Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

Bild:
<< vorherige Seite

donien kamen die Neuverheiratheten von ihrem Urlaub zurück, mit
ihnen eine bedeutende Zahl Neuangeworbener, namentlich dreitau-
send Macedonier zu Fuß und dreihundert zu Pferde, zweihundert
Thessalier zu Pferde und hundertundfunfzig Eleer, so daß Alexan-
der trotz der zurückgelassenen Besatzungen nicht viel weniger Mann-
schaften 6) als am Granikus beisammen hatte. Wie der Geist
dieser Truppen war, läßt sich aus dem, was Alexander bereits voll-
bracht, und noch mehr aus dem, was er ihnen als den Preis ihrer
Kämpfe zeigte, abnehmen; unüberwindlich in dem Stolz der errun-
genen Siege und dem Enthusiasmus der kühnsten Hoffnungen, sa-
hen sie Asien schon als ihre Beute an; sie selbst, ihr König und
die Götter waren ihnen Gewähr für neue Siege.

Die Stadt Gordium, berühmt als der uralte Sitz Phrygi-
scher Könige, hatte auf ihrer Burg die Palläste des Gordius und
Midas, und den Wagen, an dem Midas einst erkannt worden
war als der von den Göttern zur Herrschaft Phrygiens erkorene;
das Joch an diesem Wagen war durch einen aus Baumbast geschürzten
Knoten so künstlich befestigt, daß man weder dessen Anfang noch Ende
bemerken konnte; es war aber ein Orakel, daß, wer den Knoten
lösete, Asiens Herrschaft erhalten würde. Alexander ließ sich die
Burg, den Pallast, den Wagen zeigen, er hörte dies Orakel, er
beschloß es zu erfüllen und den Knoten zu lösen; umsonst suchte er

6) In Karien waren dreitausend Söldner und zweihundert
Pferde, vor Kelänä funfzehnhundert Mann, andere Besatzungen in
Side, in Lydien und Kleinphrygien wenigstens im Belauf von drei-
tausend Mann zurückgeblieben; diese achttausend Mann möchten doch
wohl kaum von den Söldnern ergänzt sein, die hin und wieder aus
Persischem in Macedonischen Dienst übertraten, und es ist keine sichere
Spur dafür vorhanden, daß sich etwa Contingente Asiatischer Grie-
chen mit dem Macedonischen Heere vereinigt hätten. Kallisthenes
Angaben bei Polyb. XII. 19 bedürfen kaum einer Widerlegung: fünf-
tausend Mann Fußvolk und achthundert Reuter seien neu hinzuge-
kommen; diese zu den vierzigtausend und viertausendfünfhundert des
Granikus hinzugerechnet, gäbe für die Schlacht am Issus fünfundvier-
zigtausend und fünftausenddreihundert Mann. Wo blieben dann die
Besatzungen? auch Polybius rechnet auf diese zu wenig, nämlich nur
dreitausend Mann.

donien kamen die Neuverheiratheten von ihrem Urlaub zurück, mit
ihnen eine bedeutende Zahl Neuangeworbener, namentlich dreitau-
ſend Macedonier zu Fuß und dreihundert zu Pferde, zweihundert
Theſſalier zu Pferde und hundertundfunfzig Eleer, ſo daß Alexan-
der trotz der zurückgelaſſenen Beſatzungen nicht viel weniger Mann-
ſchaften 6) als am Granikus beiſammen hatte. Wie der Geiſt
dieſer Truppen war, läßt ſich aus dem, was Alexander bereits voll-
bracht, und noch mehr aus dem, was er ihnen als den Preis ihrer
Kämpfe zeigte, abnehmen; unüberwindlich in dem Stolz der errun-
genen Siege und dem Enthuſiasmus der kühnſten Hoffnungen, ſa-
hen ſie Aſien ſchon als ihre Beute an; ſie ſelbſt, ihr König und
die Götter waren ihnen Gewähr für neue Siege.

Die Stadt Gordium, berühmt als der uralte Sitz Phrygi-
ſcher Könige, hatte auf ihrer Burg die Palläſte des Gordius und
Midas, und den Wagen, an dem Midas einſt erkannt worden
war als der von den Göttern zur Herrſchaft Phrygiens erkorene;
das Joch an dieſem Wagen war durch einen aus Baumbaſt geſchürzten
Knoten ſo künſtlich befeſtigt, daß man weder deſſen Anfang noch Ende
bemerken konnte; es war aber ein Orakel, daß, wer den Knoten
löſete, Aſiens Herrſchaft erhalten würde. Alexander ließ ſich die
Burg, den Pallaſt, den Wagen zeigen, er hörte dies Orakel, er
beſchloß es zu erfüllen und den Knoten zu löſen; umſonſt ſuchte er

6) In Karien waren dreitauſend Söldner und zweihundert
Pferde, vor Kelänä funfzehnhundert Mann, andere Beſatzungen in
Side, in Lydien und Kleinphrygien wenigſtens im Belauf von drei-
tauſend Mann zurückgeblieben; dieſe achttauſend Mann möchten doch
wohl kaum von den Söldnern ergänzt ſein, die hin und wieder aus
Perſiſchem in Macedoniſchen Dienſt übertraten, und es iſt keine ſichere
Spur dafür vorhanden, daß ſich etwa Contingente Aſiatiſcher Grie-
chen mit dem Macedoniſchen Heere vereinigt hätten. Kalliſthenes
Angaben bei Polyb. XII. 19 bedürfen kaum einer Widerlegung: fünf-
tauſend Mann Fußvolk und achthundert Reuter ſeien neu hinzuge-
kommen; dieſe zu den vierzigtauſend und viertauſendfünfhundert des
Granikus hinzugerechnet, gäbe für die Schlacht am Iſſus fünfundvier-
zigtauſend und fünftauſenddreihundert Mann. Wo blieben dann die
Beſatzungen? auch Polybius rechnet auf dieſe zu wenig, nämlich nur
dreitauſend Mann.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0165" n="151"/>
donien kamen die Neuverheiratheten von ihrem Urlaub zurück, mit<lb/>
ihnen eine bedeutende Zahl Neuangeworbener, namentlich dreitau-<lb/>
&#x017F;end Macedonier zu Fuß und dreihundert zu Pferde, zweihundert<lb/>
The&#x017F;&#x017F;alier zu Pferde und hundertundfunfzig Eleer, &#x017F;o daß Alexan-<lb/>
der trotz der zurückgela&#x017F;&#x017F;enen Be&#x017F;atzungen nicht viel weniger Mann-<lb/>
&#x017F;chaften <note place="foot" n="6)">In Karien waren dreitau&#x017F;end Söldner und zweihundert<lb/>
Pferde, vor Kelänä funfzehnhundert Mann, andere Be&#x017F;atzungen in<lb/>
Side, in Lydien und Kleinphrygien wenig&#x017F;tens im Belauf von drei-<lb/>
tau&#x017F;end Mann zurückgeblieben; die&#x017F;e achttau&#x017F;end Mann möchten doch<lb/>
wohl kaum von den Söldnern ergänzt &#x017F;ein, die hin und wieder aus<lb/>
Per&#x017F;i&#x017F;chem in Macedoni&#x017F;chen Dien&#x017F;t übertraten, und es i&#x017F;t keine &#x017F;ichere<lb/>
Spur dafür vorhanden, daß &#x017F;ich etwa Contingente A&#x017F;iati&#x017F;cher Grie-<lb/>
chen mit dem Macedoni&#x017F;chen Heere vereinigt hätten. Kalli&#x017F;thenes<lb/>
Angaben bei <hi rendition="#aq">Polyb. XII. 19</hi> bedürfen kaum einer Widerlegung: fünf-<lb/>
tau&#x017F;end Mann Fußvolk und achthundert Reuter &#x017F;eien neu hinzuge-<lb/>
kommen; die&#x017F;e zu den vierzigtau&#x017F;end und viertau&#x017F;endfünfhundert des<lb/>
Granikus hinzugerechnet, gäbe für die Schlacht am I&#x017F;&#x017F;us fünfundvier-<lb/>
zigtau&#x017F;end und fünftau&#x017F;enddreihundert Mann. Wo blieben dann die<lb/>
Be&#x017F;atzungen? auch Polybius rechnet auf die&#x017F;e zu wenig, nämlich nur<lb/>
dreitau&#x017F;end Mann.</note> als am Granikus bei&#x017F;ammen hatte. Wie der Gei&#x017F;t<lb/>
die&#x017F;er Truppen war, läßt &#x017F;ich aus dem, was Alexander bereits voll-<lb/>
bracht, und noch mehr aus dem, was er ihnen als den Preis ihrer<lb/>
Kämpfe zeigte, abnehmen; unüberwindlich in dem Stolz der errun-<lb/>
genen Siege und dem Enthu&#x017F;iasmus der kühn&#x017F;ten Hoffnungen, &#x017F;a-<lb/>
hen &#x017F;ie A&#x017F;ien &#x017F;chon als ihre Beute an; &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t, ihr König und<lb/>
die Götter waren ihnen Gewähr für neue Siege.</p><lb/>
          <p>Die Stadt Gordium, berühmt als der uralte Sitz Phrygi-<lb/>
&#x017F;cher Könige, hatte auf ihrer Burg die Pallä&#x017F;te des Gordius und<lb/>
Midas, und den Wagen, an dem Midas ein&#x017F;t erkannt worden<lb/>
war als der von den Göttern zur Herr&#x017F;chaft Phrygiens erkorene;<lb/>
das Joch an die&#x017F;em Wagen war durch einen aus Baumba&#x017F;t ge&#x017F;chürzten<lb/>
Knoten &#x017F;o kün&#x017F;tlich befe&#x017F;tigt, daß man weder de&#x017F;&#x017F;en Anfang noch Ende<lb/>
bemerken konnte; es war aber ein Orakel, daß, wer den Knoten<lb/>&#x017F;ete, A&#x017F;iens Herr&#x017F;chaft erhalten würde. Alexander ließ &#x017F;ich die<lb/>
Burg, den Palla&#x017F;t, den Wagen zeigen, er hörte dies Orakel, er<lb/>
be&#x017F;chloß es zu erfüllen und den Knoten zu lö&#x017F;en; um&#x017F;on&#x017F;t &#x017F;uchte er<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[151/0165] donien kamen die Neuverheiratheten von ihrem Urlaub zurück, mit ihnen eine bedeutende Zahl Neuangeworbener, namentlich dreitau- ſend Macedonier zu Fuß und dreihundert zu Pferde, zweihundert Theſſalier zu Pferde und hundertundfunfzig Eleer, ſo daß Alexan- der trotz der zurückgelaſſenen Beſatzungen nicht viel weniger Mann- ſchaften 6) als am Granikus beiſammen hatte. Wie der Geiſt dieſer Truppen war, läßt ſich aus dem, was Alexander bereits voll- bracht, und noch mehr aus dem, was er ihnen als den Preis ihrer Kämpfe zeigte, abnehmen; unüberwindlich in dem Stolz der errun- genen Siege und dem Enthuſiasmus der kühnſten Hoffnungen, ſa- hen ſie Aſien ſchon als ihre Beute an; ſie ſelbſt, ihr König und die Götter waren ihnen Gewähr für neue Siege. Die Stadt Gordium, berühmt als der uralte Sitz Phrygi- ſcher Könige, hatte auf ihrer Burg die Palläſte des Gordius und Midas, und den Wagen, an dem Midas einſt erkannt worden war als der von den Göttern zur Herrſchaft Phrygiens erkorene; das Joch an dieſem Wagen war durch einen aus Baumbaſt geſchürzten Knoten ſo künſtlich befeſtigt, daß man weder deſſen Anfang noch Ende bemerken konnte; es war aber ein Orakel, daß, wer den Knoten löſete, Aſiens Herrſchaft erhalten würde. Alexander ließ ſich die Burg, den Pallaſt, den Wagen zeigen, er hörte dies Orakel, er beſchloß es zu erfüllen und den Knoten zu löſen; umſonſt ſuchte er 6) In Karien waren dreitauſend Söldner und zweihundert Pferde, vor Kelänä funfzehnhundert Mann, andere Beſatzungen in Side, in Lydien und Kleinphrygien wenigſtens im Belauf von drei- tauſend Mann zurückgeblieben; dieſe achttauſend Mann möchten doch wohl kaum von den Söldnern ergänzt ſein, die hin und wieder aus Perſiſchem in Macedoniſchen Dienſt übertraten, und es iſt keine ſichere Spur dafür vorhanden, daß ſich etwa Contingente Aſiatiſcher Grie- chen mit dem Macedoniſchen Heere vereinigt hätten. Kalliſthenes Angaben bei Polyb. XII. 19 bedürfen kaum einer Widerlegung: fünf- tauſend Mann Fußvolk und achthundert Reuter ſeien neu hinzuge- kommen; dieſe zu den vierzigtauſend und viertauſendfünfhundert des Granikus hinzugerechnet, gäbe für die Schlacht am Iſſus fünfundvier- zigtauſend und fünftauſenddreihundert Mann. Wo blieben dann die Beſatzungen? auch Polybius rechnet auf dieſe zu wenig, nämlich nur dreitauſend Mann.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/165
Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/165>, abgerufen am 25.11.2024.