Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.

Bild:
<< vorherige Seite

Einen Blitz aus glühendem Aug',
Und rückwärts taumelt die Stute.
"Ei, Sorella, was fehlt dir auch?
Mein Töchterchen, meine Gute."

Candiszucker langt er hervor;
Ha, wie ihre Nüstern blasen!
Wie sie naschet, gespitzt das Ohr,
Und immer glotzet zum Rasen!
Einen Blick der Podesta scheu
Schießt über die glitzernde Aue,
Rückt am Dolche, und dann aufs neu:
"Mein Schimmelchen, meine Graue!"
Wie er über den Hag sich biegt,
Am Nacken des Thieres gleitet,
Auf Geronimo's Auge liegt
Des Feindes Mantel gebreitet;
O, nie hat so heiß und schwer
Geronimo, nie gelegen,
Jede Muskel im Arm fühlt er
Wie eine Viper sich regen.
Doch er ist ein gläubiger Christ,
Geht jede Woche zur Beichte,
Hat voll Andacht noch heut geküßt
Christofero's heilige Leuchte.
Sünde wär's, das Messer im Schlund
Des Ungewarnten zu bergen,
Sonst -- alleine, allein der Hund!
Bewaffnet, und ohne Schergen!

Einen Blitz aus glühendem Aug',
Und rückwärts taumelt die Stute.
„Ei, Sorella, was fehlt dir auch?
Mein Töchterchen, meine Gute.“

Candiszucker langt er hervor;
Ha, wie ihre Nüſtern blaſen!
Wie ſie naſchet, geſpitzt das Ohr,
Und immer glotzet zum Raſen!
Einen Blick der Podeſta ſcheu
Schießt über die glitzernde Aue,
Rückt am Dolche, und dann aufs neu:
„Mein Schimmelchen, meine Graue!“
Wie er über den Hag ſich biegt,
Am Nacken des Thieres gleitet,
Auf Geronimo's Auge liegt
Des Feindes Mantel gebreitet;
O, nie hat ſo heiß und ſchwer
Geronimo, nie gelegen,
Jede Muskel im Arm fühlt er
Wie eine Viper ſich regen.
Doch er iſt ein gläubiger Chriſt,
Geht jede Woche zur Beichte,
Hat voll Andacht noch heut geküßt
Chriſtofero's heilige Leuchte.
Sünde wär's, das Meſſer im Schlund
Des Ungewarnten zu bergen,
Sonſt — alleine, allein der Hund!
Bewaffnet, und ohne Schergen!
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <lg type="poem">
              <lg n="7">
                <pb facs="#f0323" n="309"/>
                <l>Einen Blitz aus glühendem Aug',</l><lb/>
                <l>Und rückwärts taumelt die Stute.</l><lb/>
                <l>&#x201E;Ei, Sorella, was fehlt dir auch?</l><lb/>
                <l>Mein Töchterchen, meine Gute.&#x201C;</l><lb/>
              </lg>
              <lg n="8">
                <l>Candiszucker langt er hervor;</l><lb/>
                <l>Ha, wie ihre Nü&#x017F;tern bla&#x017F;en!</l><lb/>
                <l>Wie &#x017F;ie na&#x017F;chet, ge&#x017F;pitzt das Ohr,</l><lb/>
                <l>Und immer glotzet zum Ra&#x017F;en!</l><lb/>
                <l>Einen Blick der Pode&#x017F;ta &#x017F;cheu</l><lb/>
                <l>Schießt über die glitzernde Aue,</l><lb/>
                <l>Rückt am Dolche, und dann aufs neu:</l><lb/>
                <l>&#x201E;Mein Schimmelchen, meine Graue!&#x201C;</l><lb/>
              </lg>
              <lg n="9">
                <l>Wie er über den Hag &#x017F;ich biegt,</l><lb/>
                <l>Am Nacken des Thieres gleitet,</l><lb/>
                <l>Auf Geronimo's Auge liegt</l><lb/>
                <l>Des Feindes Mantel gebreitet;</l><lb/>
                <l>O, nie hat &#x017F;o heiß und &#x017F;chwer</l><lb/>
                <l>Geronimo, nie gelegen,</l><lb/>
                <l>Jede Muskel im Arm fühlt er</l><lb/>
                <l>Wie eine Viper &#x017F;ich regen.</l><lb/>
              </lg>
              <lg n="10">
                <l>Doch er i&#x017F;t ein gläubiger Chri&#x017F;t,</l><lb/>
                <l>Geht jede Woche zur Beichte,</l><lb/>
                <l>Hat voll Andacht noch heut geküßt</l><lb/>
                <l>Chri&#x017F;tofero's heilige Leuchte.</l><lb/>
                <l>Sünde wär's, das Me&#x017F;&#x017F;er im Schlund</l><lb/>
                <l>Des Ungewarnten zu bergen,</l><lb/>
                <l>Son&#x017F;t &#x2014; alleine, allein der Hund!</l><lb/>
                <l>Bewaffnet, und ohne Schergen!</l><lb/>
              </lg>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[309/0323] Einen Blitz aus glühendem Aug', Und rückwärts taumelt die Stute. „Ei, Sorella, was fehlt dir auch? Mein Töchterchen, meine Gute.“ Candiszucker langt er hervor; Ha, wie ihre Nüſtern blaſen! Wie ſie naſchet, geſpitzt das Ohr, Und immer glotzet zum Raſen! Einen Blick der Podeſta ſcheu Schießt über die glitzernde Aue, Rückt am Dolche, und dann aufs neu: „Mein Schimmelchen, meine Graue!“ Wie er über den Hag ſich biegt, Am Nacken des Thieres gleitet, Auf Geronimo's Auge liegt Des Feindes Mantel gebreitet; O, nie hat ſo heiß und ſchwer Geronimo, nie gelegen, Jede Muskel im Arm fühlt er Wie eine Viper ſich regen. Doch er iſt ein gläubiger Chriſt, Geht jede Woche zur Beichte, Hat voll Andacht noch heut geküßt Chriſtofero's heilige Leuchte. Sünde wär's, das Meſſer im Schlund Des Ungewarnten zu bergen, Sonſt — alleine, allein der Hund! Bewaffnet, und ohne Schergen!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/323
Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/323>, abgerufen am 22.11.2024.