Sacht pochet der Käfer im morschen Schrein, Der Mond steht über den Fichten. "Jesus Maria, wo mag sie seyn! Hin will meine Angst mich richten. Helene, Helene, was ließ ich dich gehn Allein zur Stadt mit den Hunden, Du armes Kind, das sterbend mir Auf die Seele die Mutter gebunden!"
Und wieder rennt Gertrude den Weg Hinauf bis über die Steige. Hier ist ein Tobel -- sie lauscht am Steg, Ein Strauch -- sie rüttelt am Zweige. Da drunten summet es Elf im Thurm, Gertrude kniet an der Halde: "Du armes Blut, du verlassener Wurm! Wo magst du irren im Walde!"
Und zitternd löst sie den Rosenkranz Von ihres Gürtels Gehänge, Ihr Auge starret in trübem Glanz, Ob es die Dämmerung sprenge. "Ave Maria -- ein Licht, ein Licht! Sie kömmt, 's ist ihre Laterne! -- Ach Gott, es ist nur ein Hirtenfeur, Jetzt wirft es flatternde Sterne.
Die Schweſtern.
I.
Sacht pochet der Käfer im morſchen Schrein, Der Mond ſteht über den Fichten. „Jeſus Maria, wo mag ſie ſeyn! Hin will meine Angſt mich richten. Helene, Helene, was ließ ich dich gehn Allein zur Stadt mit den Hunden, Du armes Kind, das ſterbend mir Auf die Seele die Mutter gebunden!“
Und wieder rennt Gertrude den Weg Hinauf bis über die Steige. Hier iſt ein Tobel — ſie lauſcht am Steg, Ein Strauch — ſie rüttelt am Zweige. Da drunten ſummet es Elf im Thurm, Gertrude kniet an der Halde: „Du armes Blut, du verlaſſener Wurm! Wo magſt du irren im Walde!“
Und zitternd löſt ſie den Roſenkranz Von ihres Gürtels Gehänge, Ihr Auge ſtarret in trübem Glanz, Ob es die Dämmerung ſprenge. „Ave Maria — ein Licht, ein Licht! Sie kömmt, 's iſt ihre Laterne! — Ach Gott, es iſt nur ein Hirtenfeur, Jetzt wirft es flatternde Sterne.
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Die Schweſtern.
I.
Sacht pochet der Käfer im morſchen Schrein,
Der Mond ſteht über den Fichten.
„Jeſus Maria, wo mag ſie ſeyn!
Hin will meine Angſt mich richten.
Helene, Helene, was ließ ich dich gehn
Allein zur Stadt mit den Hunden,
Du armes Kind, das ſterbend mir
Auf die Seele die Mutter gebunden!“
Und wieder rennt Gertrude den Weg
Hinauf bis über die Steige.
Hier iſt ein Tobel — ſie lauſcht am Steg,
Ein Strauch — ſie rüttelt am Zweige.
Da drunten ſummet es Elf im Thurm,
Gertrude kniet an der Halde:
„Du armes Blut, du verlaſſener Wurm!
Wo magſt du irren im Walde!“
Und zitternd löſt ſie den Roſenkranz
Von ihres Gürtels Gehänge,
Ihr Auge ſtarret in trübem Glanz,
Ob es die Dämmerung ſprenge.
„Ave Maria — ein Licht, ein Licht!
Sie kömmt, 's iſt ihre Laterne!
— Ach Gott, es iſt nur ein Hirtenfeur,
Jetzt wirft es flatternde Sterne.
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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/339>, abgerufen am 22.11.2024.
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