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Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860.

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lichkeit der, wie wir uns durch den Augenschein
überzeugen mußten, völlig geschlossenen Wundstelle
andeuteten; und seitdem habe ich den schönen Araber
manches mal frisch und feurig, wie zuvor, mit
seinem Reiter durchs Feld stolziren sehen. -- Der-
gleichen und Aehnliches fällt oft vor und hierbei
ist die Annäherung des Besprechers oder seines
Mittels an den zu besprechenden Gegenstand immer
so gering (in manchen Fällen, wie dem eben ge-
nannten, fällt sie gänzlich fort), daß eine Erklärung
durch natürlich wirkende Essenzen hier keine Statt
haben kann, so wie die vielbesprochene Macht der
Phantasie bei Thieren, Kräutern und selbst Gestein
wegfallen muß, und dem Erklärer wohl nur die
Kraft des menschlichen Glaubens, die magnetische
Gewalt eines festen Willens über die Natur als
letztes Auskunftsmittel bleiben dürfte. -- Folgenden
Vorfall haben wir aus dem Munde eines glaub-
würdigen Augenzeugen: In dem Garten eines
Edelhofes hatte die grüne Kohlraupe dermaßen
überhand genommen, daß der Besitzer, obwohl
Protestant, in seinem Ueberdrusse endlich zum Be-
sprecher schickte. -- Dieser fand sich alsbald ein,
umschritt die Gemüsefelder, leise vor sich hinmur-
melnd, wobei er mit seinem Stäbchen hier und
dort einen Kohlkopf berührte. Nun stand un-
mittelbar am Garten ein Stallgebäude, an dessen

lichkeit der, wie wir uns durch den Augenſchein
überzeugen mußten, völlig geſchloſſenen Wundſtelle
andeuteten; und ſeitdem habe ich den ſchönen Araber
manches mal friſch und feurig, wie zuvor, mit
ſeinem Reiter durchs Feld ſtolziren ſehen. — Der-
gleichen und Aehnliches fällt oft vor und hierbei
iſt die Annäherung des Beſprechers oder ſeines
Mittels an den zu beſprechenden Gegenſtand immer
ſo gering (in manchen Fällen, wie dem eben ge-
nannten, fällt ſie gänzlich fort), daß eine Erklärung
durch natürlich wirkende Eſſenzen hier keine Statt
haben kann, ſo wie die vielbeſprochene Macht der
Phantaſie bei Thieren, Kräutern und ſelbſt Geſtein
wegfallen muß, und dem Erklärer wohl nur die
Kraft des menſchlichen Glaubens, die magnetiſche
Gewalt eines feſten Willens über die Natur als
letztes Auskunftsmittel bleiben dürfte. — Folgenden
Vorfall haben wir aus dem Munde eines glaub-
würdigen Augenzeugen: In dem Garten eines
Edelhofes hatte die grüne Kohlraupe dermaßen
überhand genommen, daß der Beſitzer, obwohl
Proteſtant, in ſeinem Ueberdruſſe endlich zum Be-
ſprecher ſchickte. — Dieſer fand ſich alsbald ein,
umſchritt die Gemüſefelder, leiſe vor ſich hinmur-
melnd, wobei er mit ſeinem Stäbchen hier und
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[264/0280] lichkeit der, wie wir uns durch den Augenſchein überzeugen mußten, völlig geſchloſſenen Wundſtelle andeuteten; und ſeitdem habe ich den ſchönen Araber manches mal friſch und feurig, wie zuvor, mit ſeinem Reiter durchs Feld ſtolziren ſehen. — Der- gleichen und Aehnliches fällt oft vor und hierbei iſt die Annäherung des Beſprechers oder ſeines Mittels an den zu beſprechenden Gegenſtand immer ſo gering (in manchen Fällen, wie dem eben ge- nannten, fällt ſie gänzlich fort), daß eine Erklärung durch natürlich wirkende Eſſenzen hier keine Statt haben kann, ſo wie die vielbeſprochene Macht der Phantaſie bei Thieren, Kräutern und ſelbſt Geſtein wegfallen muß, und dem Erklärer wohl nur die Kraft des menſchlichen Glaubens, die magnetiſche Gewalt eines feſten Willens über die Natur als letztes Auskunftsmittel bleiben dürfte. — Folgenden Vorfall haben wir aus dem Munde eines glaub- würdigen Augenzeugen: In dem Garten eines Edelhofes hatte die grüne Kohlraupe dermaßen überhand genommen, daß der Beſitzer, obwohl Proteſtant, in ſeinem Ueberdruſſe endlich zum Be- ſprecher ſchickte. — Dieſer fand ſich alsbald ein, umſchritt die Gemüſefelder, leiſe vor ſich hinmur- melnd, wobei er mit ſeinem Stäbchen hier und dort einen Kohlkopf berührte. Nun ſtand un- mittelbar am Garten ein Stallgebäude, an deſſen

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Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/280>, abgerufen am 25.11.2024.