1) Christian Herzog von Braunschweig, gewöhnlich der tolle Herzog, der tolle Braunschweig, auch Halberstadt genannt, als ernannter Bischof von Halberstadt, ging in den ersten Jahren des dreißigjährigen Krieges zur protestantischen Religion über und trat als General in die Dienste des Pfalzgrafen Friedrich des Fünften, den die aufrührerischen Böhmen sich aus eigner Macht zum König gesetzt hatten, auch der Winterkönig genannt, nach der kurzen Dauer seiner Herrschaft. Christian, noch sehr jung, wurde zu diesem Schritte nicht sowohl durch Ueberzeugung geleitet, als durch seinen glühenden Haß gegen den Stand, den man ihm so ganz gegen seine Wünsche und die natürliche Neigung seines kriegerischen Geistes gegeben hatte, zu¬ gleich durch ein tiefes leidenschaftliches Interesse für die Gemahlin des Winterkönigs, Elisabeth, Tochter Jakobs des Ersten von England, eine der schönsten und vielleicht die ehrgeizigste Frau ihrer Zeit. Nach dem Ver¬ fall ihrer kurzen Herrschermacht konnte Christian sich nicht zur Ruhe geben. Ohne eigne Mittel dennoch ein bedeutendes Heer meistens von Rathlosen und Geächteten, von denen es damals wimmelte, zusammenbringend und sich mit einem kühnen Abentheurer, dem Grafen Ernst von Mansfeld ver¬ bindend, wagte er es den Krieg auf eigne Hand fortzusetzen. Dann von der protestantischen Union in Dienste genommen, unternahm er, mit ab¬ wechselndem Glück, die kühnsten Wagstücke, jedoch an der Uebermacht sich nach und nach verblutend. -- Seit Monaten bereits vom Feldmarschall der katholischen Ligue, Johann Tscherklas, Grafen von Tilly, hart gedrängt, erhielt seine Macht am siebenten August 1623 bei dem Städtchen Stadtloen im Bisthum Münster den letzten Schlag, von dem er sich nicht wieder erholte. Nur mit Wenigen gelang es ihm die holländische Grenze zu erreichen, und als er bald nachher sowohl vor Kummer als an den Folgen seiner Wunden starb, ward sein Tod kaum bemerkt. Er war ein gewaltiger Krieger, die Geißel der Rheinlande und Westfalens. Da im Verlauf der Erzählung selbst sowohl der Charakter als das Schicksal des Christian von Braunschweig sich genugsam und durchaus geschichtlich treu entwickelt, so mag es mit diesen Andeutungen genügen. Er starb mit 25 Jahren.
Anmerkungen zum erſten Geſange.
1) Chriſtian Herzog von Braunſchweig, gewöhnlich der tolle Herzog, der tolle Braunſchweig, auch Halberſtadt genannt, als ernannter Biſchof von Halberſtadt, ging in den erſten Jahren des dreißigjährigen Krieges zur proteſtantiſchen Religion über und trat als General in die Dienſte des Pfalzgrafen Friedrich des Fünften, den die aufrühreriſchen Böhmen ſich aus eigner Macht zum König geſetzt hatten, auch der Winterkönig genannt, nach der kurzen Dauer ſeiner Herrſchaft. Chriſtian, noch ſehr jung, wurde zu dieſem Schritte nicht ſowohl durch Ueberzeugung geleitet, als durch ſeinen glühenden Haß gegen den Stand, den man ihm ſo ganz gegen ſeine Wünſche und die natürliche Neigung ſeines kriegeriſchen Geiſtes gegeben hatte, zu¬ gleich durch ein tiefes leidenſchaftliches Intereſſe für die Gemahlin des Winterkönigs, Eliſabeth, Tochter Jakobs des Erſten von England, eine der ſchönſten und vielleicht die ehrgeizigſte Frau ihrer Zeit. Nach dem Ver¬ fall ihrer kurzen Herrſchermacht konnte Chriſtian ſich nicht zur Ruhe geben. Ohne eigne Mittel dennoch ein bedeutendes Heer meiſtens von Rathloſen und Geächteten, von denen es damals wimmelte, zuſammenbringend und ſich mit einem kühnen Abentheurer, dem Grafen Ernſt von Mansfeld ver¬ bindend, wagte er es den Krieg auf eigne Hand fortzuſetzen. Dann von der proteſtantiſchen Union in Dienſte genommen, unternahm er, mit ab¬ wechſelndem Glück, die kühnſten Wagſtücke, jedoch an der Uebermacht ſich nach und nach verblutend. — Seit Monaten bereits vom Feldmarſchall der katholiſchen Ligue, Johann Tſcherklas, Grafen von Tilly, hart gedrängt, erhielt ſeine Macht am ſiebenten Auguſt 1623 bei dem Städtchen Stadtloen im Bisthum Münſter den letzten Schlag, von dem er ſich nicht wieder erholte. Nur mit Wenigen gelang es ihm die holländiſche Grenze zu erreichen, und als er bald nachher ſowohl vor Kummer als an den Folgen ſeiner Wunden ſtarb, ward ſein Tod kaum bemerkt. Er war ein gewaltiger Krieger, die Geißel der Rheinlande und Weſtfalens. Da im Verlauf der Erzählung ſelbſt ſowohl der Charakter als das Schickſal des Chriſtian von Braunſchweig ſich genugſam und durchaus geſchichtlich treu entwickelt, ſo mag es mit dieſen Andeutungen genügen. Er ſtarb mit 25 Jahren.
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Anmerkungen zum erſten Geſange.
1) Chriſtian Herzog von Braunſchweig, gewöhnlich der tolle Herzog,
der tolle Braunſchweig, auch Halberſtadt genannt, als ernannter Biſchof
von Halberſtadt, ging in den erſten Jahren des dreißigjährigen Krieges zur
proteſtantiſchen Religion über und trat als General in die Dienſte des
Pfalzgrafen Friedrich des Fünften, den die aufrühreriſchen Böhmen ſich aus
eigner Macht zum König geſetzt hatten, auch der Winterkönig genannt,
nach der kurzen Dauer ſeiner Herrſchaft. Chriſtian, noch ſehr jung, wurde
zu dieſem Schritte nicht ſowohl durch Ueberzeugung geleitet, als durch ſeinen
glühenden Haß gegen den Stand, den man ihm ſo ganz gegen ſeine Wünſche
und die natürliche Neigung ſeines kriegeriſchen Geiſtes gegeben hatte, zu¬
gleich durch ein tiefes leidenſchaftliches Intereſſe für die Gemahlin des
Winterkönigs, Eliſabeth, Tochter Jakobs des Erſten von England, eine
der ſchönſten und vielleicht die ehrgeizigſte Frau ihrer Zeit. Nach dem Ver¬
fall ihrer kurzen Herrſchermacht konnte Chriſtian ſich nicht zur Ruhe geben.
Ohne eigne Mittel dennoch ein bedeutendes Heer meiſtens von Rathloſen
und Geächteten, von denen es damals wimmelte, zuſammenbringend und
ſich mit einem kühnen Abentheurer, dem Grafen Ernſt von Mansfeld ver¬
bindend, wagte er es den Krieg auf eigne Hand fortzuſetzen. Dann von
der proteſtantiſchen Union in Dienſte genommen, unternahm er, mit ab¬
wechſelndem Glück, die kühnſten Wagſtücke, jedoch an der Uebermacht ſich
nach und nach verblutend. — Seit Monaten bereits vom Feldmarſchall der
katholiſchen Ligue, Johann Tſcherklas, Grafen von Tilly, hart gedrängt,
erhielt ſeine Macht am ſiebenten Auguſt 1623 bei dem Städtchen Stadtloen
im Bisthum Münſter den letzten Schlag, von dem er ſich nicht wieder erholte.
Nur mit Wenigen gelang es ihm die holländiſche Grenze zu erreichen, und
als er bald nachher ſowohl vor Kummer als an den Folgen ſeiner Wunden
ſtarb, ward ſein Tod kaum bemerkt. Er war ein gewaltiger Krieger, die
Geißel der Rheinlande und Weſtfalens. Da im Verlauf der Erzählung
ſelbſt ſowohl der Charakter als das Schickſal des Chriſtian von Braunſchweig
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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 571. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/585>, abgerufen am 22.11.2024.
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