noch einmal Thee nach, und der Referendar begann nun¬ mehr seine Erzählung.
"In dem Hause, wo ich seit meiner Beschäftigung beim *** Gericht wohne, lebte unten im Erdgeschoß auch ein armer Schuster, eigentlich wohl nur ein Flickschuster zu nennen, denn er hatte wenig anderes als Flickarbeit für seine Kunden zu besorgen. Ich war beim Ein- und A[us]gehen schon auf ihn aufmerksam geworden, da ich ihn bei seinem höchst kümmerlichen Verdienst immer sin¬ gend und guter Dinge fand; später erbot er sich mir zur Aufwartung, und so wurde ich genauer mit ihm bekannt. Es war eine drollige humoristische Figur, mit einem überraschend schlagenden Witz begabt, und dabei von un¬ gemeiner Lernbegierde. Ich unterhielt mich gewöhnlich jeden Morgen längere Zeit mit ihm, eigentlich um mich an seinen Späßen und seiner ganzen drolligen Weise zu ergetzen, aber ich mußte bald auch seinen wißbegierigen Ernst bewundern, und gestehe, daß mich dieser arme Teufel aus dem Volk manchmal durch seine Fragen in Verlegenheit gesetzt hat. Dabei hatte er einen so richti¬
Die vorgeſetzte Dienſtbehoͤrde.
noch einmal Thee nach, und der Referendar begann nun¬ mehr ſeine Erzaͤhlung.
„In dem Hauſe, wo ich ſeit meiner Beſchaͤftigung beim *** Gericht wohne, lebte unten im Erdgeſchoß auch ein armer Schuſter, eigentlich wohl nur ein Flickſchuſter zu nennen, denn er hatte wenig anderes als Flickarbeit fuͤr ſeine Kunden zu beſorgen. Ich war beim Ein- und A[us]gehen ſchon auf ihn aufmerkſam geworden, da ich ihn bei ſeinem hoͤchſt kuͤmmerlichen Verdienſt immer ſin¬ gend und guter Dinge fand; ſpaͤter erbot er ſich mir zur Aufwartung, und ſo wurde ich genauer mit ihm bekannt. Es war eine drollige humoriſtiſche Figur, mit einem uͤberraſchend ſchlagenden Witz begabt, und dabei von un¬ gemeiner Lernbegierde. Ich unterhielt mich gewoͤhnlich jeden Morgen laͤngere Zeit mit ihm, eigentlich um mich an ſeinen Spaͤßen und ſeiner ganzen drolligen Weiſe zu ergetzen, aber ich mußte bald auch ſeinen wißbegierigen Ernſt bewundern, und geſtehe, daß mich dieſer arme Teufel aus dem Volk manchmal durch ſeine Fragen in Verlegenheit geſetzt hat. Dabei hatte er einen ſo richti¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0139"n="125"/><fwplace="top"type="header">Die vorgeſetzte Dienſtbehoͤrde.<lb/></fw>noch einmal Thee nach, und der Referendar begann nun¬<lb/>
mehr ſeine Erzaͤhlung.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>„In dem Hauſe, wo ich ſeit meiner Beſchaͤftigung<lb/>
beim *** Gericht wohne, lebte unten im Erdgeſchoß auch<lb/>
ein armer Schuſter, eigentlich wohl nur ein Flickſchuſter<lb/>
zu nennen, denn er hatte wenig anderes als Flickarbeit<lb/>
fuͤr ſeine Kunden zu beſorgen. Ich war beim Ein- und<lb/>
A<supplied>us</supplied>gehen ſchon auf ihn aufmerkſam geworden, da ich<lb/>
ihn bei ſeinem hoͤchſt kuͤmmerlichen Verdienſt immer ſin¬<lb/>
gend und guter Dinge fand; ſpaͤter erbot er ſich mir zur<lb/>
Aufwartung, und ſo wurde ich genauer mit ihm bekannt.<lb/>
Es war eine drollige humoriſtiſche Figur, mit einem<lb/>
uͤberraſchend ſchlagenden Witz begabt, und dabei von un¬<lb/>
gemeiner Lernbegierde. Ich unterhielt mich gewoͤhnlich<lb/>
jeden Morgen laͤngere Zeit mit ihm, eigentlich um mich<lb/>
an ſeinen Spaͤßen und ſeiner ganzen drolligen Weiſe zu<lb/>
ergetzen, aber ich mußte bald auch ſeinen wißbegierigen<lb/>
Ernſt bewundern, und geſtehe, daß mich dieſer arme<lb/>
Teufel aus dem Volk manchmal durch ſeine Fragen in<lb/>
Verlegenheit geſetzt hat. Dabei hatte er einen ſo richti¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[125/0139]
Die vorgeſetzte Dienſtbehoͤrde.
noch einmal Thee nach, und der Referendar begann nun¬
mehr ſeine Erzaͤhlung.
„In dem Hauſe, wo ich ſeit meiner Beſchaͤftigung
beim *** Gericht wohne, lebte unten im Erdgeſchoß auch
ein armer Schuſter, eigentlich wohl nur ein Flickſchuſter
zu nennen, denn er hatte wenig anderes als Flickarbeit
fuͤr ſeine Kunden zu beſorgen. Ich war beim Ein- und
Ausgehen ſchon auf ihn aufmerkſam geworden, da ich
ihn bei ſeinem hoͤchſt kuͤmmerlichen Verdienſt immer ſin¬
gend und guter Dinge fand; ſpaͤter erbot er ſich mir zur
Aufwartung, und ſo wurde ich genauer mit ihm bekannt.
Es war eine drollige humoriſtiſche Figur, mit einem
uͤberraſchend ſchlagenden Witz begabt, und dabei von un¬
gemeiner Lernbegierde. Ich unterhielt mich gewoͤhnlich
jeden Morgen laͤngere Zeit mit ihm, eigentlich um mich
an ſeinen Spaͤßen und ſeiner ganzen drolligen Weiſe zu
ergetzen, aber ich mußte bald auch ſeinen wißbegierigen
Ernſt bewundern, und geſtehe, daß mich dieſer arme
Teufel aus dem Volk manchmal durch ſeine Fragen in
Verlegenheit geſetzt hat. Dabei hatte er einen ſo richti¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dronke_polizeigeschichten_1846/139>, abgerufen am 07.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.