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Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860.

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Margreth. Der Amtsschreiber hatte getrunken und
ging noch immer nicht. Er schien etwas auf dem
Herzen zu haben. "Habt Ihr nichts von Brandes
gehört?" fragte er plötzlich. -- "Nichts; er kommt
niemals hier in's Haus." -- "So wißt Ihr nicht,
was ihm begegnet ist?" -- "Was denn?" fragte
Margreth gespannt. -- "Er ist todt!" -- "Todt!"
rief sie, "was, todt? Um Gotteswillen! er ging
ja noch heute Morgen ganz gesund hier vorüber
mit der Flinte auf dem Rücken!" -- "Er ist todt,"
wiederholte der Schreiber, sie scharf fixirend; "von
den Blaukitteln erschlagen. Vor einer Viertelstunde
wurde die Leiche in's Dorf gebracht."

Margreth schlug die Hände zusammen. --
"Gott im Himmel, geh' nicht mit ihm in's Gericht!
er wußte nicht, was er that!" -- "Mit ihm!"
rief der Amtsschreiber, "mit dem verfluchten Mörder,
meint Ihr?" Aus der Kammer drang ein schweres
Stöhnen. Margreth eilte hin und der Schreiber
folgte ihr. Friedrich saß aufrecht im Bette, das
Gesicht in die Hände gedrückt und ächzte wie ein
Sterbender. -- "Friedrich, wie ist dir?" sagte die
Mutter. -- "Wie ist dir?" wiederholte der Amts-
schreiber. -- "O mein Leib, mein Kopf!" jammerte
er. -- "Was fehlt ihm?" -- "Ach Gott weiß
es," versetzte sie; "er ist schon um vier mit den
Kühen heimgekommen, weil ihm so übel war.[ - 1 Zeichen fehlt]

Margreth. Der Amtsſchreiber hatte getrunken und
ging noch immer nicht. Er ſchien etwas auf dem
Herzen zu haben. „Habt Ihr nichts von Brandes
gehört?“ fragte er plötzlich. — „Nichts; er kommt
niemals hier in’s Haus.“ — „So wißt Ihr nicht,
was ihm begegnet iſt?“ — „Was denn?“ fragte
Margreth geſpannt. — „Er iſt todt!“ — „Todt!“
rief ſie, „was, todt? Um Gotteswillen! er ging
ja noch heute Morgen ganz geſund hier vorüber
mit der Flinte auf dem Rücken!“ — „Er iſt todt,“
wiederholte der Schreiber, ſie ſcharf fixirend; „von
den Blaukitteln erſchlagen. Vor einer Viertelſtunde
wurde die Leiche in’s Dorf gebracht.“

Margreth ſchlug die Hände zuſammen. —
„Gott im Himmel, geh’ nicht mit ihm in’s Gericht!
er wußte nicht, was er that!“ — „Mit ihm!“
rief der Amtsſchreiber, „mit dem verfluchten Mörder,
meint Ihr?“ Aus der Kammer drang ein ſchweres
Stöhnen. Margreth eilte hin und der Schreiber
folgte ihr. Friedrich ſaß aufrecht im Bette, das
Geſicht in die Hände gedrückt und ächzte wie ein
Sterbender. — „Friedrich, wie iſt dir?“ ſagte die
Mutter. — „Wie iſt dir?“ wiederholte der Amts-
ſchreiber. — „O mein Leib, mein Kopf!“ jammerte
er. — „Was fehlt ihm?“ — „Ach Gott weiß
es,“ verſetzte ſie; „er iſt ſchon um vier mit den
Kühen heimgekommen, weil ihm ſo übel war.[ – 1 Zeichen fehlt]

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[183/0199] Margreth. Der Amtsſchreiber hatte getrunken und ging noch immer nicht. Er ſchien etwas auf dem Herzen zu haben. „Habt Ihr nichts von Brandes gehört?“ fragte er plötzlich. — „Nichts; er kommt niemals hier in’s Haus.“ — „So wißt Ihr nicht, was ihm begegnet iſt?“ — „Was denn?“ fragte Margreth geſpannt. — „Er iſt todt!“ — „Todt!“ rief ſie, „was, todt? Um Gotteswillen! er ging ja noch heute Morgen ganz geſund hier vorüber mit der Flinte auf dem Rücken!“ — „Er iſt todt,“ wiederholte der Schreiber, ſie ſcharf fixirend; „von den Blaukitteln erſchlagen. Vor einer Viertelſtunde wurde die Leiche in’s Dorf gebracht.“ Margreth ſchlug die Hände zuſammen. — „Gott im Himmel, geh’ nicht mit ihm in’s Gericht! er wußte nicht, was er that!“ — „Mit ihm!“ rief der Amtsſchreiber, „mit dem verfluchten Mörder, meint Ihr?“ Aus der Kammer drang ein ſchweres Stöhnen. Margreth eilte hin und der Schreiber folgte ihr. Friedrich ſaß aufrecht im Bette, das Geſicht in die Hände gedrückt und ächzte wie ein Sterbender. — „Friedrich, wie iſt dir?“ ſagte die Mutter. — „Wie iſt dir?“ wiederholte der Amts- ſchreiber. — „O mein Leib, mein Kopf!“ jammerte er. — „Was fehlt ihm?“ — „Ach Gott weiß es,“ verſetzte ſie; „er iſt ſchon um vier mit den Kühen heimgekommen, weil ihm ſo übel war._

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Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/199>, abgerufen am 18.05.2024.