Sucht den entfloh'nen Athem wieder Ihm einzuhauchen; alle Brüder Verstummt und lauschend stehn dabei. Kein Regen -- und der Kerze Licht Kein Zucken zeigt im Angesicht; -- Am vorgehaltnen Flaume nicht Ein schwaches Fäserchen sich beugt, Und mächtig schon das Morgenroth Bis an den Rand des Thales steigt. "Ihr Brüder!" nun der Prior spricht, "Es scheint, der arme Greis sey todt. Doch thut noch ferner eure Pflicht; Ihr seyd zur eignen Seele Frommen Bis jetzt ihr treulich nachgekommen: Allein zumeist, das ist gewiß, Am allermeisten that Denis. Wo ist er? nun er ruht wohl aus! Und sicher war's ein harter Strauß Für seine Jahre." Ach Denis An keinen Schlummer denkt gewiß, Vor dem Altare, wo im Bild Die Gottesmutter rauchgeschwärzt Ihr eingeräuchert Kindlein herzt, Verzeichnet, bunt, doch gut genug, Da es dem Manne sonder Trug Mit Andacht so die Seele füllt, Denn ganz besonders hat er sich Geweiht der Jungfrau minniglich. Was mag ihm so zu Herzen gehn? Die Falte um den Mund, dies Stöhnen
Sucht den entfloh'nen Athem wieder Ihm einzuhauchen; alle Brüder Verſtummt und lauſchend ſtehn dabei. Kein Regen — und der Kerze Licht Kein Zucken zeigt im Angeſicht; — Am vorgehaltnen Flaume nicht Ein ſchwaches Fäſerchen ſich beugt, Und mächtig ſchon das Morgenroth Bis an den Rand des Thales ſteigt. „Ihr Brüder!“ nun der Prior ſpricht, „Es ſcheint, der arme Greis ſey todt. Doch thut noch ferner eure Pflicht; Ihr ſeyd zur eignen Seele Frommen Bis jetzt ihr treulich nachgekommen: Allein zumeiſt, das iſt gewiß, Am allermeiſten that Denis. Wo iſt er? nun er ruht wohl aus! Und ſicher war's ein harter Strauß Für ſeine Jahre.“ Ach Denis An keinen Schlummer denkt gewiß, Vor dem Altare, wo im Bild Die Gottesmutter rauchgeſchwärzt Ihr eingeräuchert Kindlein herzt, Verzeichnet, bunt, doch gut genug, Da es dem Manne ſonder Trug Mit Andacht ſo die Seele füllt, Denn ganz beſonders hat er ſich Geweiht der Jungfrau minniglich. Was mag ihm ſo zu Herzen gehn? Die Falte um den Mund, dies Stöhnen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><lgtype="poem"><lgn="14"><pbfacs="#f0465"n="451"/><l>Sucht den entfloh'nen Athem wieder</l><lb/><l>Ihm einzuhauchen; alle Brüder</l><lb/><l>Verſtummt und lauſchend ſtehn dabei.</l><lb/><l>Kein Regen — und der Kerze Licht</l><lb/><l>Kein Zucken zeigt im Angeſicht; —</l><lb/><l>Am vorgehaltnen Flaume nicht</l><lb/><l>Ein ſchwaches Fäſerchen ſich beugt,</l><lb/><l>Und mächtig ſchon das Morgenroth</l><lb/><l>Bis an den Rand des Thales ſteigt.</l><lb/><l>„Ihr Brüder!“ nun der Prior ſpricht,</l><lb/><l>„Es ſcheint, der arme Greis ſey todt.</l><lb/><l>Doch thut noch ferner eure Pflicht;</l><lb/><l>Ihr ſeyd zur eignen Seele Frommen</l><lb/><l>Bis jetzt ihr treulich nachgekommen:</l><lb/><l>Allein zumeiſt, das iſt gewiß,</l><lb/><l>Am allermeiſten that Denis.</l><lb/><l>Wo iſt er? nun er ruht wohl aus!</l><lb/><l>Und ſicher war's ein harter Strauß</l><lb/><l>Für ſeine Jahre.“ Ach Denis</l><lb/><l>An keinen Schlummer denkt gewiß,</l><lb/><l>Vor dem Altare, wo im Bild</l><lb/><l>Die Gottesmutter rauchgeſchwärzt</l><lb/><l>Ihr eingeräuchert Kindlein herzt,</l><lb/><l>Verzeichnet, bunt, doch gut genug,</l><lb/><l>Da es dem Manne ſonder Trug</l><lb/><l>Mit Andacht ſo die Seele füllt,</l><lb/><l>Denn ganz beſonders hat er ſich</l><lb/><l>Geweiht der Jungfrau minniglich.</l><lb/><l>Was mag ihm ſo zu Herzen gehn?</l><lb/><l>Die Falte um den Mund, dies Stöhnen</l><lb/></lg></lg></div></div></div></body></text></TEI>
[451/0465]
Sucht den entfloh'nen Athem wieder
Ihm einzuhauchen; alle Brüder
Verſtummt und lauſchend ſtehn dabei.
Kein Regen — und der Kerze Licht
Kein Zucken zeigt im Angeſicht; —
Am vorgehaltnen Flaume nicht
Ein ſchwaches Fäſerchen ſich beugt,
Und mächtig ſchon das Morgenroth
Bis an den Rand des Thales ſteigt.
„Ihr Brüder!“ nun der Prior ſpricht,
„Es ſcheint, der arme Greis ſey todt.
Doch thut noch ferner eure Pflicht;
Ihr ſeyd zur eignen Seele Frommen
Bis jetzt ihr treulich nachgekommen:
Allein zumeiſt, das iſt gewiß,
Am allermeiſten that Denis.
Wo iſt er? nun er ruht wohl aus!
Und ſicher war's ein harter Strauß
Für ſeine Jahre.“ Ach Denis
An keinen Schlummer denkt gewiß,
Vor dem Altare, wo im Bild
Die Gottesmutter rauchgeſchwärzt
Ihr eingeräuchert Kindlein herzt,
Verzeichnet, bunt, doch gut genug,
Da es dem Manne ſonder Trug
Mit Andacht ſo die Seele füllt,
Denn ganz beſonders hat er ſich
Geweiht der Jungfrau minniglich.
Was mag ihm ſo zu Herzen gehn?
Die Falte um den Mund, dies Stöhnen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 451. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/465>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.