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Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846.

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Armuth und Verbrechen.
gen und einen solchen Menschen, der mir vielleicht meine
Gesellen noch verführt, kann ich nicht brauchen." --

Schenk trieb sich in düsterer Verzweiflung umher.
Zuweilen erhielt er irgend eine zufällige Beschäftigung,
einen Auftrag zum Lasttragen oder auch auf Tagelohn.
Den kleinen Verdienst brachte er dann seinem Weib
und Kinde, für sich selbst -- erbettelte er das Brot.
Er sank moralisch und physisch tiefer und tiefer in's
Elend. Und dennoch, bei all diesem Jammer, den ihm
das stumme Leid seines abgezehrten, zerlumpten Weibes
und seines siechenden Kindes verursachte, bei all der
gräßlichen Verzweiflung und all dem heißen, bittern Groll
gegen die Gerechtigkeit der menschlichen Gesellschaft, die
ihn zu diesem unverschuldeten Loos verfluchte, dennoch
lebte er dies Leben drei lange Jahre lang. Drei Jahre!
Wie ist doch die Zeit ein schlechtes Maaß für ein Men¬
schenleben! Dem Reichen verfliegt in Lust und Freuden
die Zeit so schnell, daß er am Sterbebett nicht weiß,
wo sie geblieben ist; aber dem Unglücklichen war sie
eine qualvolle Ewigkeit.


Armuth und Verbrechen.
gen und einen ſolchen Menſchen, der mir vielleicht meine
Geſellen noch verfuͤhrt, kann ich nicht brauchen.“ —

Schenk trieb ſich in duͤſterer Verzweiflung umher.
Zuweilen erhielt er irgend eine zufaͤllige Beſchaͤftigung,
einen Auftrag zum Laſttragen oder auch auf Tagelohn.
Den kleinen Verdienſt brachte er dann ſeinem Weib
und Kinde, fuͤr ſich ſelbſt — erbettelte er das Brot.
Er ſank moraliſch und phyſiſch tiefer und tiefer in's
Elend. Und dennoch, bei all dieſem Jammer, den ihm
das ſtumme Leid ſeines abgezehrten, zerlumpten Weibes
und ſeines ſiechenden Kindes verurſachte, bei all der
graͤßlichen Verzweiflung und all dem heißen, bittern Groll
gegen die Gerechtigkeit der menſchlichen Geſellſchaft, die
ihn zu dieſem unverſchuldeten Loos verfluchte, dennoch
lebte er dies Leben drei lange Jahre lang. Drei Jahre!
Wie iſt doch die Zeit ein ſchlechtes Maaß fuͤr ein Men¬
ſchenleben! Dem Reichen verfliegt in Luſt und Freuden
die Zeit ſo ſchnell, daß er am Sterbebett nicht weiß,
wo ſie geblieben iſt; aber dem Ungluͤcklichen war ſie
eine qualvolle Ewigkeit.


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[22/0036] Armuth und Verbrechen. gen und einen ſolchen Menſchen, der mir vielleicht meine Geſellen noch verfuͤhrt, kann ich nicht brauchen.“ — Schenk trieb ſich in duͤſterer Verzweiflung umher. Zuweilen erhielt er irgend eine zufaͤllige Beſchaͤftigung, einen Auftrag zum Laſttragen oder auch auf Tagelohn. Den kleinen Verdienſt brachte er dann ſeinem Weib und Kinde, fuͤr ſich ſelbſt — erbettelte er das Brot. Er ſank moraliſch und phyſiſch tiefer und tiefer in's Elend. Und dennoch, bei all dieſem Jammer, den ihm das ſtumme Leid ſeines abgezehrten, zerlumpten Weibes und ſeines ſiechenden Kindes verurſachte, bei all der graͤßlichen Verzweiflung und all dem heißen, bittern Groll gegen die Gerechtigkeit der menſchlichen Geſellſchaft, die ihn zu dieſem unverſchuldeten Loos verfluchte, dennoch lebte er dies Leben drei lange Jahre lang. Drei Jahre! Wie iſt doch die Zeit ein ſchlechtes Maaß fuͤr ein Men¬ ſchenleben! Dem Reichen verfliegt in Luſt und Freuden die Zeit ſo ſchnell, daß er am Sterbebett nicht weiß, wo ſie geblieben iſt; aber dem Ungluͤcklichen war ſie eine qualvolle Ewigkeit.

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Zitationshilfe: Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dronke_polizeigeschichten_1846/36>, abgerufen am 23.11.2024.