Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

That bewiesen, daß sie diesen Verdacht auf keine
Weise verdiene, da sie sogar die Zigeuner, eine in
dem Gedauken unsers Volks noch weit mehr verach-
tete und allerdings auch verwildertere Menschenart,
der Handwerkszünfte fähig erklärt hat, wie dieses
schon durch ein Chur-Braunschweigisches Edict vom
Jahr 1712 *) geschehen ist.

Ich sehe also keinen Grund, warum man nicht
die Zünfte anhalten wollte, auch jüdische Knaben in
die Lehre zu nehmen. Anfangs müßte man freylich
einigen Widerstand erwarten, aber er würde sich
verliehren, wie er in Absicht der durch die älteren Ge-
setze erst zünftig erklärten Personen sich allmälig ver-
lohren hat. In Deutschland würde hiezu freylich
ein allgemeiner Reichsschluß erfodert werden, und
wenn derselbe, wegen des Antheils, den in den Reichs-
städten die Zünfte an Regierungsrechten haben, nicht
zu bewirken wäre, müßte zunächst eine Association
mehrerer Stände seine Stelle vertreten. Die großen
Staaten, (vorzüglich die weitläuftige und wohl ar-
rondirte österreichische wie auch die preußische Mo-
narchie könnten hierinn schon mit größerer Freyheit
für sich handeln, da sie der Verbindung ihrer Hand-

werker
*) Herr D. Krünitz führt dasselbe an in der Oeco-
nom. Encyclopädie
, XXI, S. 502.

That bewieſen, daß ſie dieſen Verdacht auf keine
Weiſe verdiene, da ſie ſogar die Zigeuner, eine in
dem Gedauken unſers Volks noch weit mehr verach-
tete und allerdings auch verwildertere Menſchenart,
der Handwerkszuͤnfte faͤhig erklaͤrt hat, wie dieſes
ſchon durch ein Chur-Braunſchweigiſches Edict vom
Jahr 1712 *) geſchehen iſt.

Ich ſehe alſo keinen Grund, warum man nicht
die Zuͤnfte anhalten wollte, auch juͤdiſche Knaben in
die Lehre zu nehmen. Anfangs muͤßte man freylich
einigen Widerſtand erwarten, aber er wuͤrde ſich
verliehren, wie er in Abſicht der durch die aͤlteren Ge-
ſetze erſt zuͤnftig erklaͤrten Perſonen ſich allmaͤlig ver-
lohren hat. In Deutſchland wuͤrde hiezu freylich
ein allgemeiner Reichsſchluß erfodert werden, und
wenn derſelbe, wegen des Antheils, den in den Reichs-
ſtaͤdten die Zuͤnfte an Regierungsrechten haben, nicht
zu bewirken waͤre, muͤßte zunaͤchſt eine Aſſociation
mehrerer Staͤnde ſeine Stelle vertreten. Die großen
Staaten, (vorzuͤglich die weitlaͤuftige und wohl ar-
rondirte oͤſterreichiſche wie auch die preußiſche Mo-
narchie koͤnnten hierinn ſchon mit groͤßerer Freyheit
fuͤr ſich handeln, da ſie der Verbindung ihrer Hand-

werker
*) Herr D. Kruͤnitz fuͤhrt daſſelbe an in der Oeco-
nom. Encyclopaͤdie
, XXI, S. 502.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0292" n="284"/>
That bewie&#x017F;en, daß &#x017F;ie die&#x017F;en Verdacht auf keine<lb/>
Wei&#x017F;e verdiene, da &#x017F;ie &#x017F;ogar die Zigeuner, eine in<lb/>
dem Gedauken un&#x017F;ers Volks noch weit mehr verach-<lb/>
tete und allerdings auch verwildertere Men&#x017F;chenart,<lb/>
der Handwerkszu&#x0364;nfte fa&#x0364;hig erkla&#x0364;rt hat, wie die&#x017F;es<lb/>
&#x017F;chon durch ein Chur-Braun&#x017F;chweigi&#x017F;ches Edict vom<lb/>
Jahr 1712 <note place="foot" n="*)">Herr D. <hi rendition="#fr">Kru&#x0364;nitz</hi> fu&#x0364;hrt da&#x017F;&#x017F;elbe an in der <hi rendition="#fr">Oeco-<lb/>
nom. Encyclopa&#x0364;die</hi>, <hi rendition="#aq">XXI,</hi> S. 502.</note> ge&#x017F;chehen i&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>Ich &#x017F;ehe al&#x017F;o keinen Grund, warum man nicht<lb/>
die Zu&#x0364;nfte anhalten wollte, auch ju&#x0364;di&#x017F;che Knaben in<lb/>
die Lehre zu nehmen. Anfangs mu&#x0364;ßte man freylich<lb/>
einigen Wider&#x017F;tand erwarten, aber er wu&#x0364;rde &#x017F;ich<lb/>
verliehren, wie er in Ab&#x017F;icht der durch die a&#x0364;lteren Ge-<lb/>
&#x017F;etze er&#x017F;t zu&#x0364;nftig erkla&#x0364;rten Per&#x017F;onen &#x017F;ich allma&#x0364;lig ver-<lb/>
lohren hat. In Deut&#x017F;chland wu&#x0364;rde hiezu freylich<lb/>
ein allgemeiner Reichs&#x017F;chluß erfodert werden, und<lb/>
wenn der&#x017F;elbe, wegen des Antheils, den in den Reichs-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;dten die Zu&#x0364;nfte an Regierungsrechten haben, nicht<lb/>
zu bewirken wa&#x0364;re, mu&#x0364;ßte zuna&#x0364;ch&#x017F;t eine A&#x017F;&#x017F;ociation<lb/>
mehrerer <hi rendition="#fr">Sta&#x0364;nde</hi> &#x017F;eine Stelle vertreten. Die großen<lb/>
Staaten, (vorzu&#x0364;glich die weitla&#x0364;uftige und wohl ar-<lb/>
rondirte o&#x0364;&#x017F;terreichi&#x017F;che wie auch die preußi&#x017F;che Mo-<lb/>
narchie ko&#x0364;nnten hierinn &#x017F;chon mit gro&#x0364;ßerer Freyheit<lb/>
fu&#x0364;r &#x017F;ich handeln, da &#x017F;ie der Verbindung ihrer Hand-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">werker</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[284/0292] That bewieſen, daß ſie dieſen Verdacht auf keine Weiſe verdiene, da ſie ſogar die Zigeuner, eine in dem Gedauken unſers Volks noch weit mehr verach- tete und allerdings auch verwildertere Menſchenart, der Handwerkszuͤnfte faͤhig erklaͤrt hat, wie dieſes ſchon durch ein Chur-Braunſchweigiſches Edict vom Jahr 1712 *) geſchehen iſt. Ich ſehe alſo keinen Grund, warum man nicht die Zuͤnfte anhalten wollte, auch juͤdiſche Knaben in die Lehre zu nehmen. Anfangs muͤßte man freylich einigen Widerſtand erwarten, aber er wuͤrde ſich verliehren, wie er in Abſicht der durch die aͤlteren Ge- ſetze erſt zuͤnftig erklaͤrten Perſonen ſich allmaͤlig ver- lohren hat. In Deutſchland wuͤrde hiezu freylich ein allgemeiner Reichsſchluß erfodert werden, und wenn derſelbe, wegen des Antheils, den in den Reichs- ſtaͤdten die Zuͤnfte an Regierungsrechten haben, nicht zu bewirken waͤre, muͤßte zunaͤchſt eine Aſſociation mehrerer Staͤnde ſeine Stelle vertreten. Die großen Staaten, (vorzuͤglich die weitlaͤuftige und wohl ar- rondirte oͤſterreichiſche wie auch die preußiſche Mo- narchie koͤnnten hierinn ſchon mit groͤßerer Freyheit fuͤr ſich handeln, da ſie der Verbindung ihrer Hand- werker *) Herr D. Kruͤnitz fuͤhrt daſſelbe an in der Oeco- nom. Encyclopaͤdie, XXI, S. 502.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/292
Zitationshilfe: Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/292>, abgerufen am 17.05.2024.