Da sieht er, hoch an des Thurmes Zimier, Den armen Tüncher auf schwankenden Bohlen. "Ha," murrt er, heute nicht Beute noch Schuß, Nie kam ich noch wieder mit solchem Verdruß, Ich möchte mir drüben den Spatzen wohl holen!"
Der Tüncher sieht wie er blinzelt empor, Und will nach dem ärmlichen Hütlein greifen, Da sieht er drunten visieren das Rohr, Da hört er den Knall, und die Kugel noch pfeifen; Getroffen, getroffen! -- er schaukelt, er dreht, Mit Ziegel und Bohle und Handwerksgeräth Kollert er nieder zum rasigen Streifen.
Als träf ihn selber das Todesgeschoß So zuckt der Prälat, seine Augen blitzen, "Marschalk!" stöhnt er, die Stirne wird naß, Am schwellenden Halse zittern die Spitzen, Dann fährt auf die Wange ein glühendes Roth, Und "Marschalk!" ruft er, "das bringt dir den Tod! Greift ihn, greift ihn, meine Treiber und Schützen!"
Doch lächelnd der Spiegel vom Hengste schaut, Er lächelt umher auf die bleichen Vasallen: "Mein gnädigster Herr, nicht zu laut, nicht zu laut, Eu'r Dräuen möchte im Winde verhallen!" Dann wendet er rasch, im sausenden Lauf Durchs Thor und die donnernde Brücke hinauf. -- Zu spät, zu spät sind die Gitter gefallen!
Da ſieht er, hoch an des Thurmes Zimier, Den armen Tüncher auf ſchwankenden Bohlen. „Ha,“ murrt er, heute nicht Beute noch Schuß, Nie kam ich noch wieder mit ſolchem Verdruß, Ich möchte mir drüben den Spatzen wohl holen!“
Der Tüncher ſieht wie er blinzelt empor, Und will nach dem ärmlichen Hütlein greifen, Da ſieht er drunten viſieren das Rohr, Da hört er den Knall, und die Kugel noch pfeifen; Getroffen, getroffen! — er ſchaukelt, er dreht, Mit Ziegel und Bohle und Handwerksgeräth Kollert er nieder zum raſigen Streifen.
Als träf ihn ſelber das Todesgeſchoß So zuckt der Prälat, ſeine Augen blitzen, „Marſchalk!“ ſtöhnt er, die Stirne wird naß, Am ſchwellenden Halſe zittern die Spitzen, Dann fährt auf die Wange ein glühendes Roth, Und „Marſchalk!“ ruft er, „das bringt dir den Tod! Greift ihn, greift ihn, meine Treiber und Schützen!“
Doch lächelnd der Spiegel vom Hengſte ſchaut, Er lächelt umher auf die bleichen Vaſallen: „Mein gnädigſter Herr, nicht zu laut, nicht zu laut, Eu'r Dräuen möchte im Winde verhallen!“ Dann wendet er raſch, im ſauſenden Lauf Durchs Thor und die donnernde Brücke hinauf. — Zu ſpät, zu ſpät ſind die Gitter gefallen!
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><lgtype="poem"><lgn="4"><pbfacs="#f0376"n="362"/><l>Da ſieht er, hoch an des Thurmes Zimier,</l><lb/><l>Den armen Tüncher auf ſchwankenden Bohlen.</l><lb/><l>„Ha,“ murrt er, heute nicht Beute noch Schuß,</l><lb/><l>Nie kam ich noch wieder mit ſolchem Verdruß,</l><lb/><l>Ich möchte mir drüben den Spatzen wohl holen!“</l><lb/></lg><lgn="5"><l>Der Tüncher ſieht wie er blinzelt empor,</l><lb/><l>Und will nach dem ärmlichen Hütlein greifen,</l><lb/><l>Da ſieht er drunten viſieren das Rohr,</l><lb/><l>Da hört er den Knall, und die Kugel noch pfeifen;</l><lb/><l>Getroffen, getroffen! — er ſchaukelt, er dreht,</l><lb/><l>Mit Ziegel und Bohle und Handwerksgeräth</l><lb/><l>Kollert er nieder zum raſigen Streifen.</l><lb/></lg><lgn="6"><l>Als träf ihn ſelber das Todesgeſchoß</l><lb/><l>So zuckt der Prälat, ſeine Augen blitzen,</l><lb/><l>„Marſchalk!“ſtöhnt er, die Stirne wird naß,</l><lb/><l>Am ſchwellenden Halſe zittern die Spitzen,</l><lb/><l>Dann fährt auf die Wange ein glühendes Roth,</l><lb/><l>Und „Marſchalk!“ ruft er, „das bringt dir den Tod!</l><lb/><l>Greift ihn, greift ihn, meine Treiber und Schützen!“</l><lb/></lg><lgn="7"><l>Doch lächelnd der Spiegel vom Hengſte ſchaut,</l><lb/><l>Er lächelt umher auf die bleichen Vaſallen:</l><lb/><l>„Mein gnädigſter Herr, nicht zu laut, nicht zu laut,</l><lb/><l>Eu'r Dräuen möchte im Winde verhallen!“</l><lb/><l>Dann wendet er raſch, im ſauſenden Lauf</l><lb/><l>Durchs Thor und die donnernde Brücke hinauf. —</l><lb/><l>Zu ſpät, zu ſpät ſind die Gitter gefallen!</l><lb/></lg></lg></div></div></body></text></TEI>
[362/0376]
Da ſieht er, hoch an des Thurmes Zimier,
Den armen Tüncher auf ſchwankenden Bohlen.
„Ha,“ murrt er, heute nicht Beute noch Schuß,
Nie kam ich noch wieder mit ſolchem Verdruß,
Ich möchte mir drüben den Spatzen wohl holen!“
Der Tüncher ſieht wie er blinzelt empor,
Und will nach dem ärmlichen Hütlein greifen,
Da ſieht er drunten viſieren das Rohr,
Da hört er den Knall, und die Kugel noch pfeifen;
Getroffen, getroffen! — er ſchaukelt, er dreht,
Mit Ziegel und Bohle und Handwerksgeräth
Kollert er nieder zum raſigen Streifen.
Als träf ihn ſelber das Todesgeſchoß
So zuckt der Prälat, ſeine Augen blitzen,
„Marſchalk!“ ſtöhnt er, die Stirne wird naß,
Am ſchwellenden Halſe zittern die Spitzen,
Dann fährt auf die Wange ein glühendes Roth,
Und „Marſchalk!“ ruft er, „das bringt dir den Tod!
Greift ihn, greift ihn, meine Treiber und Schützen!“
Doch lächelnd der Spiegel vom Hengſte ſchaut,
Er lächelt umher auf die bleichen Vaſallen:
„Mein gnädigſter Herr, nicht zu laut, nicht zu laut,
Eu'r Dräuen möchte im Winde verhallen!“
Dann wendet er raſch, im ſauſenden Lauf
Durchs Thor und die donnernde Brücke hinauf. —
Zu ſpät, zu ſpät ſind die Gitter gefallen!
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/376>, abgerufen am 22.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.