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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

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Schlacht zu nöthigen; das ganze Geschwader der Perser erschien
auf der Höhe von Milet, aber da die Macedonische Flotte ruhig
im Hafen von Lade blieb, so sandten sie fünf Schiffe dem Hafen
zu, der, zwischen dem Lager und den kleinen Inseln belegen, das
Heer von der Flotte trennte, in der Hoffnung, die Schiffe unbe-
mannt zu überraschen, da es bekannt war, daß sich das Schiffsvolk
in der Regel von den Schiffen zerstreue, um Holz, Vorräthe und
andere Bedürfnisse aufzutreiben. Sobald nun Alexander jene fünf
Schiffe heransteuern sah, ließ er von dem gerade anwesenden Schiffs-
volke zehn Trieren bemannen, in See stechen und auf den Feind
Jagd machen, so daß die Perser schon in der Ferne umkehrten und
zu ihrer Flotte zurückflüchteten; eines von den Schiffen fiel, da es
schlecht segelte, den Macedoniern in die Hände und wurde eingebracht;
es war aus Jassus in Karien. Das Persische Geschwader zog sich,
ohne weitere Versuche gegen Milet, auf die Höhe von Samos
zurück.

Der König hatte sich durch die letzten Vorfälle davon über-
zeugt, daß die Perserflotte auf die Bewegungen seiner Landmacht
nicht nur keinen hindernden Einfluß ausüben, sondern durch eine
hinreichende Besetzung der Küsten so abgeschnitten werden würde,
daß sie sich weder ergänzen und verproviantiren, noch die Bewegun-
gen der Persischen Landmacht begleiten und unterstützen könne.
Offensiv in allem Uebrigen, mußte Alexander sehen, daß seine See-
macht, da sie unmöglich gegen den dreimal stärkeren Feind die See
halten konnte, sich auf die Vertheidigung beschränkte; von großer
Wichtigkeit beim Beginn des Feldzuges und zur Deckung der
ersten Bewegungen des Landheeres, war sie, seit die Persische Macht
in Kleinasien unterlegen, ohne besonderen Nutzen, dagegen der Auf-
wand, den sie verursachte, außerordentlich; hundertsechszig Trieren
forderten zweiunddreißigtausend Mann Matrosen und Schiffssolda-
ten, fast eben so viel Menschen, als das Perserreich über den Hau-
fen stürzen sollten; sie kosteten monatlich mehr als funfzig Talente
Sold, und vielleicht eben so viel für Unterhalt, ohne, wie das Land-
heer, das nicht viel theuerer zu unterhalten war, mit jedem Tage
neue Eroberung und neue Beute zu machen. Dazu kam, daß ge-
rade jetzt Alexanders Kassen erschöpft waren, offenbar weil den rei-
chen Griechischen Städten selbst ihre Abgaben erlassen, und die in-

Schlacht zu nöthigen; das ganze Geſchwader der Perſer erſchien
auf der Höhe von Milet, aber da die Macedoniſche Flotte ruhig
im Hafen von Lade blieb, ſo ſandten ſie fünf Schiffe dem Hafen
zu, der, zwiſchen dem Lager und den kleinen Inſeln belegen, das
Heer von der Flotte trennte, in der Hoffnung, die Schiffe unbe-
mannt zu überraſchen, da es bekannt war, daß ſich das Schiffsvolk
in der Regel von den Schiffen zerſtreue, um Holz, Vorräthe und
andere Bedürfniſſe aufzutreiben. Sobald nun Alexander jene fünf
Schiffe heranſteuern ſah, ließ er von dem gerade anweſenden Schiffs-
volke zehn Trieren bemannen, in See ſtechen und auf den Feind
Jagd machen, ſo daß die Perſer ſchon in der Ferne umkehrten und
zu ihrer Flotte zurückflüchteten; eines von den Schiffen fiel, da es
ſchlecht ſegelte, den Macedoniern in die Hände und wurde eingebracht;
es war aus Jaſſus in Karien. Das Perſiſche Geſchwader zog ſich,
ohne weitere Verſuche gegen Milet, auf die Höhe von Samos
zurück.

Der König hatte ſich durch die letzten Vorfälle davon über-
zeugt, daß die Perſerflotte auf die Bewegungen ſeiner Landmacht
nicht nur keinen hindernden Einfluß ausüben, ſondern durch eine
hinreichende Beſetzung der Küſten ſo abgeſchnitten werden würde,
daß ſie ſich weder ergänzen und verproviantiren, noch die Bewegun-
gen der Perſiſchen Landmacht begleiten und unterſtützen könne.
Offenſiv in allem Uebrigen, mußte Alexander ſehen, daß ſeine See-
macht, da ſie unmöglich gegen den dreimal ſtärkeren Feind die See
halten konnte, ſich auf die Vertheidigung beſchränkte; von großer
Wichtigkeit beim Beginn des Feldzuges und zur Deckung der
erſten Bewegungen des Landheeres, war ſie, ſeit die Perſiſche Macht
in Kleinaſien unterlegen, ohne beſonderen Nutzen, dagegen der Auf-
wand, den ſie verurſachte, außerordentlich; hundertſechszig Trieren
forderten zweiunddreißigtauſend Mann Matroſen und Schiffsſolda-
ten, faſt eben ſo viel Menſchen, als das Perſerreich über den Hau-
fen ſtürzen ſollten; ſie koſteten monatlich mehr als funfzig Talente
Sold, und vielleicht eben ſo viel für Unterhalt, ohne, wie das Land-
heer, das nicht viel theuerer zu unterhalten war, mit jedem Tage
neue Eroberung und neue Beute zu machen. Dazu kam, daß ge-
rade jetzt Alexanders Kaſſen erſchöpft waren, offenbar weil den rei-
chen Griechiſchen Städten ſelbſt ihre Abgaben erlaſſen, und die in-

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[126/0140] Schlacht zu nöthigen; das ganze Geſchwader der Perſer erſchien auf der Höhe von Milet, aber da die Macedoniſche Flotte ruhig im Hafen von Lade blieb, ſo ſandten ſie fünf Schiffe dem Hafen zu, der, zwiſchen dem Lager und den kleinen Inſeln belegen, das Heer von der Flotte trennte, in der Hoffnung, die Schiffe unbe- mannt zu überraſchen, da es bekannt war, daß ſich das Schiffsvolk in der Regel von den Schiffen zerſtreue, um Holz, Vorräthe und andere Bedürfniſſe aufzutreiben. Sobald nun Alexander jene fünf Schiffe heranſteuern ſah, ließ er von dem gerade anweſenden Schiffs- volke zehn Trieren bemannen, in See ſtechen und auf den Feind Jagd machen, ſo daß die Perſer ſchon in der Ferne umkehrten und zu ihrer Flotte zurückflüchteten; eines von den Schiffen fiel, da es ſchlecht ſegelte, den Macedoniern in die Hände und wurde eingebracht; es war aus Jaſſus in Karien. Das Perſiſche Geſchwader zog ſich, ohne weitere Verſuche gegen Milet, auf die Höhe von Samos zurück. Der König hatte ſich durch die letzten Vorfälle davon über- zeugt, daß die Perſerflotte auf die Bewegungen ſeiner Landmacht nicht nur keinen hindernden Einfluß ausüben, ſondern durch eine hinreichende Beſetzung der Küſten ſo abgeſchnitten werden würde, daß ſie ſich weder ergänzen und verproviantiren, noch die Bewegun- gen der Perſiſchen Landmacht begleiten und unterſtützen könne. Offenſiv in allem Uebrigen, mußte Alexander ſehen, daß ſeine See- macht, da ſie unmöglich gegen den dreimal ſtärkeren Feind die See halten konnte, ſich auf die Vertheidigung beſchränkte; von großer Wichtigkeit beim Beginn des Feldzuges und zur Deckung der erſten Bewegungen des Landheeres, war ſie, ſeit die Perſiſche Macht in Kleinaſien unterlegen, ohne beſonderen Nutzen, dagegen der Auf- wand, den ſie verurſachte, außerordentlich; hundertſechszig Trieren forderten zweiunddreißigtauſend Mann Matroſen und Schiffsſolda- ten, faſt eben ſo viel Menſchen, als das Perſerreich über den Hau- fen ſtürzen ſollten; ſie koſteten monatlich mehr als funfzig Talente Sold, und vielleicht eben ſo viel für Unterhalt, ohne, wie das Land- heer, das nicht viel theuerer zu unterhalten war, mit jedem Tage neue Eroberung und neue Beute zu machen. Dazu kam, daß ge- rade jetzt Alexanders Kaſſen erſchöpft waren, offenbar weil den rei- chen Griechiſchen Städten ſelbſt ihre Abgaben erlaſſen, und die in-

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/140>, abgerufen am 29.03.2024.