noch seinem Naturrecht gern als einen Erbfeind oder Usurpator des eigentlich ihm zuständigen Bodens betrachtet, dem ein ächtes Landeskind nur aus List, um der guten Sache willen, schmeichle, und übri- gens Abbruch thun müsse, wo es immer könne. -- Noch empörender scheinen ihm die Forst- und Jagdgesetze, da ja "unser Herrgott das Holz von selbst wachsen läßt, und das Wild aus einem Lande in das andere wechselt." Mit diesem Spruche im Munde glaubt der Frierende sich völlig berechtigt, jeden Förster, der ihn in flagranti überrascht, mit Schnupftaback zu blenden, und wie er kann mit ihm fertig zu werden. -- Die Gutsbesitzer sind deshalb zu einem erschöpfenden Aufwande an Forst- beamten gezwungen, die den ganzen Tag und manche Nacht durchpatrouilliren, und doch die massivsten Forstfrevel, z. B. das Niederschlagen ganzer Wald- strecken in einer Nacht, nicht immer verhindern können. -- Hier scheitern alle Anstrengungen der sehr ehrenwerthen Geistlichkeit, und selbst die Ver- sagung der Absolution im Beichtstuhle verliert ihre Kraft, wie bei dem Corsen, wenn es eine Vendetta gilt. -- Noch vor dreißig Jahren war es etwas sehr gewöhnliches, beim Mondscheine langen Wagen- reihen zu begegnen, neben denen dreißig bis vierzig Männer hertrabten, das Beil auf der Schulter, den Ausdruck lauernder Entschlossenheit in den ge-
noch ſeinem Naturrecht gern als einen Erbfeind oder Uſurpator des eigentlich ihm zuſtändigen Bodens betrachtet, dem ein ächtes Landeskind nur aus Liſt, um der guten Sache willen, ſchmeichle, und übri- gens Abbruch thun müſſe, wo es immer könne. — Noch empörender ſcheinen ihm die Forſt- und Jagdgeſetze, da ja „unſer Herrgott das Holz von ſelbſt wachſen läßt, und das Wild aus einem Lande in das andere wechſelt.“ Mit dieſem Spruche im Munde glaubt der Frierende ſich völlig berechtigt, jeden Förſter, der ihn in flagranti überraſcht, mit Schnupftaback zu blenden, und wie er kann mit ihm fertig zu werden. — Die Gutsbeſitzer ſind deshalb zu einem erſchöpfenden Aufwande an Forſt- beamten gezwungen, die den ganzen Tag und manche Nacht durchpatrouilliren, und doch die maſſivſten Forſtfrevel, z. B. das Niederſchlagen ganzer Wald- ſtrecken in einer Nacht, nicht immer verhindern können. — Hier ſcheitern alle Anſtrengungen der ſehr ehrenwerthen Geiſtlichkeit, und ſelbſt die Ver- ſagung der Abſolution im Beichtſtuhle verliert ihre Kraft, wie bei dem Corſen, wenn es eine Vendetta gilt. — Noch vor dreißig Jahren war es etwas ſehr gewöhnliches, beim Mondſcheine langen Wagen- reihen zu begegnen, neben denen dreißig bis vierzig Männer hertrabten, das Beil auf der Schulter, den Ausdruck lauernder Entſchloſſenheit in den ge-
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noch ſeinem Naturrecht gern als einen Erbfeind
oder Uſurpator des eigentlich ihm zuſtändigen Bodens
betrachtet, dem ein ächtes Landeskind nur aus Liſt,
um der guten Sache willen, ſchmeichle, und übri-
gens Abbruch thun müſſe, wo es immer könne.
— Noch empörender ſcheinen ihm die Forſt- und
Jagdgeſetze, da ja „unſer Herrgott das Holz von
ſelbſt wachſen läßt, und das Wild aus einem Lande
in das andere wechſelt.“ Mit dieſem Spruche im
Munde glaubt der Frierende ſich völlig berechtigt,
jeden Förſter, der ihn in flagranti überraſcht, mit
Schnupftaback zu blenden, und wie er kann mit
ihm fertig zu werden. — Die Gutsbeſitzer ſind
deshalb zu einem erſchöpfenden Aufwande an Forſt-
beamten gezwungen, die den ganzen Tag und manche
Nacht durchpatrouilliren, und doch die maſſivſten
Forſtfrevel, z. B. das Niederſchlagen ganzer Wald-
ſtrecken in einer Nacht, nicht immer verhindern
können. — Hier ſcheitern alle Anſtrengungen der
ſehr ehrenwerthen Geiſtlichkeit, und ſelbſt die Ver-
ſagung der Abſolution im Beichtſtuhle verliert ihre
Kraft, wie bei dem Corſen, wenn es eine Vendetta
gilt. — Noch vor dreißig Jahren war es etwas
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schü… [mehr]
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schücking aus dem Nachlass Annette von Droste-Hülshoffs herausgegeben, enthalten mehrere Texte, die zum Teil zu Lebzeiten der Autorin bereits andernorts veröffentlicht worden waren. Beispielsweise erschien Droste-Hülshoffs Novelle "Die Judenbuche" zuerst 1842 im "Morgenblatt für gebildete Leser"; die "Westfälischen Schilderungen" erschienen 1845 in den "Historisch-politischen Blättern für das katholische Deutschland". Einzelne Gedichte sind in Journalen und Jahrbüchern erschienen, andere wurden aus dem Nachlass erstmals in der hier digitalisierten Edition von Levin Schücking veröffentlicht (z.B. die Gedichte "Der Nachtwanderer", "Doppeltgänger" und "Halt fest!"). In den meisten Fällen handelt es sich somit nicht um Erstveröffentlichungen der Texte, wohl aber um die erste Publikation in Buchform, weshalb die Nachlassedition für das DTA herangezogen wurde.
Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/269>, abgerufen am 25.11.2024.
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