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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.

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"Ich sah den Teufel vor mir stehn,
"Ich sah ihn seine Krallen strecken.
"Johannes May, verruchter Hund!13
"Mit Blute mußtest dich beflecken
"Von Jenen, die der Taufe Bund
"Mit dir geweiht am gleichen Becken,
"Die Kirche, die dir Tröstung gab,
"Die einschließt deiner Eltern Grab,
"Die dich gelabt mit Christi Leib,
"Dir am Altare gab dein Weib,
"Wo deine Kinder alle drei
"Steh'n im Register nach der Reih';
"O wehe, wehe! Mord und Brand!"
Und wieder schlägt er seine Hand
An das Gesicht, man meinet sprengen
Die Adern muß des Blutes Drängen,
Und nun im Ton der Leidenschaft:
"Genugthun will ich, wie nur kann
Ein einzelner und niedrer Mann;
Doch meine Reu' sey meine Kraft!
Vergoß so oft ich Freundes Blut --
Mein Arm ist fest, die Büchse gut."
Nach einer kleinen Pause dann:
"Herzog, du bist ein todter Mann!"
Nun steht er rüttelnd an der Schwelle,
Nun durch das Fenster huscht er schnelle!
Nun schreitet er den Rain entlang.
O arme Taube, mild und bang!
Wie ward dir da du dies gehört?
Das Blut sich ihr im Herzen kehrt,

„Ich ſah den Teufel vor mir ſtehn,
„Ich ſah ihn ſeine Krallen ſtrecken.
„Johannes May, verruchter Hund!13
„Mit Blute mußteſt dich beflecken
„Von Jenen, die der Taufe Bund
„Mit dir geweiht am gleichen Becken,
„Die Kirche, die dir Tröſtung gab,
„Die einſchließt deiner Eltern Grab,
„Die dich gelabt mit Chriſti Leib,
„Dir am Altare gab dein Weib,
„Wo deine Kinder alle drei
„Steh'n im Regiſter nach der Reih';
„O wehe, wehe! Mord und Brand!“
Und wieder ſchlägt er ſeine Hand
An das Geſicht, man meinet ſprengen
Die Adern muß des Blutes Drängen,
Und nun im Ton der Leidenſchaft:
„Genugthun will ich, wie nur kann
Ein einzelner und niedrer Mann;
Doch meine Reu' ſey meine Kraft!
Vergoß ſo oft ich Freundes Blut —
Mein Arm iſt feſt, die Büchſe gut.“
Nach einer kleinen Pauſe dann:
„Herzog, du biſt ein todter Mann!“
Nun ſteht er rüttelnd an der Schwelle,
Nun durch das Fenſter huſcht er ſchnelle!
Nun ſchreitet er den Rain entlang.
O arme Taube, mild und bang!
Wie ward dir da du dies gehört?
Das Blut ſich ihr im Herzen kehrt,

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[515/0529] „Ich ſah den Teufel vor mir ſtehn, „Ich ſah ihn ſeine Krallen ſtrecken. „Johannes May, verruchter Hund!13 „Mit Blute mußteſt dich beflecken „Von Jenen, die der Taufe Bund „Mit dir geweiht am gleichen Becken, „Die Kirche, die dir Tröſtung gab, „Die einſchließt deiner Eltern Grab, „Die dich gelabt mit Chriſti Leib, „Dir am Altare gab dein Weib, „Wo deine Kinder alle drei „Steh'n im Regiſter nach der Reih'; „O wehe, wehe! Mord und Brand!“ Und wieder ſchlägt er ſeine Hand An das Geſicht, man meinet ſprengen Die Adern muß des Blutes Drängen, Und nun im Ton der Leidenſchaft: „Genugthun will ich, wie nur kann Ein einzelner und niedrer Mann; Doch meine Reu' ſey meine Kraft! Vergoß ſo oft ich Freundes Blut — Mein Arm iſt feſt, die Büchſe gut.“ Nach einer kleinen Pauſe dann: „Herzog, du biſt ein todter Mann!“ Nun ſteht er rüttelnd an der Schwelle, Nun durch das Fenſter huſcht er ſchnelle! Nun ſchreitet er den Rain entlang. O arme Taube, mild und bang! Wie ward dir da du dies gehört? Das Blut ſich ihr im Herzen kehrt,

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Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 515. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/529>, abgerufen am 04.05.2024.