Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860.Nun steht er an dem Baume, Lugt unter'm Zelt hinaus, Wie riecht er so behaglich An seinem Veilchenstraus. Nun sucht er an der Rinde, Er wandelt um und um, Und lächelt ganz verstohlen Und blickt verschüchtert um. Dort schau' ich tiefe Risse Und dachte, Frostesspalt; Doch wären's Namenszüge, Dann sind sie adamsalt; Nun schlägt er einen Nagel, Er hängt sein Ränzchen auf, Mich dünkt, ich seh' erröthen Ihn an die Stirn hinauf. O könntest du mich ahnen, Mein grauer Lysias, In deinem ganzen Leben Wärst du nicht wieder blaß. Doch wer dein spotten könnte, Du Herz voll Kindessinn, Das wär gewiß kein Mädchen Und keine Dichterin. Nun ſteht er an dem Baume, Lugt unter’m Zelt hinaus, Wie riecht er ſo behaglich An ſeinem Veilchenſtraus. Nun ſucht er an der Rinde, Er wandelt um und um, Und lächelt ganz verſtohlen Und blickt verſchüchtert um. Dort ſchau’ ich tiefe Riſſe Und dachte, Froſtesſpalt; Doch wären’s Namenszüge, Dann ſind ſie adamsalt; Nun ſchlägt er einen Nagel, Er hängt ſein Ränzchen auf, Mich dünkt, ich ſeh’ erröthen Ihn an die Stirn hinauf. O könnteſt du mich ahnen, Mein grauer Lyſias, In deinem ganzen Leben Wärſt du nicht wieder blaß. Doch wer dein ſpotten könnte, Du Herz voll Kindesſinn, Das wär gewiß kein Mädchen Und keine Dichterin. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0056" n="40"/> <lg n="12"> <l>Nun ſteht er an dem Baume,</l><lb/> <l>Lugt unter’m Zelt hinaus,</l><lb/> <l>Wie riecht er ſo behaglich</l><lb/> <l>An ſeinem Veilchenſtraus.</l><lb/> <l>Nun ſucht er an der Rinde,</l><lb/> <l>Er wandelt um und um,</l><lb/> <l>Und lächelt ganz verſtohlen</l><lb/> <l>Und blickt verſchüchtert um.</l> </lg><lb/> <lg n="13"> <l>Dort ſchau’ ich tiefe Riſſe</l><lb/> <l>Und dachte, Froſtesſpalt;</l><lb/> <l>Doch wären’s Namenszüge,</l><lb/> <l>Dann ſind ſie adamsalt;</l><lb/> <l>Nun ſchlägt er einen Nagel,</l><lb/> <l>Er hängt ſein Ränzchen auf,</l><lb/> <l>Mich dünkt, ich ſeh’ erröthen</l><lb/> <l>Ihn an die Stirn hinauf.</l> </lg><lb/> <lg n="14"> <l>O könnteſt du mich ahnen,</l><lb/> <l>Mein grauer Lyſias,</l><lb/> <l>In deinem ganzen Leben</l><lb/> <l>Wärſt du nicht wieder blaß.</l><lb/> <l>Doch wer dein ſpotten könnte,</l><lb/> <l>Du Herz voll Kindesſinn,</l><lb/> <l>Das wär gewiß kein Mädchen</l><lb/> <l>Und keine Dichterin.</l> </lg> </lg> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [40/0056]
Nun ſteht er an dem Baume,
Lugt unter’m Zelt hinaus,
Wie riecht er ſo behaglich
An ſeinem Veilchenſtraus.
Nun ſucht er an der Rinde,
Er wandelt um und um,
Und lächelt ganz verſtohlen
Und blickt verſchüchtert um.
Dort ſchau’ ich tiefe Riſſe
Und dachte, Froſtesſpalt;
Doch wären’s Namenszüge,
Dann ſind ſie adamsalt;
Nun ſchlägt er einen Nagel,
Er hängt ſein Ränzchen auf,
Mich dünkt, ich ſeh’ erröthen
Ihn an die Stirn hinauf.
O könnteſt du mich ahnen,
Mein grauer Lyſias,
In deinem ganzen Leben
Wärſt du nicht wieder blaß.
Doch wer dein ſpotten könnte,
Du Herz voll Kindesſinn,
Das wär gewiß kein Mädchen
Und keine Dichterin.
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