leeren Strohes zu sehen. Ferner: ein prächtiger Schimmel, arabischer Race, und überaus feurig, war, zu einem übermäßigen Sprunge gespornt, ge- stürzt und hatte sich die Zunge dicht an der Wurzel durchgebissen. -- Da das Schlagen des wüthenden Thieres es in den ersten Tagen unmöglich machte, der Wunde beizukommen, war der Brand hinzu- getreten, und ein sehr geschickter Arzt erklärte das schöne Pferd für rettungslos verloren. -- Jetzt ward zur "Waffensalbe" geschritten, keinem Arznei- mittel, wie man wahrscheinlich glauben wird, son- dern einem geheimnißvollen, mir unbekannt geblie- benen, Gebrauch, zu dessen Behuf dem mehrere Stunden entfernten Besprecher nur ein von dem Blut des Thieres beflecktes Tuch gesandt wurde. -- Man kann sich denken, welches Vertrauen ich in dieses Mittel setzte! Am nächsten Tage wurde das Thier jedoch so ruhig, daß ich dieses als ein Zeichen seiner nahenden Auflösung ansah; -- am folgenden Morgen richtete es sich auf, zerbiß und verschluckte, obwohl etwas mühsam, einige Brodscheiben ohne Rinde, -- am dritten Morgen sahen wir zu unserm Erstaunen, daß es sich über das in der Raufe be- findliche Futter hergemacht, und einen Theil des- selben bereits verzehrt hatte, während nur ein be- hutsames Auswählen der weicheren Halme und ein leises Zucken um Lippen und Nüstern die Empfind-
leeren Strohes zu ſehen. Ferner: ein prächtiger Schimmel, arabiſcher Race, und überaus feurig, war, zu einem übermäßigen Sprunge geſpornt, ge- ſtürzt und hatte ſich die Zunge dicht an der Wurzel durchgebiſſen. — Da das Schlagen des wüthenden Thieres es in den erſten Tagen unmöglich machte, der Wunde beizukommen, war der Brand hinzu- getreten, und ein ſehr geſchickter Arzt erklärte das ſchöne Pferd für rettungslos verloren. — Jetzt ward zur „Waffenſalbe“ geſchritten, keinem Arznei- mittel, wie man wahrſcheinlich glauben wird, ſon- dern einem geheimnißvollen, mir unbekannt geblie- benen, Gebrauch, zu deſſen Behuf dem mehrere Stunden entfernten Beſprecher nur ein von dem Blut des Thieres beflecktes Tuch geſandt wurde. — Man kann ſich denken, welches Vertrauen ich in dieſes Mittel ſetzte! Am nächſten Tage wurde das Thier jedoch ſo ruhig, daß ich dieſes als ein Zeichen ſeiner nahenden Auflöſung anſah; — am folgenden Morgen richtete es ſich auf, zerbiß und verſchluckte, obwohl etwas mühſam, einige Brodſcheiben ohne Rinde, — am dritten Morgen ſahen wir zu unſerm Erſtaunen, daß es ſich über das in der Raufe be- findliche Futter hergemacht, und einen Theil des- ſelben bereits verzehrt hatte, während nur ein be- hutſames Auswählen der weicheren Halme und ein leiſes Zucken um Lippen und Nüſtern die Empfind-
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leeren Strohes zu ſehen. Ferner: ein prächtiger
Schimmel, arabiſcher Race, und überaus feurig,
war, zu einem übermäßigen Sprunge geſpornt, ge-
ſtürzt und hatte ſich die Zunge dicht an der Wurzel
durchgebiſſen. — Da das Schlagen des wüthenden
Thieres es in den erſten Tagen unmöglich machte,
der Wunde beizukommen, war der Brand hinzu-
getreten, und ein ſehr geſchickter Arzt erklärte das
ſchöne Pferd für rettungslos verloren. — Jetzt
ward zur „Waffenſalbe“ geſchritten, keinem Arznei-
mittel, wie man wahrſcheinlich glauben wird, ſon-
dern einem geheimnißvollen, mir unbekannt geblie-
benen, Gebrauch, zu deſſen Behuf dem mehrere
Stunden entfernten Beſprecher nur ein von dem
Blut des Thieres beflecktes Tuch geſandt wurde. —
Man kann ſich denken, welches Vertrauen ich in
dieſes Mittel ſetzte! Am nächſten Tage wurde das
Thier jedoch ſo ruhig, daß ich dieſes als ein Zeichen
ſeiner nahenden Auflöſung anſah; — am folgenden
Morgen richtete es ſich auf, zerbiß und verſchluckte,
obwohl etwas mühſam, einige Brodſcheiben ohne
Rinde, — am dritten Morgen ſahen wir zu unſerm
Erſtaunen, daß es ſich über das in der Raufe be-
findliche Futter hergemacht, und einen Theil des-
ſelben bereits verzehrt hatte, während nur ein be-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schü… [mehr]
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schücking aus dem Nachlass Annette von Droste-Hülshoffs herausgegeben, enthalten mehrere Texte, die zum Teil zu Lebzeiten der Autorin bereits andernorts veröffentlicht worden waren. Beispielsweise erschien Droste-Hülshoffs Novelle "Die Judenbuche" zuerst 1842 im "Morgenblatt für gebildete Leser"; die "Westfälischen Schilderungen" erschienen 1845 in den "Historisch-politischen Blättern für das katholische Deutschland". Einzelne Gedichte sind in Journalen und Jahrbüchern erschienen, andere wurden aus dem Nachlass erstmals in der hier digitalisierten Edition von Levin Schücking veröffentlicht (z.B. die Gedichte "Der Nachtwanderer", "Doppeltgänger" und "Halt fest!"). In den meisten Fällen handelt es sich somit nicht um Erstveröffentlichungen der Texte, wohl aber um die erste Publikation in Buchform, weshalb die Nachlassedition für das DTA herangezogen wurde.
Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/279>, abgerufen am 25.11.2024.
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