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Dohm, Hedwig: Der Jesuitismus im Hausstande. Berlin, 1873.

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ein Schritt zu den Cigarren des Herrn, zur Wäsche,
zu Töpfen, Tigeln und Portemonnaies.

Die unbemerkte Ausführung gestohlener Gegenstände
wird übrigens dem Mädchen nur in seltenen Fällen ge-
lingen, denn jede Hausfrau kennt die Durchschnitts-
quantität der Waaren, die sie monatlich oder wöchentlich
verbraucht. Eine größere Differenz würde alsbald ihren
Argwohn erwecken. Das als diebisch erkannte Mädchen
wäre sofort zu entlassen.

Vor Diebinnen und schlechten Mädchen könnten sich
übrigens die Herrschaften auf dem einfachsten Wege von
der Welt schützen.

Sie brauchten dem Mädchen nur anstatt unverschäm-
ter Lügen ein aufrichtiges, wahrheitsgetreues Zeugniß
in den Schein zu schreiben.

Auch ich schreibe fast jedem Mädchen, wenn auch
mit Widerstreben, das stereotype "gut" und "weil ich
mich verändern wollte" in den Schein, mag sie sich auch
noch so ungenügend erwiesen haben. Wo Alle lügen,
habe ich kein Recht, wahr zu sein, und auf dem Altar
meiner Wahrheitsliebe ein armes Mädchen zu schlachten.

Das ist so zu verstehen: Wenn ich meiner Karoline
der Wahrheit gemäß in den Schein schreibe: mitunter
unordentlich und naseweis, kocht ungenügend, so übersetzt
sich jede Herrschaft, der die unglückliche Karoline diesen

ein Schritt zu den Cigarren des Herrn, zur Wäsche,
zu Töpfen, Tigeln und Portemonnaies.

Die unbemerkte Ausführung gestohlener Gegenstände
wird übrigens dem Mädchen nur in seltenen Fällen ge-
lingen, denn jede Hausfrau kennt die Durchschnitts-
quantität der Waaren, die sie monatlich oder wöchentlich
verbraucht. Eine größere Differenz würde alsbald ihren
Argwohn erwecken. Das als diebisch erkannte Mädchen
wäre sofort zu entlassen.

Vor Diebinnen und schlechten Mädchen könnten sich
übrigens die Herrschaften auf dem einfachsten Wege von
der Welt schützen.

Sie brauchten dem Mädchen nur anstatt unverschäm-
ter Lügen ein aufrichtiges, wahrheitsgetreues Zeugniß
in den Schein zu schreiben.

Auch ich schreibe fast jedem Mädchen, wenn auch
mit Widerstreben, das stereotype „gut‟ und „weil ich
mich verändern wollte‟ in den Schein, mag sie sich auch
noch so ungenügend erwiesen haben. Wo Alle lügen,
habe ich kein Recht, wahr zu sein, und auf dem Altar
meiner Wahrheitsliebe ein armes Mädchen zu schlachten.

Das ist so zu verstehen: Wenn ich meiner Karoline
der Wahrheit gemäß in den Schein schreibe: mitunter
unordentlich und naseweis, kocht ungenügend, so übersetzt
sich jede Herrschaft, der die unglückliche Karoline diesen

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[72/0080] ein Schritt zu den Cigarren des Herrn, zur Wäsche, zu Töpfen, Tigeln und Portemonnaies. Die unbemerkte Ausführung gestohlener Gegenstände wird übrigens dem Mädchen nur in seltenen Fällen ge- lingen, denn jede Hausfrau kennt die Durchschnitts- quantität der Waaren, die sie monatlich oder wöchentlich verbraucht. Eine größere Differenz würde alsbald ihren Argwohn erwecken. Das als diebisch erkannte Mädchen wäre sofort zu entlassen. Vor Diebinnen und schlechten Mädchen könnten sich übrigens die Herrschaften auf dem einfachsten Wege von der Welt schützen. Sie brauchten dem Mädchen nur anstatt unverschäm- ter Lügen ein aufrichtiges, wahrheitsgetreues Zeugniß in den Schein zu schreiben. Auch ich schreibe fast jedem Mädchen, wenn auch mit Widerstreben, das stereotype „gut‟ und „weil ich mich verändern wollte‟ in den Schein, mag sie sich auch noch so ungenügend erwiesen haben. Wo Alle lügen, habe ich kein Recht, wahr zu sein, und auf dem Altar meiner Wahrheitsliebe ein armes Mädchen zu schlachten. Das ist so zu verstehen: Wenn ich meiner Karoline der Wahrheit gemäß in den Schein schreibe: mitunter unordentlich und naseweis, kocht ungenügend, so übersetzt sich jede Herrschaft, der die unglückliche Karoline diesen

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Zitationshilfe: Dohm, Hedwig: Der Jesuitismus im Hausstande. Berlin, 1873, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_jesuitismus_1873/80>, abgerufen am 27.04.2024.