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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.

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Statt einen neuen Lorbeerkranz zu drücken
In meine Phöboslocken, hat man sacht
Den alten losgezupft und hinter'm Rücken
Wohl Eselsohren mir gemacht.
Verkannte Seele, fasse dich im Leiden,
Sey stark, sey nobel, denk, der Ruhm ist leer,
Das Leben kurz, es wechseln Schmerz und Freuden,
Und was dergleichen Neugedachtes mehr!
Ich schau mich um in meiner kleinen Zelle:
Für einen Klausner wär's ein hübscher Ort;
Die Bank, der Tisch, das hölzerne Gestelle,
Und an der Wand die Tasche dort;
Ein Netz im Winkelchen, ein Rechen, Spaten --
Und Betten? nun, das macht sich einfach hier;
Der Thimian ist heuer gut gerathen,
Und blüht mir grade vor der Thür.
Die Waldung drüben -- und das Quellgewässer --
Hier möcht ich Haidebilder schreiben, zum Exempel:
"Die Vogelhütte", nein -- "der Heerd", nein besser:
"Der Knieende in Gottes weitem Tempel."
'S ist doch romantisch, wenn ein zart Geriesel
Durch Immortellen und Wachholderstrauch
Umzieht und gleitet, wie ein schlüpfend Wiesel,
Und drüber flirrt der Stöberrauch;
Statt einen neuen Lorbeerkranz zu drücken
In meine Phöboslocken, hat man ſacht
Den alten losgezupft und hinter'm Rücken
Wohl Eſelsohren mir gemacht.
Verkannte Seele, faſſe dich im Leiden,
Sey ſtark, ſey nobel, denk, der Ruhm iſt leer,
Das Leben kurz, es wechſeln Schmerz und Freuden,
Und was dergleichen Neugedachtes mehr!
Ich ſchau mich um in meiner kleinen Zelle:
Für einen Klausner wär's ein hübſcher Ort;
Die Bank, der Tiſch, das hölzerne Geſtelle,
Und an der Wand die Taſche dort;
Ein Netz im Winkelchen, ein Rechen, Spaten —
Und Betten? nun, das macht ſich einfach hier;
Der Thimian iſt heuer gut gerathen,
Und blüht mir grade vor der Thür.
Die Waldung drüben — und das Quellgewäſſer —
Hier möcht ich Haidebilder ſchreiben, zum Exempel:
„Die Vogelhütte“, nein — „der Heerd“, nein beſſer:
„Der Knieende in Gottes weitem Tempel.“
'S iſt doch romantiſch, wenn ein zart Gerieſel
Durch Immortellen und Wachholderſtrauch
Umzieht und gleitet, wie ein ſchlüpfend Wieſel,
Und drüber flirrt der Stöberrauch;
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[47/0061] Statt einen neuen Lorbeerkranz zu drücken In meine Phöboslocken, hat man ſacht Den alten losgezupft und hinter'm Rücken Wohl Eſelsohren mir gemacht. Verkannte Seele, faſſe dich im Leiden, Sey ſtark, ſey nobel, denk, der Ruhm iſt leer, Das Leben kurz, es wechſeln Schmerz und Freuden, Und was dergleichen Neugedachtes mehr! Ich ſchau mich um in meiner kleinen Zelle: Für einen Klausner wär's ein hübſcher Ort; Die Bank, der Tiſch, das hölzerne Geſtelle, Und an der Wand die Taſche dort; Ein Netz im Winkelchen, ein Rechen, Spaten — Und Betten? nun, das macht ſich einfach hier; Der Thimian iſt heuer gut gerathen, Und blüht mir grade vor der Thür. Die Waldung drüben — und das Quellgewäſſer — Hier möcht ich Haidebilder ſchreiben, zum Exempel: „Die Vogelhütte“, nein — „der Heerd“, nein beſſer: „Der Knieende in Gottes weitem Tempel.“ 'S iſt doch romantiſch, wenn ein zart Gerieſel Durch Immortellen und Wachholderſtrauch Umzieht und gleitet, wie ein ſchlüpfend Wieſel, Und drüber flirrt der Stöberrauch;

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Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/61>, abgerufen am 24.11.2024.