Spitzbubenbanden, und wenn nun solche, auch selbst auf Einbrüchen, oder wo sonst Carl des fünften pein- liche Halsgerichts-Ordnung den Strang setzt, er- griffen würden, kämen sie doch los, denn die Ju- den, die sich es zur Pflicht machten, einem Juden das Leben zu retten, sonderlich aber zu hindern, daß er nicht gehangen würde, legten Vorbitten ein, und begleiteten sie mit Geld, das bey einem armen Für- sten mehr wiegt, als das Wohl und die Sicherheit der Unterthanen. Ob ihre Klagen wahr sind, die man mir erzählt hat, will ich nicht untersuchen: allein so lange nur der Verdacht dauret, wäre eine Juden-Nationalisation schrecklich. Dis schreck- liche kann bloß durch gute Uebung des Kir- chenbannes wegfallen: der Jude, der gestohlen, der falsch geschworen hat, sey kein Jude mehr, die jüdische Gemeine verliere alle ihr verliehene Rechte, wenn sie Judenliebe gegen ihn beweiset, und sich auch nur mittelbar verwendet, ihn vom Stran- ge los zu machen. Juden, die sich nicht so vom Meineidigen oder Spitzbuben lossagen wollten, wo- für sollte man die halten? und wie könnte man ih- nen mehr Rechte geben? da die blosse bisherige Dul- dung gerade durch die besondere über Menschenliebe
so
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Spitzbubenbanden, und wenn nun ſolche, auch ſelbſt auf Einbruͤchen, oder wo ſonſt Carl des fuͤnften pein- liche Halsgerichts-Ordnung den Strang ſetzt, er- griffen wuͤrden, kaͤmen ſie doch los, denn die Ju- den, die ſich es zur Pflicht machten, einem Juden das Leben zu retten, ſonderlich aber zu hindern, daß er nicht gehangen wuͤrde, legten Vorbitten ein, und begleiteten ſie mit Geld, das bey einem armen Fuͤr- ſten mehr wiegt, als das Wohl und die Sicherheit der Unterthanen. Ob ihre Klagen wahr ſind, die man mir erzaͤhlt hat, will ich nicht unterſuchen: allein ſo lange nur der Verdacht dauret, waͤre eine Juden-Nationaliſation ſchrecklich. Dis ſchreck- liche kann bloß durch gute Uebung des Kir- chenbannes wegfallen: der Jude, der geſtohlen, der falſch geſchworen hat, ſey kein Jude mehr, die juͤdiſche Gemeine verliere alle ihr verliehene Rechte, wenn ſie Judenliebe gegen ihn beweiſet, und ſich auch nur mittelbar verwendet, ihn vom Stran- ge los zu machen. Juden, die ſich nicht ſo vom Meineidigen oder Spitzbuben losſagen wollten, wo- fuͤr ſollte man die halten? und wie koͤnnte man ih- nen mehr Rechte geben? da die bloſſe bisherige Dul- dung gerade durch die beſondere uͤber Menſchenliebe
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Spitzbubenbanden, und wenn nun ſolche, auch ſelbſt
auf Einbruͤchen, oder wo ſonſt Carl des fuͤnften pein-
liche Halsgerichts-Ordnung den Strang ſetzt, er-
griffen wuͤrden, kaͤmen ſie doch los, denn die Ju-
den, die ſich es zur Pflicht machten, einem Juden
das Leben zu retten, ſonderlich aber zu hindern, daß
er nicht gehangen wuͤrde, legten Vorbitten ein, und
begleiteten ſie mit Geld, das bey einem armen Fuͤr-
ſten mehr wiegt, als das Wohl und die Sicherheit
der Unterthanen. Ob ihre Klagen wahr ſind, die
man mir erzaͤhlt hat, will ich nicht unterſuchen:
allein ſo lange nur der Verdacht dauret, waͤre eine
Juden-Nationaliſation ſchrecklich. Dis ſchreck-
liche kann bloß durch gute Uebung des Kir-
chenbannes wegfallen: der Jude, der geſtohlen,
der falſch geſchworen hat, ſey kein Jude mehr,
die juͤdiſche Gemeine verliere alle ihr verliehene
Rechte, wenn ſie Judenliebe gegen ihn beweiſet, und
ſich auch nur mittelbar verwendet, ihn vom Stran-
ge los zu machen. Juden, die ſich nicht ſo vom
Meineidigen oder Spitzbuben losſagen wollten, wo-
fuͤr ſollte man die halten? und wie koͤnnte man ih-
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Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/95>, abgerufen am 24.11.2024.
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