auf dem Damm in hellen Flammen, während sich die Trieren an den Damm ober dem Winde vor Anker legten, und durch ihr Geschütz jeden Versuch, den Brand zu löschen, vereitelten. Zugleich machten die Ty- rier einen Ausfall, ruderten auf einer Menge von Böten über die Bai heran, zerstörten in Kurzem die Pfahlrosten vor dem Damm und zündeten die Maschinen, die noch etwa übrig waren, an. Durch das Fortreißen jener Rosten wurde der noch unfertige Theil des Dammes entblößt und den immer heftiger anstürmenden Wel- len Preis gegeben, so daß der vordere Theil des Werkes durch- rissen und hinweggespült in den Wellen verschwand 35).
Von mehreren Schriftstellern wird behauptet, Alexander habe nach diesem unglücklichen Ereigniß, das ihm nicht blos eine Menge Menschen und alle Maschinen gekostet, sondern auch die außeror- dentliche Schwierigkeit, Tyrus vom Lande her zu bewältigen, gezeigt habe, daran gedacht, die Belagerung ganz aufzugeben, den von Ty- rus angebotenen Vertrag anzunehmen und nach Aegypten zu ziehen; eine Behauptung, die weder mit dem Charakter, noch den Plänen des Königs übereinstimmt; je mächtiger und unabhängiger Tyrus seiner Landmacht gegenüberstand, desto nothwendiger war es, die stolze Stadt zu demüthigen, je zweifelhafter der Ausgang besorg- licheren Gemüthern erscheinen mochte, desto bestimmter mußte Ale- xander ihn im Auge behalten; ein Schritt rückwärts, ein aufgege- bener Plan, eine halbe Maaßregel hätte Alles vereitelt. In dieser Zeit mag es gewesen sein, daß von Neuem Gesandte des Darius eintrafen, die für des Großkönigs Mutter, Gemahlin und Kinder ein Lösegeld von zehntausend Talenten, ferner den Besitz des Landes diesseits des Euphrat, endlich mit der Hand seiner Tochter Freund- schaft und Bundesgenossenschaft anboten. Als Alexander nun seine Generale versammelte und ihnen die Anträge des Perserkönigs mittheilte, so waren die Ansichten sehr getheilt; Parmenion nament- lich äußerte, daß, wenn er Alexander wäre, er unter den gegenwär- tigen Umständen allerdings jene Bedingungen annehmen und sich nicht länger dem wechselnden Glück des Krieges aussetzen würde.
35) Arrian sagt an dieser Stelle nicht genug, Curtius wie im- mer zu viel; überdies verwirrt letzterer die Zeitfolge, um einen Ef- fekt zu erhaschen.
auf dem Damm in hellen Flammen, während ſich die Trieren an den Damm ober dem Winde vor Anker legten, und durch ihr Geſchütz jeden Verſuch, den Brand zu löſchen, vereitelten. Zugleich machten die Ty- rier einen Ausfall, ruderten auf einer Menge von Böten über die Bai heran, zerſtörten in Kurzem die Pfahlroſten vor dem Damm und zündeten die Maſchinen, die noch etwa übrig waren, an. Durch das Fortreißen jener Roſten wurde der noch unfertige Theil des Dammes entblößt und den immer heftiger anſtürmenden Wel- len Preis gegeben, ſo daß der vordere Theil des Werkes durch- riſſen und hinweggeſpült in den Wellen verſchwand 35).
Von mehreren Schriftſtellern wird behauptet, Alexander habe nach dieſem unglücklichen Ereigniß, das ihm nicht blos eine Menge Menſchen und alle Maſchinen gekoſtet, ſondern auch die außeror- dentliche Schwierigkeit, Tyrus vom Lande her zu bewältigen, gezeigt habe, daran gedacht, die Belagerung ganz aufzugeben, den von Ty- rus angebotenen Vertrag anzunehmen und nach Aegypten zu ziehen; eine Behauptung, die weder mit dem Charakter, noch den Plänen des Königs übereinſtimmt; je mächtiger und unabhängiger Tyrus ſeiner Landmacht gegenüberſtand, deſto nothwendiger war es, die ſtolze Stadt zu demüthigen, je zweifelhafter der Ausgang beſorg- licheren Gemüthern erſcheinen mochte, deſto beſtimmter mußte Ale- xander ihn im Auge behalten; ein Schritt rückwärts, ein aufgege- bener Plan, eine halbe Maaßregel hätte Alles vereitelt. In dieſer Zeit mag es geweſen ſein, daß von Neuem Geſandte des Darius eintrafen, die für des Großkönigs Mutter, Gemahlin und Kinder ein Löſegeld von zehntauſend Talenten, ferner den Beſitz des Landes dieſſeits des Euphrat, endlich mit der Hand ſeiner Tochter Freund- ſchaft und Bundesgenoſſenſchaft anboten. Als Alexander nun ſeine Generale verſammelte und ihnen die Anträge des Perſerkönigs mittheilte, ſo waren die Anſichten ſehr getheilt; Parmenion nament- lich äußerte, daß, wenn er Alexander wäre, er unter den gegenwär- tigen Umſtänden allerdings jene Bedingungen annehmen und ſich nicht länger dem wechſelnden Glück des Krieges ausſetzen würde.
35) Arrian ſagt an dieſer Stelle nicht genug, Curtius wie im- mer zu viel; überdies verwirrt letzterer die Zeitfolge, um einen Ef- fekt zu erhaſchen.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0200"n="186"/>
auf dem Damm in hellen Flammen, während ſich die Trieren an den<lb/>
Damm ober dem Winde vor Anker legten, und durch ihr Geſchütz jeden<lb/>
Verſuch, den Brand zu löſchen, vereitelten. Zugleich machten die Ty-<lb/>
rier einen Ausfall, ruderten auf einer Menge von Böten über die<lb/>
Bai heran, zerſtörten in Kurzem die Pfahlroſten vor dem Damm<lb/>
und zündeten die Maſchinen, die noch etwa übrig waren, an.<lb/>
Durch das Fortreißen jener Roſten wurde der noch unfertige Theil<lb/>
des Dammes entblößt und den immer heftiger anſtürmenden Wel-<lb/>
len Preis gegeben, ſo daß der vordere Theil des Werkes durch-<lb/>
riſſen und hinweggeſpült in den Wellen verſchwand <noteplace="foot"n="35)">Arrian ſagt an dieſer Stelle nicht genug, Curtius wie im-<lb/>
mer zu viel; überdies verwirrt letzterer die Zeitfolge, um einen Ef-<lb/>
fekt zu erhaſchen.</note>.</p><lb/><p>Von mehreren Schriftſtellern wird behauptet, Alexander habe<lb/>
nach dieſem unglücklichen Ereigniß, das ihm nicht blos eine Menge<lb/>
Menſchen und alle Maſchinen gekoſtet, ſondern auch die außeror-<lb/>
dentliche Schwierigkeit, Tyrus vom Lande her zu bewältigen, gezeigt<lb/>
habe, daran gedacht, die Belagerung ganz aufzugeben, den von Ty-<lb/>
rus angebotenen Vertrag anzunehmen und nach Aegypten zu ziehen;<lb/>
eine Behauptung, die weder mit dem Charakter, noch den Plänen<lb/>
des Königs übereinſtimmt; je mächtiger und unabhängiger Tyrus<lb/>ſeiner Landmacht gegenüberſtand, deſto nothwendiger war es, die<lb/>ſtolze Stadt zu demüthigen, je zweifelhafter der Ausgang beſorg-<lb/>
licheren Gemüthern erſcheinen mochte, deſto beſtimmter mußte Ale-<lb/>
xander ihn im Auge behalten; <hirendition="#g">ein</hi> Schritt rückwärts, <hirendition="#g">ein</hi> aufgege-<lb/>
bener Plan, <hirendition="#g">eine</hi> halbe Maaßregel hätte Alles vereitelt. In dieſer<lb/>
Zeit mag es geweſen ſein, daß von Neuem Geſandte des Darius<lb/>
eintrafen, die für des Großkönigs Mutter, Gemahlin und Kinder ein<lb/>
Löſegeld von zehntauſend Talenten, ferner den Beſitz des Landes<lb/>
dieſſeits des Euphrat, endlich mit der Hand ſeiner Tochter Freund-<lb/>ſchaft und Bundesgenoſſenſchaft anboten. Als Alexander nun<lb/>ſeine Generale verſammelte und ihnen die Anträge des Perſerkönigs<lb/>
mittheilte, ſo waren die Anſichten ſehr getheilt; Parmenion nament-<lb/>
lich äußerte, daß, wenn er Alexander wäre, er unter den gegenwär-<lb/>
tigen Umſtänden allerdings jene Bedingungen annehmen und ſich<lb/>
nicht länger dem wechſelnden Glück des Krieges ausſetzen würde.<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[186/0200]
auf dem Damm in hellen Flammen, während ſich die Trieren an den
Damm ober dem Winde vor Anker legten, und durch ihr Geſchütz jeden
Verſuch, den Brand zu löſchen, vereitelten. Zugleich machten die Ty-
rier einen Ausfall, ruderten auf einer Menge von Böten über die
Bai heran, zerſtörten in Kurzem die Pfahlroſten vor dem Damm
und zündeten die Maſchinen, die noch etwa übrig waren, an.
Durch das Fortreißen jener Roſten wurde der noch unfertige Theil
des Dammes entblößt und den immer heftiger anſtürmenden Wel-
len Preis gegeben, ſo daß der vordere Theil des Werkes durch-
riſſen und hinweggeſpült in den Wellen verſchwand 35).
Von mehreren Schriftſtellern wird behauptet, Alexander habe
nach dieſem unglücklichen Ereigniß, das ihm nicht blos eine Menge
Menſchen und alle Maſchinen gekoſtet, ſondern auch die außeror-
dentliche Schwierigkeit, Tyrus vom Lande her zu bewältigen, gezeigt
habe, daran gedacht, die Belagerung ganz aufzugeben, den von Ty-
rus angebotenen Vertrag anzunehmen und nach Aegypten zu ziehen;
eine Behauptung, die weder mit dem Charakter, noch den Plänen
des Königs übereinſtimmt; je mächtiger und unabhängiger Tyrus
ſeiner Landmacht gegenüberſtand, deſto nothwendiger war es, die
ſtolze Stadt zu demüthigen, je zweifelhafter der Ausgang beſorg-
licheren Gemüthern erſcheinen mochte, deſto beſtimmter mußte Ale-
xander ihn im Auge behalten; ein Schritt rückwärts, ein aufgege-
bener Plan, eine halbe Maaßregel hätte Alles vereitelt. In dieſer
Zeit mag es geweſen ſein, daß von Neuem Geſandte des Darius
eintrafen, die für des Großkönigs Mutter, Gemahlin und Kinder ein
Löſegeld von zehntauſend Talenten, ferner den Beſitz des Landes
dieſſeits des Euphrat, endlich mit der Hand ſeiner Tochter Freund-
ſchaft und Bundesgenoſſenſchaft anboten. Als Alexander nun
ſeine Generale verſammelte und ihnen die Anträge des Perſerkönigs
mittheilte, ſo waren die Anſichten ſehr getheilt; Parmenion nament-
lich äußerte, daß, wenn er Alexander wäre, er unter den gegenwär-
tigen Umſtänden allerdings jene Bedingungen annehmen und ſich
nicht länger dem wechſelnden Glück des Krieges ausſetzen würde.
35) Arrian ſagt an dieſer Stelle nicht genug, Curtius wie im-
mer zu viel; überdies verwirrt letzterer die Zeitfolge, um einen Ef-
fekt zu erhaſchen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/200>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.