Münsterländers geben könnten, müssen wir dahin gestellt sein lassen, bezweifeln es aber; jetzt mindestens sind sie sich in den Zügen, die man als die natio- nalsten Beider anzusehen pflegt, fast feindlich ent- gegengesetzt, und verachten sich auch gegenseitig, wie es Nachbarn zukömmt. Wir haben schon früher von dem überaus friedlichen Eindrucke eines Mün- sterischen Gehöftes gesprochen. -- In den Sommer- monaten, wo das Vieh im Felde ist, vernimmst du keinen Laut, außer dem Bellen des sich an seiner Kette abzappelnden Hofhundes, und, wenn du dicht an der offenen Hausthür herschreitest, dem leisen Zirpen der in den Mauernesseln aus- und einschlüpfenden Küchlein und dem gemessenen Pendelschwung der Uhr, mit dessen Gewichten ein paar junge Kätzchen spielen; -- die im Garten jätenden Frauen sitzen so still gekauert, daß du sie nicht ahndest, wenn ein zufälliger Blick über den Hagen sie dir nicht verräth und die schönen schwermüthigen Volksbal- laden, an denen diese Gegend überreich ist, hörst du etwa nur auf einer nächtlichen Wanderung durch das Schnurren der Spinnräder, wenn die blöden Mädchen sich vor jedem Ohre gesichert glauben. -- Auch auf dem Felde kannst du im Gefühl der tiefsten Einsamkeit gelassen fortträumen, bis ein zufälliges Räuspern oder das Schnauben eines Pferdes dir verräth, daß der Schatten, in den du soeben trittst,
Münſterländers geben könnten, müſſen wir dahin geſtellt ſein laſſen, bezweifeln es aber; jetzt mindeſtens ſind ſie ſich in den Zügen, die man als die natio- nalſten Beider anzuſehen pflegt, faſt feindlich ent- gegengeſetzt, und verachten ſich auch gegenſeitig, wie es Nachbarn zukömmt. Wir haben ſchon früher von dem überaus friedlichen Eindrucke eines Mün- ſteriſchen Gehöftes geſprochen. — In den Sommer- monaten, wo das Vieh im Felde iſt, vernimmſt du keinen Laut, außer dem Bellen des ſich an ſeiner Kette abzappelnden Hofhundes, und, wenn du dicht an der offenen Hausthür herſchreiteſt, dem leiſen Zirpen der in den Mauerneſſeln aus- und einſchlüpfenden Küchlein und dem gemeſſenen Pendelſchwung der Uhr, mit deſſen Gewichten ein paar junge Kätzchen ſpielen; — die im Garten jätenden Frauen ſitzen ſo ſtill gekauert, daß du ſie nicht ahndeſt, wenn ein zufälliger Blick über den Hagen ſie dir nicht verräth und die ſchönen ſchwermüthigen Volksbal- laden, an denen dieſe Gegend überreich iſt, hörſt du etwa nur auf einer nächtlichen Wanderung durch das Schnurren der Spinnräder, wenn die blöden Mädchen ſich vor jedem Ohre geſichert glauben. — Auch auf dem Felde kannſt du im Gefühl der tiefſten Einſamkeit gelaſſen fortträumen, bis ein zufälliges Räuspern oder das Schnauben eines Pferdes dir verräth, daß der Schatten, in den du ſoeben trittſt,
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Münſterländers geben könnten, müſſen wir dahin
geſtellt ſein laſſen, bezweifeln es aber; jetzt mindeſtens
ſind ſie ſich in den Zügen, die man als die natio-
nalſten Beider anzuſehen pflegt, faſt feindlich ent-
gegengeſetzt, und verachten ſich auch gegenſeitig, wie
es Nachbarn zukömmt. Wir haben ſchon früher
von dem überaus friedlichen Eindrucke eines Mün-
ſteriſchen Gehöftes geſprochen. — In den Sommer-
monaten, wo das Vieh im Felde iſt, vernimmſt du
keinen Laut, außer dem Bellen des ſich an ſeiner
Kette abzappelnden Hofhundes, und, wenn du dicht
an der offenen Hausthür herſchreiteſt, dem leiſen Zirpen
der in den Mauerneſſeln aus- und einſchlüpfenden
Küchlein und dem gemeſſenen Pendelſchwung der
Uhr, mit deſſen Gewichten ein paar junge Kätzchen
ſpielen; — die im Garten jätenden Frauen ſitzen
ſo ſtill gekauert, daß du ſie nicht ahndeſt, wenn
ein zufälliger Blick über den Hagen ſie dir nicht
verräth und die ſchönen ſchwermüthigen Volksbal-
laden, an denen dieſe Gegend überreich iſt, hörſt du
etwa nur auf einer nächtlichen Wanderung durch
das Schnurren der Spinnräder, wenn die blöden
Mädchen ſich vor jedem Ohre geſichert glauben. —
Auch auf dem Felde kannſt du im Gefühl der tiefſten
Einſamkeit gelaſſen fortträumen, bis ein zufälliges
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schü… [mehr]
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schücking aus dem Nachlass Annette von Droste-Hülshoffs herausgegeben, enthalten mehrere Texte, die zum Teil zu Lebzeiten der Autorin bereits andernorts veröffentlicht worden waren. Beispielsweise erschien Droste-Hülshoffs Novelle "Die Judenbuche" zuerst 1842 im "Morgenblatt für gebildete Leser"; die "Westfälischen Schilderungen" erschienen 1845 in den "Historisch-politischen Blättern für das katholische Deutschland". Einzelne Gedichte sind in Journalen und Jahrbüchern erschienen, andere wurden aus dem Nachlass erstmals in der hier digitalisierten Edition von Levin Schücking veröffentlicht (z.B. die Gedichte "Der Nachtwanderer", "Doppeltgänger" und "Halt fest!"). In den meisten Fällen handelt es sich somit nicht um Erstveröffentlichungen der Texte, wohl aber um die erste Publikation in Buchform, weshalb die Nachlassedition für das DTA herangezogen wurde.
Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/293>, abgerufen am 24.11.2024.
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