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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

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der Persischen Admirale den letzten Stoß gab; man eilte zu retten,
was noch zu retten war; Pharnabazus segelte mit zwölf Trieren
nach der Insel Chios, deren Abfall man fürchten mußte; statt ei-
ner großen Land- und Seemacht zum Angriff gegen Antipater, er-
hielt Agis dreißig Talente und zehn Trieren, die er sofort nach
Tänarum an seinen Bruder Agesilaus sandte, mit der Weisung,
nur schleunigst nach Kreta zu gehen und sich der Insel zu verge-
wissern. Agis selbst segelte nicht lange darnach gen Halikarnaß, um sich
mit Autophradates zu vereinen; an Unternehmungen zur See konnte
nicht weiter gedacht werden, indem die Phönicischen Geschwader
nur die Jahreszeit abwarteten, um in die Heimath zu segeln, die
sich vielleicht schon an Alexander ergeben hatte; auch die Cyprischen
Könige glaubten für sich besorgt sein zu müssen, sobald sie die Phö-
nicische Küste in Alexanders Händen wußten.

Dies geschah während der Wintermonate in den Griechischen
Gewässern, indeß Alexander kurz nach der Schlacht von Issus,
etwa mit dem Anfang December, nach Süden hin aufgebrochen
war, um dort die Früchte seines Sieges zu ärndten. Nicht blos
Asien diesseit des Euphrat war sein; wichtiger war es, daß die
Küstenländer sich ihm entweder freiwillig ergeben mußten, oder, von
aller Hülfe Persischer Seits abgeschnitten, zur Uebergabe gezwun-
gen werden konnten, daß auf diese Weise Phönicien, dies uner-
schöpfliche Arsenal des Perserreichs, seine Flotte zur Selbstverthei-
digung aus den Griechischen Meeren zurückziehen mußte, daß so
die von den Spartanern in Hellas begonnenen Unruhen, aller Un-
terstützung von Seiten Persiens beraubt, bald gedämpft werden
konnten, daß endlich mit der Besetzung des Nillandes, dem kein
wesentliches Hinderniß weiter im Wege stand, eine breite und
sichere Operationsbasis für den Feldzug gen Oberasien gewonnen war.

Dem entsprechend mußte im Allgemeinen der Gang der Bewegun-
gen sein, wenn der Sieg von Issus in seiner ganzen Ausdehnung be-
nutzt werden sollte. Alexander sandte deshalb den Parmenion an
der Spitze der Thessalischen und verbündeten Reuter und mit eini-
gem Fußvolke das Thal des Orontes aufwärts gen Damaskus,
der Hauptstadt der Satrapie Cölesyrien, wohin die Kriegskassen,
das Feldgeräth, die ganze kostbare Hofhaltung des Perserkönigs,
so wie die Weiber, Kinder und Schätze seiner Großen von Onchä

der Perſiſchen Admirale den letzten Stoß gab; man eilte zu retten,
was noch zu retten war; Pharnabazus ſegelte mit zwölf Trieren
nach der Inſel Chios, deren Abfall man fürchten mußte; ſtatt ei-
ner großen Land- und Seemacht zum Angriff gegen Antipater, er-
hielt Agis dreißig Talente und zehn Trieren, die er ſofort nach
Tänarum an ſeinen Bruder Ageſilaus ſandte, mit der Weiſung,
nur ſchleunigſt nach Kreta zu gehen und ſich der Inſel zu verge-
wiſſern. Agis ſelbſt ſegelte nicht lange darnach gen Halikarnaß, um ſich
mit Autophradates zu vereinen; an Unternehmungen zur See konnte
nicht weiter gedacht werden, indem die Phöniciſchen Geſchwader
nur die Jahreszeit abwarteten, um in die Heimath zu ſegeln, die
ſich vielleicht ſchon an Alexander ergeben hatte; auch die Cypriſchen
Könige glaubten für ſich beſorgt ſein zu müſſen, ſobald ſie die Phö-
niciſche Küſte in Alexanders Händen wußten.

Dies geſchah während der Wintermonate in den Griechiſchen
Gewäſſern, indeß Alexander kurz nach der Schlacht von Iſſus,
etwa mit dem Anfang December, nach Süden hin aufgebrochen
war, um dort die Früchte ſeines Sieges zu ärndten. Nicht blos
Aſien dieſſeit des Euphrat war ſein; wichtiger war es, daß die
Küſtenländer ſich ihm entweder freiwillig ergeben mußten, oder, von
aller Hülfe Perſiſcher Seits abgeſchnitten, zur Uebergabe gezwun-
gen werden konnten, daß auf dieſe Weiſe Phönicien, dies uner-
ſchöpfliche Arſenal des Perſerreichs, ſeine Flotte zur Selbſtverthei-
digung aus den Griechiſchen Meeren zurückziehen mußte, daß ſo
die von den Spartanern in Hellas begonnenen Unruhen, aller Un-
terſtützung von Seiten Perſiens beraubt, bald gedämpft werden
konnten, daß endlich mit der Beſetzung des Nillandes, dem kein
weſentliches Hinderniß weiter im Wege ſtand, eine breite und
ſichere Operationsbaſis für den Feldzug gen Oberaſien gewonnen war.

Dem entſprechend mußte im Allgemeinen der Gang der Bewegun-
gen ſein, wenn der Sieg von Iſſus in ſeiner ganzen Ausdehnung be-
nutzt werden ſollte. Alexander ſandte deshalb den Parmenion an
der Spitze der Theſſaliſchen und verbündeten Reuter und mit eini-
gem Fußvolke das Thal des Orontes aufwärts gen Damaskus,
der Hauptſtadt der Satrapie Cöleſyrien, wohin die Kriegskaſſen,
das Feldgeräth, die ganze koſtbare Hofhaltung des Perſerkönigs,
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[178/0192] der Perſiſchen Admirale den letzten Stoß gab; man eilte zu retten, was noch zu retten war; Pharnabazus ſegelte mit zwölf Trieren nach der Inſel Chios, deren Abfall man fürchten mußte; ſtatt ei- ner großen Land- und Seemacht zum Angriff gegen Antipater, er- hielt Agis dreißig Talente und zehn Trieren, die er ſofort nach Tänarum an ſeinen Bruder Ageſilaus ſandte, mit der Weiſung, nur ſchleunigſt nach Kreta zu gehen und ſich der Inſel zu verge- wiſſern. Agis ſelbſt ſegelte nicht lange darnach gen Halikarnaß, um ſich mit Autophradates zu vereinen; an Unternehmungen zur See konnte nicht weiter gedacht werden, indem die Phöniciſchen Geſchwader nur die Jahreszeit abwarteten, um in die Heimath zu ſegeln, die ſich vielleicht ſchon an Alexander ergeben hatte; auch die Cypriſchen Könige glaubten für ſich beſorgt ſein zu müſſen, ſobald ſie die Phö- niciſche Küſte in Alexanders Händen wußten. Dies geſchah während der Wintermonate in den Griechiſchen Gewäſſern, indeß Alexander kurz nach der Schlacht von Iſſus, etwa mit dem Anfang December, nach Süden hin aufgebrochen war, um dort die Früchte ſeines Sieges zu ärndten. Nicht blos Aſien dieſſeit des Euphrat war ſein; wichtiger war es, daß die Küſtenländer ſich ihm entweder freiwillig ergeben mußten, oder, von aller Hülfe Perſiſcher Seits abgeſchnitten, zur Uebergabe gezwun- gen werden konnten, daß auf dieſe Weiſe Phönicien, dies uner- ſchöpfliche Arſenal des Perſerreichs, ſeine Flotte zur Selbſtverthei- digung aus den Griechiſchen Meeren zurückziehen mußte, daß ſo die von den Spartanern in Hellas begonnenen Unruhen, aller Un- terſtützung von Seiten Perſiens beraubt, bald gedämpft werden konnten, daß endlich mit der Beſetzung des Nillandes, dem kein weſentliches Hinderniß weiter im Wege ſtand, eine breite und ſichere Operationsbaſis für den Feldzug gen Oberaſien gewonnen war. Dem entſprechend mußte im Allgemeinen der Gang der Bewegun- gen ſein, wenn der Sieg von Iſſus in ſeiner ganzen Ausdehnung be- nutzt werden ſollte. Alexander ſandte deshalb den Parmenion an der Spitze der Theſſaliſchen und verbündeten Reuter und mit eini- gem Fußvolke das Thal des Orontes aufwärts gen Damaskus, der Hauptſtadt der Satrapie Cöleſyrien, wohin die Kriegskaſſen, das Feldgeräth, die ganze koſtbare Hofhaltung des Perſerkönigs, ſo wie die Weiber, Kinder und Schätze ſeiner Großen von Onchä

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/192>, abgerufen am 22.11.2024.