Uebergang ohne Gefahr bewerkstellige; jetzt dagegen scheine ein Uebergang nicht ohne Gefahr, der Tag neige sich, der Fluß sei an manchen Stellen tief und reißend, das Ufer jenseits steil, man könne nicht in Linie passiren, man müsse colonnenweise durch den Fluß setzen; die feindliche Reuterei werde sie in die Flanke nehmen und niederhauen, ehe sie zum Fechten kämen; der erste Unfall aber sei nicht bloß für den Augenblick empfindlich, sondern für die Ent- scheidung des ganzen Krieges höchst bedenklich 25). Darauf ant- wortete Alexander: "Wohl erkenne ich das, o Parmenion, aber ich würde mich schämen, wenn ich den Hellespont leicht überschritten hätte, und dies kleine Wasser uns abhalten sollte überzusetzen, wie wir sind; auch würde das weder mit dem Ruhme der Macedonier, noch mit meinem Sinn, der Gefahr gegenüber, stimmen; die Per- ser, glaube ich, würden Muth fassen, als könnten sie sich mit Ma- cedoniern messen, weil sie nicht sofort erführen, was sie fürch- ten!" Mit diesen Worten entsandte er Parmenion an den linken Flügel, während er selbst zu den Geschwadern des rechten hinab- sprengte.
An dem Glanze seiner Waffen und an der weißen Feder sei- nes Helmes, an der tiefen Ehrfurcht der um ihn beschäftigten Um- gebung, sahen die Perser jenseits, daß Alexander ihrem linken Flü- gel gegenüber stand, und daß von dorther der Hauptangriff zu er- warten sei; sie eilten den Kern ihrer Reuterei in dichten Reihen ihm gegenüber an das Ufer zu stellen; dort war Memnon mit seinen Söhnen und der Cilicische Satrap Arsames mit der Persi- schen Reuterei; dann folgte in der Schlachtlinie der Phrygische Sa- trap Arsites und der Lydische Spithridates, dann die weiteren Reu- terhaufen des Centrums und die des rechten Flügels unter Rheo- mithres. Eine Zeitlang standen beide Heere schweigend einander gegenüber, voll banger Erwartung der nächsten Zukunft. Dann
schwang
25) Die Erzählung bei Plutarch, daß Alexander, weil der Mo- nat Daesius von den Macedonischen Königen nicht zu Schlachten ge- braucht zu werden pflegte, denselben den zweiten Artemisius genannt habe, beweist wenigstens so viel, daß die Schlacht gegen Ende Mai oder Anfang Juni (Thargelion) vorfiel; cf. Plut. Camill. 19.
Uebergang ohne Gefahr bewerkſtellige; jetzt dagegen ſcheine ein Uebergang nicht ohne Gefahr, der Tag neige ſich, der Fluß ſei an manchen Stellen tief und reißend, das Ufer jenſeits ſteil, man könne nicht in Linie paſſiren, man müſſe colonnenweiſe durch den Fluß ſetzen; die feindliche Reuterei werde ſie in die Flanke nehmen und niederhauen, ehe ſie zum Fechten kämen; der erſte Unfall aber ſei nicht bloß für den Augenblick empfindlich, ſondern für die Ent- ſcheidung des ganzen Krieges höchſt bedenklich 25). Darauf ant- wortete Alexander: „Wohl erkenne ich das, o Parmenion, aber ich würde mich ſchämen, wenn ich den Hellespont leicht überſchritten hätte, und dies kleine Waſſer uns abhalten ſollte überzuſetzen, wie wir ſind; auch würde das weder mit dem Ruhme der Macedonier, noch mit meinem Sinn, der Gefahr gegenüber, ſtimmen; die Per- ſer, glaube ich, würden Muth faſſen, als könnten ſie ſich mit Ma- cedoniern meſſen, weil ſie nicht ſofort erführen, was ſie fürch- ten!“ Mit dieſen Worten entſandte er Parmenion an den linken Flügel, während er ſelbſt zu den Geſchwadern des rechten hinab- ſprengte.
An dem Glanze ſeiner Waffen und an der weißen Feder ſei- nes Helmes, an der tiefen Ehrfurcht der um ihn beſchäftigten Um- gebung, ſahen die Perſer jenſeits, daß Alexander ihrem linken Flü- gel gegenüber ſtand, und daß von dorther der Hauptangriff zu er- warten ſei; ſie eilten den Kern ihrer Reuterei in dichten Reihen ihm gegenüber an das Ufer zu ſtellen; dort war Memnon mit ſeinen Söhnen und der Ciliciſche Satrap Arſames mit der Perſi- ſchen Reuterei; dann folgte in der Schlachtlinie der Phrygiſche Sa- trap Arſites und der Lydiſche Spithridates, dann die weiteren Reu- terhaufen des Centrums und die des rechten Flügels unter Rheo- mithres. Eine Zeitlang ſtanden beide Heere ſchweigend einander gegenüber, voll banger Erwartung der nächſten Zukunft. Dann
ſchwang
25) Die Erzählung bei Plutarch, daß Alexander, weil der Mo- nat Daeſius von den Macedoniſchen Königen nicht zu Schlachten ge- braucht zu werden pflegte, denſelben den zweiten Artemiſius genannt habe, beweiſt wenigſtens ſo viel, daß die Schlacht gegen Ende Mai oder Anfang Juni (Thargelion) vorfiel; cf. Plut. Camill. 19.
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Uebergang ohne Gefahr bewerkſtellige; jetzt dagegen ſcheine ein
Uebergang nicht ohne Gefahr, der Tag neige ſich, der Fluß ſei an
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könne nicht in Linie paſſiren, man müſſe colonnenweiſe durch den
Fluß ſetzen; die feindliche Reuterei werde ſie in die Flanke nehmen
und niederhauen, ehe ſie zum Fechten kämen; der erſte Unfall aber
ſei nicht bloß für den Augenblick empfindlich, ſondern für die Ent-
ſcheidung des ganzen Krieges höchſt bedenklich 25). Darauf ant-
wortete Alexander: „Wohl erkenne ich das, o Parmenion, aber ich
würde mich ſchämen, wenn ich den Hellespont leicht überſchritten
hätte, und dies kleine Waſſer uns abhalten ſollte überzuſetzen, wie
wir ſind; auch würde das weder mit dem Ruhme der Macedonier,
noch mit meinem Sinn, der Gefahr gegenüber, ſtimmen; die Per-
ſer, glaube ich, würden Muth faſſen, als könnten ſie ſich mit Ma-
cedoniern meſſen, weil ſie nicht ſofort erführen, was ſie fürch-
ten!“ Mit dieſen Worten entſandte er Parmenion an den linken
Flügel, während er ſelbſt zu den Geſchwadern des rechten hinab-
ſprengte.
An dem Glanze ſeiner Waffen und an der weißen Feder ſei-
nes Helmes, an der tiefen Ehrfurcht der um ihn beſchäftigten Um-
gebung, ſahen die Perſer jenſeits, daß Alexander ihrem linken Flü-
gel gegenüber ſtand, und daß von dorther der Hauptangriff zu er-
warten ſei; ſie eilten den Kern ihrer Reuterei in dichten Reihen
ihm gegenüber an das Ufer zu ſtellen; dort war Memnon mit
ſeinen Söhnen und der Ciliciſche Satrap Arſames mit der Perſi-
ſchen Reuterei; dann folgte in der Schlachtlinie der Phrygiſche Sa-
trap Arſites und der Lydiſche Spithridates, dann die weiteren Reu-
terhaufen des Centrums und die des rechten Flügels unter Rheo-
mithres. Eine Zeitlang ſtanden beide Heere ſchweigend einander
gegenüber, voll banger Erwartung der nächſten Zukunft. Dann
ſchwang
25) Die Erzählung bei Plutarch, daß Alexander, weil der Mo-
nat Daeſius von den Macedoniſchen Königen nicht zu Schlachten ge-
braucht zu werden pflegte, denſelben den zweiten Artemiſius genannt
habe, beweiſt wenigſtens ſo viel, daß die Schlacht gegen Ende Mai
oder Anfang Juni (Thargelion) vorfiel; cf. Plut. Camill. 19.
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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/126>, abgerufen am 24.11.2024.
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