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Droste-Hülshoff, Annette von: Die Judenbuche. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 51–128. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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willkürlicher Seufzer entfuhr ihm. -- Friedrich, bist du wach? -- Ja, Mutter. -- Kind, bete ein wenig du kannst ja schon das halbe Vaterunser -- daß Gott uns bewahre vor Wasser- und Feuersnoth.

Friedrich dachte an den Teufel, wie der wohl aussehen möge. Das mannichfache Geräusch und Getöse im Hause kam ihm wunderlich vor. Er meinte, es müsse etwas Lebendiges drinnen sein und draußen auch. -- Hör, Mutter, gewiß, da sind Leute, die pochen. -- Ach nein, Kind; aber es ist kein altes Brett im Hause, das nicht klappert. -- Hör! hörst du nicht? es ruft! hör doch!

Die Mutter richtete sich auf; das Toben des Sturms ließ einen Augenblick nach. Man hörte deutlich an den Fensterläden pochen und mehrere Stimmen: Margareth! Frau Margareth, heda, aufgemacht! Margareth stieß einen heftigen Laut aus: Da bringen sie mir das Schwein wieder!

Der Rosenkranz flog klappernd auf den Brettstuhl, die Kleider wurden herbeigerissen. Sie fuhr zum Herde, und bald darauf hörte Friedrich sie mit trotzigen Schritten über die Tenne gehen. Margareth kam gar nicht wieder; aber in der Küche war viel Gemurmel und fremde Stimmen. Zweimal kam ein fremder Mann in die Kammer und schien ängstlich etwas zu suchen. Mit einem Male ward eine Lampe hereingebracht; zwei Männer führten die Mutter. Sie war weiß wie Kreide und hatte die Augen geschlossen. Friedrich meinte, sie

willkürlicher Seufzer entfuhr ihm. — Friedrich, bist du wach? — Ja, Mutter. — Kind, bete ein wenig du kannst ja schon das halbe Vaterunser — daß Gott uns bewahre vor Wasser- und Feuersnoth.

Friedrich dachte an den Teufel, wie der wohl aussehen möge. Das mannichfache Geräusch und Getöse im Hause kam ihm wunderlich vor. Er meinte, es müsse etwas Lebendiges drinnen sein und draußen auch. — Hör, Mutter, gewiß, da sind Leute, die pochen. — Ach nein, Kind; aber es ist kein altes Brett im Hause, das nicht klappert. — Hör! hörst du nicht? es ruft! hör doch!

Die Mutter richtete sich auf; das Toben des Sturms ließ einen Augenblick nach. Man hörte deutlich an den Fensterläden pochen und mehrere Stimmen: Margareth! Frau Margareth, heda, aufgemacht! Margareth stieß einen heftigen Laut aus: Da bringen sie mir das Schwein wieder!

Der Rosenkranz flog klappernd auf den Brettstuhl, die Kleider wurden herbeigerissen. Sie fuhr zum Herde, und bald darauf hörte Friedrich sie mit trotzigen Schritten über die Tenne gehen. Margareth kam gar nicht wieder; aber in der Küche war viel Gemurmel und fremde Stimmen. Zweimal kam ein fremder Mann in die Kammer und schien ängstlich etwas zu suchen. Mit einem Male ward eine Lampe hereingebracht; zwei Männer führten die Mutter. Sie war weiß wie Kreide und hatte die Augen geschlossen. Friedrich meinte, sie

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[0015] willkürlicher Seufzer entfuhr ihm. — Friedrich, bist du wach? — Ja, Mutter. — Kind, bete ein wenig du kannst ja schon das halbe Vaterunser — daß Gott uns bewahre vor Wasser- und Feuersnoth. Friedrich dachte an den Teufel, wie der wohl aussehen möge. Das mannichfache Geräusch und Getöse im Hause kam ihm wunderlich vor. Er meinte, es müsse etwas Lebendiges drinnen sein und draußen auch. — Hör, Mutter, gewiß, da sind Leute, die pochen. — Ach nein, Kind; aber es ist kein altes Brett im Hause, das nicht klappert. — Hör! hörst du nicht? es ruft! hör doch! Die Mutter richtete sich auf; das Toben des Sturms ließ einen Augenblick nach. Man hörte deutlich an den Fensterläden pochen und mehrere Stimmen: Margareth! Frau Margareth, heda, aufgemacht! Margareth stieß einen heftigen Laut aus: Da bringen sie mir das Schwein wieder! Der Rosenkranz flog klappernd auf den Brettstuhl, die Kleider wurden herbeigerissen. Sie fuhr zum Herde, und bald darauf hörte Friedrich sie mit trotzigen Schritten über die Tenne gehen. Margareth kam gar nicht wieder; aber in der Küche war viel Gemurmel und fremde Stimmen. Zweimal kam ein fremder Mann in die Kammer und schien ängstlich etwas zu suchen. Mit einem Male ward eine Lampe hereingebracht; zwei Männer führten die Mutter. Sie war weiß wie Kreide und hatte die Augen geschlossen. Friedrich meinte, sie

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T14:10:05Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T14:10:05Z)

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Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Die Judenbuche. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 51–128. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_judenbuche_1910/15>, abgerufen am 24.04.2024.