Sacht langt die Decke er herbei und schlägt sie um des Thieres Weichen, Dann läßt er der Laterne Schein ob den gespannten Sehnen streichen; Es ist vorbei, kein Odemhauch, Und schon verschwimmt der Flanken Rauch.
Vom Boden hebt er sich, er steht, der schwergebeugte Mann der Sorgen, Und langsam hat er seine Stirn, hat sie in hohler Hand geborgen; Was heute war? was morgen wird? wie könnt' er dessen sich entsinnen! Und der Verzweiflung Schlange fühlt er kalt zum Herzen niederrinnen; Was war? was ist? -- er fährt empor, Ein Klirren, dicht an seinem Ohr!
Und an dem nächsten Ständer lehnt, des todten Rappen Zaum und Zügel Gelassen wägend in der Hand, ein Mann mit Hafermaaß und Striegel, So stämmig wie durch Frost und Staub der Kärrner treibt die derben Glieder, In seinen breiten Nacken hängt der breite Schlapphut tröpfelnd nieder, Und ruhig auf den Täuscher itzt Sein graubewimpert Auge blitzt.
Sacht langt die Decke er herbei und ſchlägt ſie um des Thieres Weichen, Dann läßt er der Laterne Schein ob den geſpannten Sehnen ſtreichen; Es iſt vorbei, kein Odemhauch, Und ſchon verſchwimmt der Flanken Rauch.
Vom Boden hebt er ſich, er ſteht, der ſchwergebeugte Mann der Sorgen, Und langſam hat er ſeine Stirn, hat ſie in hohler Hand geborgen; Was heute war? was morgen wird? wie könnt' er deſſen ſich entſinnen! Und der Verzweiflung Schlange fühlt er kalt zum Herzen niederrinnen; Was war? was iſt? — er fährt empor, Ein Klirren, dicht an ſeinem Ohr!
Und an dem nächſten Ständer lehnt, des todten Rappen Zaum und Zügel Gelaſſen wägend in der Hand, ein Mann mit Hafermaaß und Striegel, So ſtämmig wie durch Froſt und Staub der Kärrner treibt die derben Glieder, In ſeinen breiten Nacken hängt der breite Schlapphut tröpfelnd nieder, Und ruhig auf den Täuſcher itzt Sein graubewimpert Auge blitzt.
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Sacht langt die Decke er herbei und ſchlägt ſie um des
Thieres Weichen,
Dann läßt er der Laterne Schein ob den geſpannten Sehnen
ſtreichen;
Es iſt vorbei, kein Odemhauch,
Und ſchon verſchwimmt der Flanken Rauch.
Vom Boden hebt er ſich, er ſteht, der ſchwergebeugte Mann
der Sorgen,
Und langſam hat er ſeine Stirn, hat ſie in hohler Hand
geborgen;
Was heute war? was morgen wird? wie könnt' er deſſen
ſich entſinnen!
Und der Verzweiflung Schlange fühlt er kalt zum Herzen
niederrinnen;
Was war? was iſt? — er fährt empor,
Ein Klirren, dicht an ſeinem Ohr!
Und an dem nächſten Ständer lehnt, des todten Rappen
Zaum und Zügel
Gelaſſen wägend in der Hand, ein Mann mit Hafermaaß
und Striegel,
So ſtämmig wie durch Froſt und Staub der Kärrner treibt
die derben Glieder,
In ſeinen breiten Nacken hängt der breite Schlapphut tröpfelnd
nieder,
Und ruhig auf den Täuſcher itzt
Sein graubewimpert Auge blitzt.
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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/385>, abgerufen am 22.11.2024.
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