sche Völker die verschiedenen Provinzen des römischen Reichs eroberten und neue Staaten in ihnen errichteten, bey der Stufe unserer itzigen europäischen Cultur und unserer erleuchtetern (wenigstens andern) Politick sich nicht denken. Kein Staat unsers Welttheils macht itzt Eroberungen, um die alten Einwohner in denselben auszurotten oder zu Sclaven zu machen, und deren Eigenthum unter seine siegende Heere zu vertheilen. Eine eroberte Provinz wird der Classe der bisherigen zugesellt, ihre Einwohner behalten ihre Besitzungen und Rechte und werden den alten Bürgern associirt und gleich gemacht. Im Elsaß, in Liefland, in Schlesien sind nicht Franzosen, Russen und Preus- sen herrschende Nationen und die alten Einwohner diesen unterworfen geworden; jene Provinzen wur- den nur den Staaten einverleibt, die durch Erobe- rung und Abtretung sie erworben hatten. Selbst die Pforte beobachtet diesen Grundsatz, und macht die Einwohner eroberter Länder nur zu Unterthanen des Staats, nicht zu Sclaven der siegenden Nation. Wie viel weniger kann also noch in unsern itzigen Staa, ten auf den alten längst abgeschliffenen Unterschied zwischen Siegern und Besiegten, ursprünglichen Besitzern und Fremdlingen Rücksicht genommen werden, deren Nachkommen sich längst vermischt
und
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ſche Voͤlker die verſchiedenen Provinzen des roͤmiſchen Reichs eroberten und neue Staaten in ihnen errichteten, bey der Stufe unſerer itzigen europaͤiſchen Cultur und unſerer erleuchtetern (wenigſtens andern) Politick ſich nicht denken. Kein Staat unſers Welttheils macht itzt Eroberungen, um die alten Einwohner in denſelben auszurotten oder zu Sclaven zu machen, und deren Eigenthum unter ſeine ſiegende Heere zu vertheilen. Eine eroberte Provinz wird der Claſſe der bisherigen zugeſellt, ihre Einwohner behalten ihre Beſitzungen und Rechte und werden den alten Buͤrgern aſſociirt und gleich gemacht. Im Elſaß, in Liefland, in Schleſien ſind nicht Franzoſen, Ruſſen und Preuſ- ſen herrſchende Nationen und die alten Einwohner dieſen unterworfen geworden; jene Provinzen wur- den nur den Staaten einverleibt, die durch Erobe- rung und Abtretung ſie erworben hatten. Selbſt die Pforte beobachtet dieſen Grundſatz, und macht die Einwohner eroberter Laͤnder nur zu Unterthanen des Staats, nicht zu Sclaven der ſiegenden Nation. Wie viel weniger kann alſo noch in unſern itzigen Staa, ten auf den alten laͤngſt abgeſchliffenen Unterſchied zwiſchen Siegern und Beſiegten, urſpruͤnglichen Beſitzern und Fremdlingen Ruͤckſicht genommen werden, deren Nachkommen ſich laͤngſt vermiſcht
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ſche Voͤlker die verſchiedenen Provinzen des roͤmiſchen
Reichs eroberten und neue Staaten in ihnen errichteten,
bey der Stufe unſerer itzigen europaͤiſchen Cultur und
unſerer erleuchtetern (wenigſtens andern) Politick ſich
nicht denken. Kein Staat unſers Welttheils macht itzt
Eroberungen, um die alten Einwohner in denſelben
auszurotten oder zu Sclaven zu machen, und deren
Eigenthum unter ſeine ſiegende Heere zu vertheilen.
Eine eroberte Provinz wird der Claſſe der bisherigen
zugeſellt, ihre Einwohner behalten ihre Beſitzungen
und Rechte und werden den alten Buͤrgern aſſociirt
und gleich gemacht. Im Elſaß, in Liefland, in
Schleſien ſind nicht Franzoſen, Ruſſen und Preuſ-
ſen herrſchende Nationen und die alten Einwohner
dieſen unterworfen geworden; jene Provinzen wur-
den nur den Staaten einverleibt, die durch Erobe-
rung und Abtretung ſie erworben hatten. Selbſt die
Pforte beobachtet dieſen Grundſatz, und macht die
Einwohner eroberter Laͤnder nur zu Unterthanen des
Staats, nicht zu Sclaven der ſiegenden Nation. Wie
viel weniger kann alſo noch in unſern itzigen Staa,
ten auf den alten laͤngſt abgeſchliffenen Unterſchied
zwiſchen Siegern und Beſiegten, urſpruͤnglichen
Beſitzern und Fremdlingen Ruͤckſicht genommen
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Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/173>, abgerufen am 16.02.2025.
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