Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860.

Bild:
<< vorherige Seite

in den Laden geht ohne die nöthigen blanken Thaler
in der Hand, und noch seltener durch Putzsucht
das richtige Verhältniß zwischen der Kleidung und
dem ungeschnittenen Leinen und anderen häuslichen
Schätzen gestört wird. -- Der Hausstand in den,
zumeist vereinzelt liegenden Bauernhöfen ist groß
und in jedem Betracht reichlich, aber durchaus
bäurisch. -- Das lange Gebäude von Ziegelsteinen,
mit tief niederragendem Dache, und von der Tenne
durchschnitten, an der zu beiden Seiten eine lange
Reihe Hornvieh, ostfriesischer Race, mit seinen Ketten
klirrt, -- die große Küche, hell und sauber, mit
gewaltigem Kamine, unter dem sich das ganze Haus-
personal bergen kann; das viele zur Schau gestellte
blanke Geschirr und die absichtlich an den Wänden
der Fremdenstube aufgethürmten Flachsvorräthe er-
innern ebenfalls an Holland, dem sich überhaupt
diese Provinz, was Wohlstand und Lebensweise be-
trifft, bedeutend nähert, obwohl Abgeschlossenheit
und gänzlich auf den inneren Verkehr beschränktes
Wirken ihre Bevölkerung von all den sittlichen Ein-
flüssen, denen handelnde Nationen nicht entgehen
können, so frei gehalten haben, wie kaum einen
anderen Landstrich. Ob starke Reibungen mit der
Außenwelt dem Münsterländer den Muth und die
Betriebsamkeit des Batavers, -- ein patriarchalisches
Leben diesem die Sitteneinfalt und Milde des

in den Laden geht ohne die nöthigen blanken Thaler
in der Hand, und noch ſeltener durch Putzſucht
das richtige Verhältniß zwiſchen der Kleidung und
dem ungeſchnittenen Leinen und anderen häuslichen
Schätzen geſtört wird. — Der Hausſtand in den,
zumeiſt vereinzelt liegenden Bauernhöfen iſt groß
und in jedem Betracht reichlich, aber durchaus
bäuriſch. — Das lange Gebäude von Ziegelſteinen,
mit tief niederragendem Dache, und von der Tenne
durchſchnitten, an der zu beiden Seiten eine lange
Reihe Hornvieh, oſtfrieſiſcher Race, mit ſeinen Ketten
klirrt, — die große Küche, hell und ſauber, mit
gewaltigem Kamine, unter dem ſich das ganze Haus-
perſonal bergen kann; das viele zur Schau geſtellte
blanke Geſchirr und die abſichtlich an den Wänden
der Fremdenſtube aufgethürmten Flachsvorräthe er-
innern ebenfalls an Holland, dem ſich überhaupt
dieſe Provinz, was Wohlſtand und Lebensweiſe be-
trifft, bedeutend nähert, obwohl Abgeſchloſſenheit
und gänzlich auf den inneren Verkehr beſchränktes
Wirken ihre Bevölkerung von all den ſittlichen Ein-
flüſſen, denen handelnde Nationen nicht entgehen
können, ſo frei gehalten haben, wie kaum einen
anderen Landſtrich. Ob ſtarke Reibungen mit der
Außenwelt dem Münſterländer den Muth und die
Betriebſamkeit des Batavers, — ein patriarchaliſches
Leben dieſem die Sitteneinfalt und Milde des

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0292" n="276"/>
in den Laden geht ohne die nöthigen blanken Thaler<lb/>
in der Hand, und noch &#x017F;eltener durch Putz&#x017F;ucht<lb/>
das richtige Verhältniß zwi&#x017F;chen der Kleidung und<lb/>
dem unge&#x017F;chnittenen Leinen und anderen häuslichen<lb/>
Schätzen ge&#x017F;tört wird. &#x2014; Der Haus&#x017F;tand in den,<lb/>
zumei&#x017F;t vereinzelt liegenden Bauernhöfen i&#x017F;t groß<lb/>
und in jedem Betracht reichlich, aber durchaus<lb/>
bäuri&#x017F;ch. &#x2014; Das lange Gebäude von Ziegel&#x017F;teinen,<lb/>
mit tief niederragendem Dache, und von der Tenne<lb/>
durch&#x017F;chnitten, an der zu beiden Seiten eine lange<lb/>
Reihe Hornvieh, o&#x017F;tfrie&#x017F;i&#x017F;cher Race, mit &#x017F;einen Ketten<lb/>
klirrt, &#x2014; die große Küche, hell und &#x017F;auber, mit<lb/>
gewaltigem Kamine, unter dem &#x017F;ich das ganze Haus-<lb/>
per&#x017F;onal bergen kann; das viele zur Schau ge&#x017F;tellte<lb/>
blanke Ge&#x017F;chirr und die ab&#x017F;ichtlich an den Wänden<lb/>
der Fremden&#x017F;tube aufgethürmten Flachsvorräthe er-<lb/>
innern ebenfalls an Holland, dem &#x017F;ich überhaupt<lb/>
die&#x017F;e Provinz, was Wohl&#x017F;tand und Lebenswei&#x017F;e be-<lb/>
trifft, bedeutend nähert, obwohl Abge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enheit<lb/>
und gänzlich auf den inneren Verkehr be&#x017F;chränktes<lb/>
Wirken ihre Bevölkerung von all den &#x017F;ittlichen Ein-<lb/>
flü&#x017F;&#x017F;en, denen handelnde Nationen nicht entgehen<lb/>
können, &#x017F;o frei gehalten haben, wie kaum einen<lb/>
anderen Land&#x017F;trich. Ob &#x017F;tarke Reibungen mit der<lb/>
Außenwelt dem Mün&#x017F;terländer den Muth und die<lb/>
Betrieb&#x017F;amkeit des Batavers, &#x2014; ein patriarchali&#x017F;ches<lb/>
Leben die&#x017F;em die Sitteneinfalt und Milde des<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[276/0292] in den Laden geht ohne die nöthigen blanken Thaler in der Hand, und noch ſeltener durch Putzſucht das richtige Verhältniß zwiſchen der Kleidung und dem ungeſchnittenen Leinen und anderen häuslichen Schätzen geſtört wird. — Der Hausſtand in den, zumeiſt vereinzelt liegenden Bauernhöfen iſt groß und in jedem Betracht reichlich, aber durchaus bäuriſch. — Das lange Gebäude von Ziegelſteinen, mit tief niederragendem Dache, und von der Tenne durchſchnitten, an der zu beiden Seiten eine lange Reihe Hornvieh, oſtfrieſiſcher Race, mit ſeinen Ketten klirrt, — die große Küche, hell und ſauber, mit gewaltigem Kamine, unter dem ſich das ganze Haus- perſonal bergen kann; das viele zur Schau geſtellte blanke Geſchirr und die abſichtlich an den Wänden der Fremdenſtube aufgethürmten Flachsvorräthe er- innern ebenfalls an Holland, dem ſich überhaupt dieſe Provinz, was Wohlſtand und Lebensweiſe be- trifft, bedeutend nähert, obwohl Abgeſchloſſenheit und gänzlich auf den inneren Verkehr beſchränktes Wirken ihre Bevölkerung von all den ſittlichen Ein- flüſſen, denen handelnde Nationen nicht entgehen können, ſo frei gehalten haben, wie kaum einen anderen Landſtrich. Ob ſtarke Reibungen mit der Außenwelt dem Münſterländer den Muth und die Betriebſamkeit des Batavers, — ein patriarchaliſches Leben dieſem die Sitteneinfalt und Milde des

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schü… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/292
Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/292>, abgerufen am 28.11.2024.