedeutende Zahl; wenn ſeine ſpätere An- gabe für die Schlacht von Arbela Sinn haben ſoll, ſo müſſen wenig- ſtens viertauſend Mann gekommen ſein. Eine Emendation wäre frei- lich gewagt.
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jenen Tagen; des Oberprieſters erſter Gruß, den ſie alle gehört
hätten, ſei geweſen: „Heil Dir, o Sohn!“ und der König habe
erwiedert: „o Vater, ſo ſei es; Dein Sohn will ich ſein, gieb
mir die Herrſchaft der Welt!“ Andere verlachten dieſe Mährchen;
der Prieſter habe Griechiſch reden und den König mit der Formel
„Paidion“ anreden wollen, ſtatt deſſen aber, mit einem Sprach-
fehler „Paidios“ geſetzt, was man wahrlich für „Sohn des Zeus“
nehmen könnte. Aus ſämmtlichen Erzählungen bildete ſich endlich
folgende Sage: Alexander habe den Gott gefragt: ob Alle, die an
ſeines Vaters Tode Schuld hätten, geſtraft ſeien; darauf ſei geant-
wortet: er möge beſſer ſeine Worte wägen, nimmermehr werde ein
Sterblicher den verletzen, der ihn gezeugt; wohl aber ſeien die
Mörder Philipps des Macedonierkönigs alle geſtraft. Und zum
zweiten habe Alexander gefragt, ob er ſeine Feinde beſiegen werde,
und der Gott habe geantwortet, ihm ſei die Herrſchaft der Welt
beſtimmt, er werde ſiegen bis er zu den Göttern heimgehe 13).
Dieſe und ähnliche Erzählungen, die Alexander weder beſtätigte
noch widerrief, dienten ganz dazu, um ſeine Perſon den geheimniß-
vollen Schein zu verbreiten, der dem Glauben der Völker an ihn
und ſeine Sendung Reiz und Gewißheit lieh, und ſelbſt den Blick
der Hellenen zu blenden vermochte. —
Nach Memphis zurückgekehrt fand Alexander eine Geſandt-
ſchaft der bei den Iſthmiſchen Spielen dieſes Jahres verſammelt
geweſenen Griechen, die dem ſiegreichen Könige einen goldenen Kranz
und Glückwünſche für ſeine großen Erfolge überbrachten; andere
Geſandtſchaften einzelner Städte wurden nicht minder freundlich
empfangen, und faſt allen ihre Anträge und Bitten gewährt. Mit
ihnen zugleich waren neue Truppen angekommen, namentlich vier-
tauſend Mann 14) Griechiſche Söldner und fünfhundert Thraciſche
13) Plut. Curt. Diod.
14) Arrian ſagt zwar ausdrücklich
vierhundert, eine gar zu unbedeutende Zahl; wenn ſeine ſpätere An-
gabe für die Schlacht von Arbela Sinn haben ſoll, ſo müſſen wenig-
ſtens viertauſend Mann gekommen ſein. Eine Emendation wäre frei-
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/229>, abgerufen am 23.11.2024.
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