der Beschäftigung und Nahrungswege, angenehm zu machen; sie dadurch, daß sie ihr Glück nach ei- gener Einsicht sich bilden können, zu fesseln und bald möglichst zu naturalisiren. Fremde durch Wohl- thaten anzulocken scheint mir indeß nur in zwey Fäl- len rathsam. Erstlich, wenn diese Fremde ihr Va- terland zu verlassen durch politische und religiöse Drückung veranlaßt sind; Hugenotten, Salzburger, Pfälzer waren allenthalben die besten Colonisten und dankbarsten Unterthanen. Zweytens, wenn ein Staat viel unurbares Land hat, oder durch seine La- ge Vortheile von neu anzulegenden Manufacturen oder Handlungsverhältnissen erwarten kann, wozu es ihm an eigenen Händen fehlt, die er durch die na- türliche Vermehrung nicht sobald erwarten kann. Sonst muß ich gestehen, denke ich über die gewöhn- lichen nur durch die zu erwartende Wohlthaten ge- lockten Colonisten noch immer so, wie ich bereits in dieser Schrift mich über sie erklärt habe, und der Staat der sie aufnimmt, muß, dünkt mich, immer den größten Vortheil erst von ihren Kindern und Enkeln erwarten.
Alle diese Grundsätze können nun meiner Ein- sicht nach auch auf die Juden angewandt werden, da ich dieselben für fähig halte, völlig brauchbare
Glieder
L 4
der Beſchaͤftigung und Nahrungswege, angenehm zu machen; ſie dadurch, daß ſie ihr Gluͤck nach ei- gener Einſicht ſich bilden koͤnnen, zu feſſeln und bald moͤglichſt zu naturaliſiren. Fremde durch Wohl- thaten anzulocken ſcheint mir indeß nur in zwey Faͤl- len rathſam. Erſtlich, wenn dieſe Fremde ihr Va- terland zu verlaſſen durch politiſche und religioͤſe Druͤckung veranlaßt ſind; Hugenotten, Salzburger, Pfaͤlzer waren allenthalben die beſten Coloniſten und dankbarſten Unterthanen. Zweytens, wenn ein Staat viel unurbares Land hat, oder durch ſeine La- ge Vortheile von neu anzulegenden Manufacturen oder Handlungsverhaͤltniſſen erwarten kann, wozu es ihm an eigenen Haͤnden fehlt, die er durch die na- tuͤrliche Vermehrung nicht ſobald erwarten kann. Sonſt muß ich geſtehen, denke ich uͤber die gewoͤhn- lichen nur durch die zu erwartende Wohlthaten ge- lockten Coloniſten noch immer ſo, wie ich bereits in dieſer Schrift mich uͤber ſie erklaͤrt habe, und der Staat der ſie aufnimmt, muß, duͤnkt mich, immer den groͤßten Vortheil erſt von ihren Kindern und Enkeln erwarten.
Alle dieſe Grundſaͤtze koͤnnen nun meiner Ein- ſicht nach auch auf die Juden angewandt werden, da ich dieſelben fuͤr faͤhig halte, voͤllig brauchbare
Glieder
L 4
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0175"n="167"/>
der Beſchaͤftigung und Nahrungswege, angenehm<lb/>
zu machen; ſie dadurch, daß ſie ihr Gluͤck nach ei-<lb/>
gener Einſicht ſich bilden koͤnnen, zu feſſeln und<lb/>
bald moͤglichſt zu naturaliſiren. Fremde durch Wohl-<lb/>
thaten anzulocken ſcheint mir indeß nur in zwey Faͤl-<lb/>
len rathſam. <hirendition="#fr">Erſtlich</hi>, wenn dieſe Fremde ihr Va-<lb/>
terland zu verlaſſen durch politiſche und religioͤſe<lb/>
Druͤckung veranlaßt ſind; Hugenotten, Salzburger,<lb/>
Pfaͤlzer waren allenthalben die beſten Coloniſten und<lb/>
dankbarſten Unterthanen. <hirendition="#fr">Zweytens</hi>, wenn ein<lb/>
Staat viel unurbares Land hat, oder durch ſeine La-<lb/>
ge Vortheile von neu anzulegenden Manufacturen<lb/>
oder Handlungsverhaͤltniſſen erwarten kann, wozu<lb/>
es ihm an eigenen Haͤnden fehlt, die er durch die na-<lb/>
tuͤrliche Vermehrung nicht ſobald erwarten kann.<lb/>
Sonſt muß ich geſtehen, denke ich uͤber die gewoͤhn-<lb/>
lichen nur durch die zu erwartende Wohlthaten ge-<lb/>
lockten Coloniſten noch immer ſo, wie ich bereits in<lb/>
dieſer Schrift mich uͤber ſie erklaͤrt habe, und der<lb/>
Staat der ſie aufnimmt, muß, duͤnkt mich, immer<lb/>
den groͤßten Vortheil erſt von ihren Kindern und<lb/>
Enkeln erwarten.</p><lb/><p>Alle dieſe Grundſaͤtze koͤnnen nun meiner Ein-<lb/>ſicht nach auch auf die Juden angewandt werden,<lb/>
da ich dieſelben fuͤr faͤhig halte, voͤllig brauchbare<lb/><fwplace="bottom"type="sig">L 4</fw><fwplace="bottom"type="catch">Glieder</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[167/0175]
der Beſchaͤftigung und Nahrungswege, angenehm
zu machen; ſie dadurch, daß ſie ihr Gluͤck nach ei-
gener Einſicht ſich bilden koͤnnen, zu feſſeln und
bald moͤglichſt zu naturaliſiren. Fremde durch Wohl-
thaten anzulocken ſcheint mir indeß nur in zwey Faͤl-
len rathſam. Erſtlich, wenn dieſe Fremde ihr Va-
terland zu verlaſſen durch politiſche und religioͤſe
Druͤckung veranlaßt ſind; Hugenotten, Salzburger,
Pfaͤlzer waren allenthalben die beſten Coloniſten und
dankbarſten Unterthanen. Zweytens, wenn ein
Staat viel unurbares Land hat, oder durch ſeine La-
ge Vortheile von neu anzulegenden Manufacturen
oder Handlungsverhaͤltniſſen erwarten kann, wozu
es ihm an eigenen Haͤnden fehlt, die er durch die na-
tuͤrliche Vermehrung nicht ſobald erwarten kann.
Sonſt muß ich geſtehen, denke ich uͤber die gewoͤhn-
lichen nur durch die zu erwartende Wohlthaten ge-
lockten Coloniſten noch immer ſo, wie ich bereits in
dieſer Schrift mich uͤber ſie erklaͤrt habe, und der
Staat der ſie aufnimmt, muß, duͤnkt mich, immer
den groͤßten Vortheil erſt von ihren Kindern und
Enkeln erwarten.
Alle dieſe Grundſaͤtze koͤnnen nun meiner Ein-
ſicht nach auch auf die Juden angewandt werden,
da ich dieſelben fuͤr faͤhig halte, voͤllig brauchbare
Glieder
L 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/175>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.