Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860."Ach gar nichts, Lügen, Wind!" -- Friedrich Margreth saß am Heerde; sie spann und "Guten Tag, Frau Mergel," sagte er; "könnt „Ach gar nichts, Lügen, Wind!“ — Friedrich Margreth ſaß am Heerde; ſie ſpann und „Guten Tag, Frau Mergel,“ ſagte er; „könnt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0198" n="182"/> „Ach gar nichts, Lügen, Wind!“ — Friedrich<lb/> richtete ſich auf. — „Von der Gretchen Siemers;<lb/> du weißt ja wohl die alte Geſchichte; und iſt doch<lb/> nichts Wahres dran.“ — Friedrich legte ſich wieder<lb/> hin. „Ich will ſehen, ob ich ſchlafen kann,“<lb/> ſagte er.</p><lb/> <p>Margreth ſaß am Heerde; ſie ſpann und<lb/> dachte wenig Erfreuliches. Im Dorfe ſchlug es<lb/> halb zwölf; die Thüre klinkte und der Gericht-<lb/> ſchreiber Kapp trat herein. —</p><lb/> <p>„Guten Tag, Frau Mergel,“ ſagte er; „könnt<lb/> Ihr mir einen Trunk Milch geben? ich komme<lb/> von M.“ — Als Frau Mergel das Verlangte<lb/> brachte, fragte er: „Wo iſt Friedrich?“ Sie war<lb/> gerade beſchäftigt, einen Teller hervorzulangen und<lb/> überhörte die Frage. Er trank zögernd und in<lb/> kurzen Abſätzen. „Wißt Ihr wohl,“ ſagte er dann,<lb/> „daß die Blaukittel in dieſer Nacht wieder im<lb/> Maſterholze eine ganze Strecke ſo kahl gefegt haben,<lb/> wie meine Hand?“ — „Ei, du frommer Gott!“<lb/> verſetzte ſie gleichgültig. — „Die Schandbuben,“<lb/> fuhr der Schreiber fort, „ruiniren Alles; wenn ſie<lb/> noch Rückſicht nähmen auf das junge Holz, aber<lb/> Eichenſtämmchen wie mein Arm dick, wo nicht<lb/> einmal eine Ruderſtange drin ſteckt! Es iſt, als<lb/> ob ihnen anderer Leute Schaden eben ſo lieb wäre<lb/> wie ihr Profit!“ — „Es iſt Schade!“ ſagte<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [182/0198]
„Ach gar nichts, Lügen, Wind!“ — Friedrich
richtete ſich auf. — „Von der Gretchen Siemers;
du weißt ja wohl die alte Geſchichte; und iſt doch
nichts Wahres dran.“ — Friedrich legte ſich wieder
hin. „Ich will ſehen, ob ich ſchlafen kann,“
ſagte er.
Margreth ſaß am Heerde; ſie ſpann und
dachte wenig Erfreuliches. Im Dorfe ſchlug es
halb zwölf; die Thüre klinkte und der Gericht-
ſchreiber Kapp trat herein. —
„Guten Tag, Frau Mergel,“ ſagte er; „könnt
Ihr mir einen Trunk Milch geben? ich komme
von M.“ — Als Frau Mergel das Verlangte
brachte, fragte er: „Wo iſt Friedrich?“ Sie war
gerade beſchäftigt, einen Teller hervorzulangen und
überhörte die Frage. Er trank zögernd und in
kurzen Abſätzen. „Wißt Ihr wohl,“ ſagte er dann,
„daß die Blaukittel in dieſer Nacht wieder im
Maſterholze eine ganze Strecke ſo kahl gefegt haben,
wie meine Hand?“ — „Ei, du frommer Gott!“
verſetzte ſie gleichgültig. — „Die Schandbuben,“
fuhr der Schreiber fort, „ruiniren Alles; wenn ſie
noch Rückſicht nähmen auf das junge Holz, aber
Eichenſtämmchen wie mein Arm dick, wo nicht
einmal eine Ruderſtange drin ſteckt! Es iſt, als
ob ihnen anderer Leute Schaden eben ſo lieb wäre
wie ihr Profit!“ — „Es iſt Schade!“ ſagte
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