überall eine Frische des Grüns und ein Blätterduft, wie dieses anderwärts nur nach einem Frühlings- regen der Fall ist. Unter den Zweigen lauschen die Wohnungen hervor, die langgestreckt, mit tief nieder- ragendem Dache, im Schatten Mittagsruhe zu halten und mit halbgeschlossenem Auge nach den Rindern zu schauen scheinen, welche hellfarbig und gescheckt, wie eine Damwildheerde sich gegen das Grün des Waldbodens, oder den blassen Horizont abzeichnen, und in wechselnden Gruppen durcheinander schieden, da diese Haiden immer Almenden sind, und jede wenigstens sechzig Stück Hornvieh und darüber ent- hält. -- Was nicht Wald und Haide ist, ist Kamp, d. h. Privateigenthum, zu Acker und Wiesengrund benutzt, und, um die Beschwerde des Hütens zu vermeiden, je nach dem Umfange des Besitzes oder der Bestimmung, mit einem hohen, von Laubholz überflatterten Erdwalle umhegt. -- Dieses begreift die fruchtbarsten Grundstrecken der Gemeinde, und man trifft gewöhnlich lange Reihen solcher Kämpe nach- und nebeneinander, durch Stege und Pförtchen verbunden, die man mit jener angenehmen Neugier betritt, mit der man die Zimmer eines dachlosen Hauses durchwandert. Wirklich geben auch vorzüg- lich die Wiesen einen äußerst heitern Anblick durch die Fülle und Mannigfaltigkeit der Blumen und Kräuter, in denen die Elite der Viehzucht, schwerer
überall eine Friſche des Grüns und ein Blätterduft, wie dieſes anderwärts nur nach einem Frühlings- regen der Fall iſt. Unter den Zweigen lauſchen die Wohnungen hervor, die langgeſtreckt, mit tief nieder- ragendem Dache, im Schatten Mittagsruhe zu halten und mit halbgeſchloſſenem Auge nach den Rindern zu ſchauen ſcheinen, welche hellfarbig und geſcheckt, wie eine Damwildheerde ſich gegen das Grün des Waldbodens, oder den blaſſen Horizont abzeichnen, und in wechſelnden Gruppen durcheinander ſchieden, da dieſe Haiden immer Almenden ſind, und jede wenigſtens ſechzig Stück Hornvieh und darüber ent- hält. — Was nicht Wald und Haide iſt, iſt Kamp, d. h. Privateigenthum, zu Acker und Wieſengrund benutzt, und, um die Beſchwerde des Hütens zu vermeiden, je nach dem Umfange des Beſitzes oder der Beſtimmung, mit einem hohen, von Laubholz überflatterten Erdwalle umhegt. — Dieſes begreift die fruchtbarſten Grundſtrecken der Gemeinde, und man trifft gewöhnlich lange Reihen ſolcher Kämpe nach- und nebeneinander, durch Stege und Pförtchen verbunden, die man mit jener angenehmen Neugier betritt, mit der man die Zimmer eines dachloſen Hauſes durchwandert. Wirklich geben auch vorzüg- lich die Wieſen einen äußerſt heitern Anblick durch die Fülle und Mannigfaltigkeit der Blumen und Kräuter, in denen die Elite der Viehzucht, ſchwerer
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überall eine Friſche des Grüns und ein Blätterduft,
wie dieſes anderwärts nur nach einem Frühlings-
regen der Fall iſt. Unter den Zweigen lauſchen die
Wohnungen hervor, die langgeſtreckt, mit tief nieder-
ragendem Dache, im Schatten Mittagsruhe zu halten
und mit halbgeſchloſſenem Auge nach den Rindern
zu ſchauen ſcheinen, welche hellfarbig und geſcheckt,
wie eine Damwildheerde ſich gegen das Grün des
Waldbodens, oder den blaſſen Horizont abzeichnen,
und in wechſelnden Gruppen durcheinander ſchieden,
da dieſe Haiden immer Almenden ſind, und jede
wenigſtens ſechzig Stück Hornvieh und darüber ent-
hält. — Was nicht Wald und Haide iſt, iſt Kamp,
d. h. Privateigenthum, zu Acker und Wieſengrund
benutzt, und, um die Beſchwerde des Hütens zu
vermeiden, je nach dem Umfange des Beſitzes oder
der Beſtimmung, mit einem hohen, von Laubholz
überflatterten Erdwalle umhegt. — Dieſes begreift
die fruchtbarſten Grundſtrecken der Gemeinde, und
man trifft gewöhnlich lange Reihen ſolcher Kämpe
nach- und nebeneinander, durch Stege und Pförtchen
verbunden, die man mit jener angenehmen Neugier
betritt, mit der man die Zimmer eines dachloſen
Hauſes durchwandert. Wirklich geben auch vorzüg-
lich die Wieſen einen äußerſt heitern Anblick durch
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schü… [mehr]
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schücking aus dem Nachlass Annette von Droste-Hülshoffs herausgegeben, enthalten mehrere Texte, die zum Teil zu Lebzeiten der Autorin bereits andernorts veröffentlicht worden waren. Beispielsweise erschien Droste-Hülshoffs Novelle "Die Judenbuche" zuerst 1842 im "Morgenblatt für gebildete Leser"; die "Westfälischen Schilderungen" erschienen 1845 in den "Historisch-politischen Blättern für das katholische Deutschland". Einzelne Gedichte sind in Journalen und Jahrbüchern erschienen, andere wurden aus dem Nachlass erstmals in der hier digitalisierten Edition von Levin Schücking veröffentlicht (z.B. die Gedichte "Der Nachtwanderer", "Doppeltgänger" und "Halt fest!"). In den meisten Fällen handelt es sich somit nicht um Erstveröffentlichungen der Texte, wohl aber um die erste Publikation in Buchform, weshalb die Nachlassedition für das DTA herangezogen wurde.
Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/252>, abgerufen am 23.11.2024.
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