nach genauer Vergleichung aller hierüber in den Rabbi- nen vorkommenden conereten Fälle, in welchen sie ihren Unterricht vorgetragen, die allgemeinen Sätze, auf die sie reducirt werden müssen, folgende sind die ich mit seinen Worten hieher setze:
1. "Eine Aussage, die der innern Ueberzeugung "widerspricht, aber keines Andern Recht kränket, "heißt eine Unwahrheit."
2. "Wird aber eines Andern Recht dadurch ge- "kränkt, so ist es eine Lüge."
3. "Es ist erlaubt, sich einer Unwahrheit zu "seinem Vortheil zu bedienen, aber nicht einer Lüge; "auch ist nicht erlaubt, eine Unwahrheit zu be- "schwören. Denn dieses wäre ein Misbrauch "des göttlichen Nahmens."
4. "Wenn Jemand sich gewaltsamer Weise das "Recht anmaßt, mir ein Geständniß abzufodern, "das er zu meinem oder eines Andern Schaden mis- "brauchen will; so bin ich verbunden die Wahrheit "zu verschweigen oder auch die Unwahrheit zu "sagen, und diese allenfalls durch ein Gelübde "oder durch einen Eyd zu bekräftigen, dem ich im "Herzen einen andern Sinn gebe. Es ist zwarsonst "die allgemeine Regel der Rabbinen, daß Worte, "die man bloß im Sinne hat, nicht als Worte
"anzu-
nach genauer Vergleichung aller hieruͤber in den Rabbi- nen vorkommenden conereten Faͤlle, in welchen ſie ihren Unterricht vorgetragen, die allgemeinen Saͤtze, auf die ſie reducirt werden muͤſſen, folgende ſind die ich mit ſeinen Worten hieher ſetze:
1. „Eine Auſſage, die der innern Ueberzeugung „widerſpricht, aber keines Andern Recht kraͤnket, „heißt eine Unwahrheit.“
2. „Wird aber eines Andern Recht dadurch ge- „kraͤnkt, ſo iſt es eine Luͤge.“
3. „Es iſt erlaubt, ſich einer Unwahrheit zu „ſeinem Vortheil zu bedienen, aber nicht einer Luͤge; „auch iſt nicht erlaubt, eine Unwahrheit zu be- „ſchwoͤren. Denn dieſes waͤre ein Misbrauch „des goͤttlichen Nahmens.“
4. „Wenn Jemand ſich gewaltſamer Weiſe das „Recht anmaßt, mir ein Geſtaͤndniß abzufodern, „das er zu meinem oder eines Andern Schaden mis- „brauchen will; ſo bin ich verbunden die Wahrheit „zu verſchweigen oder auch die Unwahrheit zu „ſagen, und dieſe allenfalls durch ein Geluͤbde „oder durch einen Eyd zu bekraͤftigen, dem ich im „Herzen einen andern Sinn gebe. Es iſt zwarſonſt „die allgemeine Regel der Rabbinen, daß Worte, „die man bloß im Sinne hat, nicht als Worte
„anzu-
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nach genauer Vergleichung aller hieruͤber in den Rabbi-
nen vorkommenden conereten Faͤlle, in welchen ſie
ihren Unterricht vorgetragen, die allgemeinen Saͤtze,
auf die ſie reducirt werden muͤſſen, folgende ſind
die ich mit ſeinen Worten hieher ſetze:
1. „Eine Auſſage, die der innern Ueberzeugung
„widerſpricht, aber keines Andern Recht kraͤnket,
„heißt eine Unwahrheit.“
2. „Wird aber eines Andern Recht dadurch ge-
„kraͤnkt, ſo iſt es eine Luͤge.“
3. „Es iſt erlaubt, ſich einer Unwahrheit zu
„ſeinem Vortheil zu bedienen, aber nicht einer Luͤge;
„auch iſt nicht erlaubt, eine Unwahrheit zu be-
„ſchwoͤren. Denn dieſes waͤre ein Misbrauch
„des goͤttlichen Nahmens.“
4. „Wenn Jemand ſich gewaltſamer Weiſe das
„Recht anmaßt, mir ein Geſtaͤndniß abzufodern,
„das er zu meinem oder eines Andern Schaden mis-
„brauchen will; ſo bin ich verbunden die Wahrheit
„zu verſchweigen oder auch die Unwahrheit zu
„ſagen, und dieſe allenfalls durch ein Geluͤbde
„oder durch einen Eyd zu bekraͤftigen, dem ich im
„Herzen einen andern Sinn gebe. Es iſt zwarſonſt
„die allgemeine Regel der Rabbinen, daß Worte,
„die man bloß im Sinne hat, nicht als Worte
„anzu-
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Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/343>, abgerufen am 23.11.2024.
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