Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783.waren unstreitig dem ersten Zweck der bürgerlichen müßte. Zeiten so beleidigend auffallende Aeusserungen damit
hat entschuldigen wollen, daß man sie nur für besonde- re Meynungen einzelner Kirchenväter ausgegeben, nach denen man die Meynungen der ganzen Parthey nicht beurtheilen dürfe. Aber woher soll man dann rich- tigere Begriffe von den Grundsätzen dieser Parthey hernehmen, wenn man aus den Schriften ihrer größten und verehrtesten Lehrer, wie die sind, wel- che ich angeführt habe, sie nicht entlehnen kann? Man darf auch nur einige dieser Schriften im Zu- sammenhange lesen, um sich zu überzeugen, wie der Geist jener einzelnen Stellen der ganzen Denkart ihrer Verfasser angemessen ist. Ich will indeß gern zugeben, daß andre Lehrer das Gegentheil der an- geführten Sätze behauptet haben und daß man un- ter den ältern Christen (wie dieses Hr. D. Semler mit Recht oft erinnert) sehr unterscheiden müsse. Aber soviel bleibt doch gewiß, daß jene mit dem Wohl der bürgerlichen Gesellschaft schlechterdings unverträgliche Sätze sich wenigstens in dem christ- lichen Religionssystem der angesehensten Lehrer, also auch ohne Zweifel eines beträchtlichen Theils der Christen überhaupt, befunden, und doch itzt sich aus demselben ganz verlohren haben. waren unſtreitig dem erſten Zweck der buͤrgerlichen muͤßte. Zeiten ſo beleidigend auffallende Aeuſſerungen damit
hat entſchuldigen wollen, daß man ſie nur fuͤr beſonde- re Meynungen einzelner Kirchenvaͤter ausgegeben, nach denen man die Meynungen der ganzen Parthey nicht beurtheilen duͤrfe. Aber woher ſoll man dann rich- tigere Begriffe von den Grundſaͤtzen dieſer Parthey hernehmen, wenn man aus den Schriften ihrer groͤßten und verehrteſten Lehrer, wie die ſind, wel- che ich angefuͤhrt habe, ſie nicht entlehnen kann? Man darf auch nur einige dieſer Schriften im Zu- ſammenhange leſen, um ſich zu uͤberzeugen, wie der Geiſt jener einzelnen Stellen der ganzen Denkart ihrer Verfaſſer angemeſſen iſt. Ich will indeß gern zugeben, daß andre Lehrer das Gegentheil der an- gefuͤhrten Saͤtze behauptet haben und daß man un- ter den aͤltern Chriſten (wie dieſes Hr. D. Semler mit Recht oft erinnert) ſehr unterſcheiden muͤſſe. Aber ſoviel bleibt doch gewiß, daß jene mit dem Wohl der buͤrgerlichen Geſellſchaft ſchlechterdings unvertraͤgliche Saͤtze ſich wenigſtens in dem chriſt- lichen Religionsſyſtem der angeſehenſten Lehrer, alſo auch ohne Zweifel eines betraͤchtlichen Theils der Chriſten uͤberhaupt, befunden, und doch itzt ſich aus demſelben ganz verlohren haben. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0215" n="207"/> waren unſtreitig dem erſten Zweck der buͤrgerlichen<lb/> Geſellſchaft entgegen, deren Ordnung ihre Befol-<lb/> gung ganz aufheben und deren Bande ſie zerreißen<lb/> <fw place="bottom" type="catch">muͤßte.</fw><lb/><note xml:id="note-0215" prev="#note-0214a" place="foot" n="**)">Zeiten ſo beleidigend auffallende Aeuſſerungen damit<lb/> hat entſchuldigen wollen, daß man ſie nur fuͤr beſonde-<lb/> re Meynungen einzelner Kirchenvaͤter ausgegeben, nach<lb/> denen man die Meynungen der ganzen Parthey nicht<lb/> beurtheilen duͤrfe. Aber woher ſoll man dann rich-<lb/> tigere Begriffe von den Grundſaͤtzen dieſer Parthey<lb/> hernehmen, wenn man aus den Schriften ihrer<lb/> groͤßten und verehrteſten Lehrer, wie die ſind, wel-<lb/> che ich angefuͤhrt habe, ſie nicht entlehnen kann?<lb/> Man darf auch nur einige dieſer Schriften im Zu-<lb/> ſammenhange leſen, um ſich zu uͤberzeugen, wie der<lb/> Geiſt jener einzelnen Stellen der ganzen Denkart<lb/> ihrer Verfaſſer angemeſſen iſt. Ich will indeß gern<lb/> zugeben, daß andre Lehrer das Gegentheil der an-<lb/> gefuͤhrten Saͤtze behauptet haben und daß man un-<lb/> ter den aͤltern Chriſten (wie dieſes Hr. D. <hi rendition="#fr">Semler</hi><lb/> mit Recht oft erinnert) ſehr unterſcheiden muͤſſe.<lb/> Aber ſoviel bleibt doch gewiß, daß jene mit dem<lb/> Wohl der buͤrgerlichen Geſellſchaft ſchlechterdings<lb/> unvertraͤgliche Saͤtze ſich wenigſtens in dem chriſt-<lb/> lichen Religionsſyſtem der angeſehenſten Lehrer,<lb/> alſo auch ohne Zweifel eines betraͤchtlichen Theils<lb/> der Chriſten uͤberhaupt, befunden, und doch itzt ſich<lb/> aus demſelben ganz verlohren haben.</note><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [207/0215]
waren unſtreitig dem erſten Zweck der buͤrgerlichen
Geſellſchaft entgegen, deren Ordnung ihre Befol-
gung ganz aufheben und deren Bande ſie zerreißen
muͤßte.
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**) Zeiten ſo beleidigend auffallende Aeuſſerungen damit
hat entſchuldigen wollen, daß man ſie nur fuͤr beſonde-
re Meynungen einzelner Kirchenvaͤter ausgegeben, nach
denen man die Meynungen der ganzen Parthey nicht
beurtheilen duͤrfe. Aber woher ſoll man dann rich-
tigere Begriffe von den Grundſaͤtzen dieſer Parthey
hernehmen, wenn man aus den Schriften ihrer
groͤßten und verehrteſten Lehrer, wie die ſind, wel-
che ich angefuͤhrt habe, ſie nicht entlehnen kann?
Man darf auch nur einige dieſer Schriften im Zu-
ſammenhange leſen, um ſich zu uͤberzeugen, wie der
Geiſt jener einzelnen Stellen der ganzen Denkart
ihrer Verfaſſer angemeſſen iſt. Ich will indeß gern
zugeben, daß andre Lehrer das Gegentheil der an-
gefuͤhrten Saͤtze behauptet haben und daß man un-
ter den aͤltern Chriſten (wie dieſes Hr. D. Semler
mit Recht oft erinnert) ſehr unterſcheiden muͤſſe.
Aber ſoviel bleibt doch gewiß, daß jene mit dem
Wohl der buͤrgerlichen Geſellſchaft ſchlechterdings
unvertraͤgliche Saͤtze ſich wenigſtens in dem chriſt-
lichen Religionsſyſtem der angeſehenſten Lehrer,
alſo auch ohne Zweifel eines betraͤchtlichen Theils
der Chriſten uͤberhaupt, befunden, und doch itzt ſich
aus demſelben ganz verlohren haben.
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