Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860.Nun sprießen blasse Rosen Am Gletscherbord hervor, Und mit der Dämmrung kosen Will schon das Klippenthor; Schon schwimmen lichte Streifen, Es lockt der Gemse Pfeifen Den Blick zum Grat empor. Verlöscht sind die Laternen, und im Kreis Steht eine Hirtenschaar auf breiter Platte, Voran der Patriarch, wie Silber weiß Hängt um sein tiefgebräunt Gesicht das glatte, Gestrählte Haar, und Alle beten leis Nach Osten schauend, wo das farbensatte Rubingewölk mit glitzerndem Geroll Die stolze Sonnenkugel bringen soll. Da kommt sie aufgefahren In strenger Majestät, Und von den Firnaltaren Die Opferflamme weht: Da sinken in der Runde So Knie an Knie, dem Munde Entströmt das Maigebet: Nun ſprießen blaſſe Roſen Am Gletſcherbord hervor, Und mit der Dämmrung koſen Will ſchon das Klippenthor; Schon ſchwimmen lichte Streifen, Es lockt der Gemſe Pfeifen Den Blick zum Grat empor. Verlöſcht ſind die Laternen, und im Kreis Steht eine Hirtenſchaar auf breiter Platte, Voran der Patriarch, wie Silber weiß Hängt um ſein tiefgebräunt Geſicht das glatte, Geſtrählte Haar, und Alle beten leis Nach Oſten ſchauend, wo das farbenſatte Rubingewölk mit glitzerndem Geroll Die ſtolze Sonnenkugel bringen ſoll. Da kommt ſie aufgefahren In ſtrenger Majeſtät, Und von den Firnaltaren Die Opferflamme weht: Da ſinken in der Runde So Knie an Knie, dem Munde Entſtrömt das Maigebet: <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0110" n="94"/> <lg n="5"> <l>Nun ſprießen blaſſe Roſen</l><lb/> <l>Am Gletſcherbord hervor,</l><lb/> <l>Und mit der Dämmrung koſen</l><lb/> <l>Will ſchon das Klippenthor;</l><lb/> <l>Schon ſchwimmen lichte Streifen,</l><lb/> <l>Es lockt der Gemſe Pfeifen</l><lb/> <l>Den Blick zum Grat empor.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Verlöſcht ſind die Laternen, und im Kreis</l><lb/> <l>Steht eine Hirtenſchaar auf breiter Platte,</l><lb/> <l>Voran der Patriarch, wie Silber weiß</l><lb/> <l>Hängt um ſein tiefgebräunt Geſicht das glatte,</l><lb/> <l>Geſtrählte Haar, und Alle beten leis</l><lb/> <l>Nach Oſten ſchauend, wo das farbenſatte</l><lb/> <l>Rubingewölk mit glitzerndem Geroll</l><lb/> <l>Die ſtolze Sonnenkugel bringen ſoll.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Da kommt ſie aufgefahren</l><lb/> <l>In ſtrenger Majeſtät,</l><lb/> <l>Und von den Firnaltaren</l><lb/> <l>Die Opferflamme weht:</l><lb/> <l>Da ſinken in der Runde</l><lb/> <l>So Knie an Knie, dem Munde</l><lb/> <l>Entſtrömt das Maigebet:</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [94/0110]
Nun ſprießen blaſſe Roſen
Am Gletſcherbord hervor,
Und mit der Dämmrung koſen
Will ſchon das Klippenthor;
Schon ſchwimmen lichte Streifen,
Es lockt der Gemſe Pfeifen
Den Blick zum Grat empor.
Verlöſcht ſind die Laternen, und im Kreis
Steht eine Hirtenſchaar auf breiter Platte,
Voran der Patriarch, wie Silber weiß
Hängt um ſein tiefgebräunt Geſicht das glatte,
Geſtrählte Haar, und Alle beten leis
Nach Oſten ſchauend, wo das farbenſatte
Rubingewölk mit glitzerndem Geroll
Die ſtolze Sonnenkugel bringen ſoll.
Da kommt ſie aufgefahren
In ſtrenger Majeſtät,
Und von den Firnaltaren
Die Opferflamme weht:
Da ſinken in der Runde
So Knie an Knie, dem Munde
Entſtrömt das Maigebet:
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Zitationshilfe: | Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/110>, abgerufen am 16.07.2024. |