Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.

Bild:
<< vorherige Seite
Wir wuchsen unter Peitschenhieb an der Galeere auf,
Und dennoch riß das Document vom schnöden Seelenkauf
Durch deutsche Hand, durch unsre Hand, die, nach Egyptens
Plagen,

Noch immer stark genug den Brand an's Bagnothor zu
tragen!

Doch ihr, die ihr den ganzen Saft der Muttererde trinkt,
An deren Zweig das erste Blatt schon wie Smaragde blinkt,
Ihr!" -- unser Dichter stutzt -- er hört an den Hollunder¬
sträuchen

Sein Erstlingsreis, den Göttinger, wie eine Walze keuchen.
Und auf der Bank -- sein Manuscript -- o Pest! sein Dichter¬
kranz --

Dort fliegt er, droben in der Luft, als langer Drachen¬
schwanz!

Und -- was? ein Guß? -- bei Gott, da hängt der Bub',
die wilde Katze,

Am Ast, und leert den Wasserkrug auf seines Vaters Glatze!

Wir wuchſen unter Peitſchenhieb an der Galeere auf,
Und dennoch riß das Document vom ſchnöden Seelenkauf
Durch deutſche Hand, durch unſre Hand, die, nach Egyptens
Plagen,

Noch immer ſtark genug den Brand an's Bagnothor zu
tragen!

Doch ihr, die ihr den ganzen Saft der Muttererde trinkt,
An deren Zweig das erſte Blatt ſchon wie Smaragde blinkt,
Ihr!“ — unſer Dichter ſtutzt — er hört an den Hollunder¬
ſträuchen

Sein Erſtlingsreis, den Göttinger, wie eine Walze keuchen.
Und auf der Bank — ſein Manuſcript — o Peſt! ſein Dichter¬
kranz —

Dort fliegt er, droben in der Luft, als langer Drachen¬
ſchwanz!

Und — was? ein Guß? — bei Gott, da hängt der Bub',
die wilde Katze,

Am Aſt, und leert den Waſſerkrug auf ſeines Vaters Glatze!

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <lg type="poem">
              <pb facs="#f0046" n="32"/>
              <lg n="6">
                <l><hi rendition="#g">Wir</hi> wuch&#x017F;en unter Peit&#x017F;chenhieb an der Galeere auf,</l><lb/>
                <l>Und dennoch riß das Document vom &#x017F;chnöden Seelenkauf</l><lb/>
                <l>Durch deut&#x017F;che Hand, durch un&#x017F;re Hand, die, nach Egyptens<lb/><hi rendition="#et">Plagen,</hi></l><lb/>
                <l>Noch immer &#x017F;tark genug den Brand an's Bagnothor zu<lb/><hi rendition="#et">tragen!</hi></l><lb/>
              </lg>
              <lg n="7">
                <l>Doch ihr, die ihr den ganzen Saft der Muttererde trinkt,</l><lb/>
                <l>An deren Zweig das er&#x017F;te Blatt &#x017F;chon wie Smaragde blinkt,</l><lb/>
                <l>Ihr!&#x201C; &#x2014; un&#x017F;er Dichter &#x017F;tutzt &#x2014; er hört an den Hollunder¬<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;träuchen</hi></l><lb/>
                <l>Sein Er&#x017F;tlingsreis, den Göttinger, wie eine Walze keuchen.</l><lb/>
              </lg>
              <lg n="8">
                <l>Und auf der Bank &#x2014; &#x017F;ein Manu&#x017F;cript &#x2014; o Pe&#x017F;t! &#x017F;ein Dichter¬<lb/><hi rendition="#et">kranz &#x2014;</hi></l><lb/>
                <l>Dort fliegt er, droben in der Luft, als langer Drachen¬<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;chwanz!</hi></l><lb/>
                <l>Und &#x2014; was? ein Guß? &#x2014; bei Gott, da hängt der Bub',<lb/><hi rendition="#et">die wilde Katze,</hi></l><lb/>
                <l>Am A&#x017F;t, und leert den Wa&#x017F;&#x017F;erkrug auf &#x017F;eines Vaters Glatze!</l><lb/>
              </lg>
            </lg>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[32/0046] Wir wuchſen unter Peitſchenhieb an der Galeere auf, Und dennoch riß das Document vom ſchnöden Seelenkauf Durch deutſche Hand, durch unſre Hand, die, nach Egyptens Plagen, Noch immer ſtark genug den Brand an's Bagnothor zu tragen! Doch ihr, die ihr den ganzen Saft der Muttererde trinkt, An deren Zweig das erſte Blatt ſchon wie Smaragde blinkt, Ihr!“ — unſer Dichter ſtutzt — er hört an den Hollunder¬ ſträuchen Sein Erſtlingsreis, den Göttinger, wie eine Walze keuchen. Und auf der Bank — ſein Manuſcript — o Peſt! ſein Dichter¬ kranz — Dort fliegt er, droben in der Luft, als langer Drachen¬ ſchwanz! Und — was? ein Guß? — bei Gott, da hängt der Bub', die wilde Katze, Am Aſt, und leert den Waſſerkrug auf ſeines Vaters Glatze!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/46
Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/46>, abgerufen am 07.10.2024.