Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860.Mutassin. Einst vor dem Thron Mutassin des Kaliphen In Fesseln klirrend ein Verbrecher stand, Dem, als vom Trunk betäubt die Wachen schliefen, Des Herrschers eigne Hand den Dolch entwandt; Schon traf die läss'gen Söldner das Gericht, Wie es sie traf, die Sage kündet's nicht, Nur dieses sagt sie, daß an jenem Tag Ein schaudernd Schweigen über Bagdad lag, Und daß, als man den Hochverräther führte Zum Spruch, im Saal sich keine Wimper rührte, Und daß des Herrschers Blick, zum Grund gewandt, Die Blumen aus dem Teppich schier gebrannt. Am Throne stand ein Becher mit Scherbet, Den Gaumen des Kaliphen dörrten Gluthen, Er fühlte seine Menschlichkeit verbluten Am Dolche der bedrohten Majestät. Wer gibt ihm seiner Nächte Schlaf zurück? Wer seinen Muth zum Schaffen und zum Lieben, Wer das Vertrauen auf sein altes Glück? Das Alles stand in seinem Blick geschrieben. Mutaſſin. Einſt vor dem Thron Mutaſſin des Kaliphen In Feſſeln klirrend ein Verbrecher ſtand, Dem, als vom Trunk betäubt die Wachen ſchliefen, Des Herrſchers eigne Hand den Dolch entwandt; Schon traf die läſſ’gen Söldner das Gericht, Wie es ſie traf, die Sage kündet’s nicht, Nur dieſes ſagt ſie, daß an jenem Tag Ein ſchaudernd Schweigen über Bagdad lag, Und daß, als man den Hochverräther führte Zum Spruch, im Saal ſich keine Wimper rührte, Und daß des Herrſchers Blick, zum Grund gewandt, Die Blumen aus dem Teppich ſchier gebrannt. Am Throne ſtand ein Becher mit Scherbet, Den Gaumen des Kaliphen dörrten Gluthen, Er fühlte ſeine Menſchlichkeit verbluten Am Dolche der bedrohten Majeſtät. Wer gibt ihm ſeiner Nächte Schlaf zurück? Wer ſeinen Muth zum Schaffen und zum Lieben, Wer das Vertrauen auf ſein altes Glück? Das Alles ſtand in ſeinem Blick geſchrieben. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0085" n="69"/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Mutaſſin</hi>.</hi> </head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">E</hi>inſt vor dem Thron Mutaſſin des Kaliphen</l><lb/> <l>In Feſſeln klirrend ein Verbrecher ſtand,</l><lb/> <l>Dem, als vom Trunk betäubt die Wachen ſchliefen,</l><lb/> <l>Des Herrſchers eigne Hand den Dolch entwandt;</l><lb/> <l>Schon traf die läſſ’gen Söldner das Gericht,</l><lb/> <l>Wie es ſie traf, die Sage kündet’s nicht,</l><lb/> <l>Nur dieſes ſagt ſie, daß an jenem Tag</l><lb/> <l>Ein ſchaudernd Schweigen über Bagdad lag,</l><lb/> <l>Und daß, als man den Hochverräther führte</l><lb/> <l>Zum Spruch, im Saal ſich keine Wimper rührte,</l><lb/> <l>Und daß des Herrſchers Blick, zum Grund gewandt,</l><lb/> <l>Die Blumen aus dem Teppich ſchier gebrannt.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Am Throne ſtand ein Becher mit Scherbet,</l><lb/> <l>Den Gaumen des Kaliphen dörrten Gluthen,</l><lb/> <l>Er fühlte ſeine Menſchlichkeit verbluten</l><lb/> <l>Am Dolche der bedrohten Majeſtät.</l><lb/> <l>Wer gibt ihm ſeiner Nächte Schlaf zurück?</l><lb/> <l>Wer ſeinen Muth zum Schaffen und zum Lieben,</l><lb/> <l>Wer das Vertrauen auf ſein altes Glück?</l><lb/> <l>Das Alles ſtand in ſeinem Blick geſchrieben.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [69/0085]
Mutaſſin.
Einſt vor dem Thron Mutaſſin des Kaliphen
In Feſſeln klirrend ein Verbrecher ſtand,
Dem, als vom Trunk betäubt die Wachen ſchliefen,
Des Herrſchers eigne Hand den Dolch entwandt;
Schon traf die läſſ’gen Söldner das Gericht,
Wie es ſie traf, die Sage kündet’s nicht,
Nur dieſes ſagt ſie, daß an jenem Tag
Ein ſchaudernd Schweigen über Bagdad lag,
Und daß, als man den Hochverräther führte
Zum Spruch, im Saal ſich keine Wimper rührte,
Und daß des Herrſchers Blick, zum Grund gewandt,
Die Blumen aus dem Teppich ſchier gebrannt.
Am Throne ſtand ein Becher mit Scherbet,
Den Gaumen des Kaliphen dörrten Gluthen,
Er fühlte ſeine Menſchlichkeit verbluten
Am Dolche der bedrohten Majeſtät.
Wer gibt ihm ſeiner Nächte Schlaf zurück?
Wer ſeinen Muth zum Schaffen und zum Lieben,
Wer das Vertrauen auf ſein altes Glück?
Das Alles ſtand in ſeinem Blick geſchrieben.
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