haupt kirchliche Rechte gebe, soll ich mich hier wohl nicht einlassen, sie gehört an einen ganz andern Ort: ich glaube sie, (und das werden die meisten Leser auch thun) dabey wissen meine Zuhörer in der Moral, daß ich der Kirche über Layen wenig Rechte verstatte, (über ihren besoldeten Diener, den Lehrer, muß sie mehr haben) daß ich gegen die frommen Wünsche ei- ner strengen Kirchenzucht rede, und das gefährliche der Kirchenzucht zeige, sie mag nun aristocratisch von Geistlichen oder democratisch geübt werden, daß ich sogar dem Geistlichen kein Recht gebe, einen so be- kannten Bösewicht, als Judas Ischarloth war, vom heiligen Abendmahl auszuschliessen, weil Christus es nicht gethan hat, wenn er, nur nicht als Spötter und Entehrer der Handlung, hinzugehen will: daß unsere Kirche von ihrem Gottesdienst, sofern er in Gesang, Gebet, und Unterricht besteht, keinen aus- schließt, weiß jeder und ich billige es von ganzem Her- zen. Und nun wird wohl niemand zu wissen verlan- gen, was ich bey dem Widerspruch zwischen D. und M. denke, sondern als gewiß zum voraussetzen; ich sey auf der gütigern Seite Mendelssohns. Das bin ich doch nicht, sondern gewissermassen in der Mitte. Die Kirche des herrschenden Volks handelte thöricht und hart, wenn sie einen Irrgläubigen, Ungläubi-
gen,
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haupt kirchliche Rechte gebe, ſoll ich mich hier wohl nicht einlaſſen, ſie gehoͤrt an einen ganz andern Ort: ich glaube ſie, (und das werden die meiſten Leſer auch thun) dabey wiſſen meine Zuhoͤrer in der Moral, daß ich der Kirche uͤber Layen wenig Rechte verſtatte, (uͤber ihren beſoldeten Diener, den Lehrer, muß ſie mehr haben) daß ich gegen die frommen Wuͤnſche ei- ner ſtrengen Kirchenzucht rede, und das gefaͤhrliche der Kirchenzucht zeige, ſie mag nun ariſtocratiſch von Geiſtlichen oder democratiſch geuͤbt werden, daß ich ſogar dem Geiſtlichen kein Recht gebe, einen ſo be- kannten Boͤſewicht, als Judas Iſcharloth war, vom heiligen Abendmahl auszuſchlieſſen, weil Chriſtus es nicht gethan hat, wenn er, nur nicht als Spoͤtter und Entehrer der Handlung, hinzugehen will: daß unſere Kirche von ihrem Gottesdienſt, ſofern er in Geſang, Gebet, und Unterricht beſteht, keinen aus- ſchließt, weiß jeder und ich billige es von ganzem Her- zen. Und nun wird wohl niemand zu wiſſen verlan- gen, was ich bey dem Widerſpruch zwiſchen D. und M. denke, ſondern als gewiß zum vorausſetzen; ich ſey auf der guͤtigern Seite Mendelsſohns. Das bin ich doch nicht, ſondern gewiſſermaſſen in der Mitte. Die Kirche des herrſchenden Volks handelte thoͤricht und hart, wenn ſie einen Irrglaͤubigen, Unglaͤubi-
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haupt kirchliche Rechte gebe, ſoll ich mich hier wohl
nicht einlaſſen, ſie gehoͤrt an einen ganz andern Ort:
ich glaube ſie, (und das werden die meiſten Leſer auch
thun) dabey wiſſen meine Zuhoͤrer in der Moral,
daß ich der Kirche uͤber Layen wenig Rechte verſtatte,
(uͤber ihren beſoldeten Diener, den Lehrer, muß ſie
mehr haben) daß ich gegen die frommen Wuͤnſche ei-
ner ſtrengen Kirchenzucht rede, und das gefaͤhrliche
der Kirchenzucht zeige, ſie mag nun ariſtocratiſch von
Geiſtlichen oder democratiſch geuͤbt werden, daß ich
ſogar dem Geiſtlichen kein Recht gebe, einen ſo be-
kannten Boͤſewicht, als Judas Iſcharloth war, vom
heiligen Abendmahl auszuſchlieſſen, weil Chriſtus es
nicht gethan hat, wenn er, nur nicht als Spoͤtter
und Entehrer der Handlung, hinzugehen will: daß
unſere Kirche von ihrem Gottesdienſt, ſofern er in
Geſang, Gebet, und Unterricht beſteht, keinen aus-
ſchließt, weiß jeder und ich billige es von ganzem Her-
zen. Und nun wird wohl niemand zu wiſſen verlan-
gen, was ich bey dem Widerſpruch zwiſchen D. und
M. denke, ſondern als gewiß zum vorausſetzen; ich
ſey auf der guͤtigern Seite Mendelsſohns. Das bin
ich doch nicht, ſondern gewiſſermaſſen in der Mitte.
Die Kirche des herrſchenden Volks handelte thoͤricht
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Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/89>, abgerufen am 27.11.2024.
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